Ritter Blaubart.

Ein fürchterliches Spektakelstück aus dem finsteren Mittelalter in drei Aufzügen.

Bearbeitet nach Franz Graf Pocci

 

Personen

Ritter Blaubart

Kasperl Larifari, sein Knappe

Wolf von Bluteck, Ritter

Hugo von Hohenscheid, Ritter

Herr von Geldsack, reicher Gutsbesitzer

Anna

Bertha, seine Töchter

Der Teufel

Knappen

 

I. Aufzug

Gemach in Blaubarts Burg

KASPERL:                    Jetzt schlägt es zwölf Uhr, und noch ist er von der Bärenjagd nicht nach Hause gekommen. Da jagt wohl ein Bär den anderen. Nein, wenn ich das früher gewusst hätte, in diesen Dienst wäre ich auch nicht für eine ganze Million getreten. Das ist ein furchtbarer Kerl, mein Herr, der Blaubart! Wer’s bei dem aushalten könnte, der müsste einen ordentlichen Magen haben. Ein Wüterich ist er, wie’s die ganze Ritterschaft des Mittelalters nicht aufzuweisen hat.

                                      Was tut er gestern wieder? Mein Kollege, der Knappe Kuno, soll ihm sein Abendbrot bringen, stolpert im Hineingehen, schlägt das chinesische Porzellangeschirr entzwei, verstaucht sich den linken Fuß und fällt auf die Nase. Himmel, Arsch und Zwirn! Der Blaubart wird furchtbar wütend, reißt einen Spieß von der Wand und sticht den armen Kuno durch und durch wie ein Rebhuhn am Bratspieß und schreit: „Werft den Kerl in den Burggraben!“ Danach ruft er mich herein, gibt mir eine gewaltige Ohrfeige und befiehlt mir, ihm seinen Nachttrunk zu bringen, damit er seinen Ärger vertrinken kann. Da hat er zwölf Liter Bier gesoffen und ist dann ins Bett gegangen, als ob gar nichts geschehen wäre.

Jagdhörner erklingen

                                      Holla, da ist er schon! Jetzt heißt’s aufpassen! Was wird er heute wohl für einen wilden Kameraden mitbringen?

Tritte und Lärm draußen. Blaubart und Bluteck treten ein.

BLAUBART:                Wein her! Bier her! In Fässern!

BLUTECK:                   Ich könnte das höllische Meer aussaufen, solchen Durst habe ich!

BLAUBART:                Wird’s bald, oder soll ich drein hauen, dass die der Kopf wegfliegt?

KASPERL:                    Gleich, gleich, edler Ritter!

ab

BLAUBART:                Das war eine Jagd! Der Bär hat uns warm gemacht.

BLUTECK:                   Mich hatte er schon um den Leib und drückte mir seine Tatzen ins Zwerchfell, dass mir das Blut aus den Ohren spritzte! Wärst du mir nicht zur Hilfe gekommen, so wär’s um mich geschehn!

BLAUBART:                Ich stieß ihm mein Schwert zur rechten Zeit noch in den Bauch. – Holla, wo bleibt der Kerl mit dem Wein?

schlägt auf den Tisch

BLUTECK:                   Du wirst schlecht bedient. Du musst dem Lumpen eine Lehre erteilen, damit er sich schneller auf die Socken macht.

BLAUBART:                Du hast Recht! Weißt du was, ich lass‘ ihn in die Bärenhaut einnähen.

BLUTECK:                   Recht so, da gibt es Unterhaltung!

Kasperl bringt ungeheure Humpen.

BLAUBART:                Her damit, Faultier!

KASPERL:                    Ich bitte um Verzeihung, ich habe den Kellerschlüssel nicht gleich gefunden.

BLAUBART:                Was, Kellerschlüssel? Ein Faultier bist du.

hält ihn und beutelt ihn

                                      He da! Näht mir den Burschen ins Bärenfell, dann soll er uns wieder bedienen!

Knappen erscheinen und nehmen Kasperl in die Mitte.

KASPERL:                    Auweh! Auweh! Lasst mich, bitte, bitte tut das nicht! Nur das nicht!

ab

BLAUBART:                Ha, ha, ha! Das ist auch noch nicht dagewesen, dass ein Esel als Bär erscheint. Jetzt, Bruder, lass dir’s schmecken. Stoß an! Das Weidwerk soll leben!

BLUTECK:                   Das Weidwerk soll leben und der Wein soll leben!

BLAUBART:                Komm, wir singen!

                                      Auf, ihr Ritter, auf zur Hatz,
Fürchtet keines Bären Tatz‘
Fürchtet keines Wolfes Zahn,
Auf zur Jagd in Waldesbahn!

BLUTECK:                   Jagt den Eber, jagt den Hirsch,
Jagt das Einhorn auf der Pirsch,
Hussa, holla – was da lauft!
Wenn ihr heimkommt, Brüder, sauft!

BLAUBART:                Hetzt die Gäule, hetzt die Hund‘
Über Berg und Waldesgrund!
Hussa, holla –wilde Jagd
Stürmet durch die dunkle Nacht!

BLUTECK:                   Hoch! Hoch!

BLAUBART:                Die Humpen sind leer! Aufgetischt, eingeschenkt!

Kasperl in der Bärenhaut bringt neue Humpen.

KASPERL:                    Da bin ich wieder, wie Sie befohlen haben. Aber das ist doch ein bisschen arg, mich in eine Bärenhaut zu praktizieren! Das ist ja, als ob ich ein Narr in der Zwangsjacke wäre!

BLAUBART:                Halts Maul, oder ich lasse die Rüden auf dich hetzten! Ha, ha, ha!

BLUTECK:                   Jetzt sollst du uns noch einen Bärentanz vorführen!

KASPERL:                    Was? Tanzen soll ich auch noch und kann kaum gehen in der engen Bärenhose!

BLAUBART:                Rühr dich, Bursche! Tanze oder ich schlage dir die Knochen ein!

BLUTECK:                   Wir singen das Bärenlied dazu.

Blaubart und Bluteck singen, Kasperl tanzt dazu

                                      Ei, so tanz, mein lieber Bär,
Wickel, wackel hin und her,
Wickel, wackel auf und ab
In dem alten Bärentrab!

Kasperl fällt hin. Gelächter.

BLAUBART:                Steh auf, lieber Bär und lass dir die Haut abziehn. Marsch, hinaus!

Kasperl ab.

BLUTECK:                   Jetzt, Freund, ein ernstes Wort.

BLAUBART:                Lass los, Herzensfreund, was hast du?

BLUTECK:                   Solltest wieder ein Weib nehmen, du bist jetzt zum sechsten Male Witwer; es ist an der Zeit, die siebte zu freien.

BLAUBART:                Gut gesprochen, Bruder. Ich will’s bedenken, obwohl mir die sechs Frauen höllischen Verdruss gemacht haben.

BLUTECK:                   Oder du ihnen, denn sie sind ja wohl alles aus Gram gestorben. Bist wohl zu wild mit ihnen umgesprungen! Ha, ha, ha!

BLAUBART:                Red‘ doch nicht solchen Unsinn!

BLUTECK:                   Wie dem auch sei, für ein ehrsames Haus ziemt sich eine Hausfrau.

BLAUBART:                Schon recht, aber wo eine finden im Heiligen Deutschen Reiche?

BLUTECK:                   Nimm Rotraut von Berg.

BLAUBART:                Ist mir zu alt.

BLUTECK:                   Hol’ dir Marthe von Xanten.

BLAUBART:                Ist mir zu jung.

BLUTECK:                   Da kommt mir eine Idee! Frag beim alten Geldsack, dem Gutsbesitzer von Gerresheim nach. Der hat der Töchter zwei. Eine davon wird dir wohl gefallen.

BLAUBART:                Der Vorschlag ist nicht schlecht. Holla! Bertha ist eine Jungfrau nach meinem Sinn. Hat rechte Vergissmeinnichtäugelchen und Haare wie Flachs.

BLUTECK:                   Soll ich für dich werben?

BLAUBART:                Nein, Bruder, der Bär hat dich so zerrauft, dass du dich erst ein paar Tage von der Jagd erholen musst. Der Kaspar, so dumm er erscheint, ist doch ein schlauer Kerl, der soll mein Botschafter sein.

BLUTECK:                   Ha, ha, ha! Ein sonderbarer Einfall.

BLAUBART:                Das gibt zuerst noch einen Mordsspaß. Er soll als mein Brautwerber beim Alten einreiten und ich selber werde mit dir etwas später eintreffen. Sicher wird sich der Kaspar so unverschämt betragen, dass der alte Geldsack meine Werbung ablehnt. Dann raub‘ ich die Braut und du hilfst mir dabei.

BLUTECK:                   gut so, ich bin dabei. Das gibt ein treffliches Abenteuer. Hand drauf! – Jetzt reite ich heim.

BLAUBART:                Und ich sage dem Kaspar seine Botschaft. Leb wohl!

Bluteck ab.

BLAUBART:                He, Kaspar, herein!

KASPERL:                    (von draußen) Ich mag nicht, ich bitte um meine Entlassung.

BLAUBART:                Ach was, Bursche! Nimm dir den Spaß doch nicht so zu Herzen!

KASPERL:                    Ich trau‘ mich nicht hinein. Das war kein Spaß für mich. Ich bin noch bocksteif.

BLAUBART:                Bei meinem blauen Barte, es soll dir nichts geschehen!

KASPERL:                    Wenn das wahr ist.

tritt ein

BLAUBART:                Höre Kaspar, du bist ein gescheiter Kerl. Du sollst mein Brautwerber sein!

KASPERL:                    Ein Blaufärber soll ich sein? Das kann ich nicht. Ich habe das Färben nicht gelernt.

BLAUBART:                Du sollst mir eine Braut holen!

KASPERL:                    Das Kraut soll ich holen? Das gehört doch zu den Geschäften des Gärtners.

BLAUBART:                Höre doch! Ich will wieder heiraten und schicke dich zu dem alten Geldsack nach Gerresheim hinüber, den sollst du fragen, ob er mir seine älteste Tochter zur Frau geben will.

KASPERL:                    Ah, da gehorche ich sogleich. Das ist aber ein ehrenvoller Auftrag. Soll ich gleich losreiten?

BLAUBART:                Hol dir den alten Schecken aus dem Stall und macht deine Sache gut.

KASPERL:                    Aber Geld brauche ich dazu!

BLAUBART:                Hier hast du sechs Batzen, und dem Fräulein bringst du einen schönen Rosenstrauß in meinem Namen.

KASPERL:                    In Ihrem Namen ist ja kein Rosenstrauß.

BLAUBART:                Hölle und Teufel! Mach deine Sache fein und artig, wie’s sich gehört. Ich folge dir auf dem Fuße und hole mir die Antwort und die Braut. Und wenn du was verpatzt, soll dich der Teufel holen!

KASPERL:                    So ist’s recht, das wird eine schöne Geschichte werden.

beide ab.

DER TEUFEL:              Warte, Blaubart, wer hier vom Teufel geholt wird, das bestimme noch immer ich! Bald wird dein Geheimnis offenbar, und deine gerechte Strafe wird nicht auf sich warten lassen. Schoren sollst du im heißesten Kessel der siebten Hölle zum Ergötzen der gesamten höllischen Heerscharen. Ha, ha, ha!

ab.

 

Gemach im Gut Gerresheim. Bertha liest, Anna stickt.

ANNA:                          Du liest dir noch die Augen heraus! Das ewige Lesen! Es kann nicht gut für dich sein!

BERTHA:                     Lass mich, Schwester. Es gibt nichts Schöneres als die alten Ritterromane. Ach, wenn mich nur ein solcher Ritter entführen wollte! Denk dir eine schauerliche Mondnacht. Sturmgeheule rings herum; der Ritter reitet heimlich unter mein Fenster; er wirft eine Strickleiter herauf, holt mich mit seinen starken Armen herab, setzt mich auf seinen schäumenden Rappen hinter sich; ich klammere mich fest an ihn und wir jagen fort, fort− − −

ANNA:                          Fort, fort – und was dann? Das Ende vom Lied ist doch, dass die Entführte unglücklich wird.

BERTHA:                     Schwester, du hast keinen romantischen Sinn. Du kennst nur Küche und Keller.

ANNA:                          Aber warum hast du die Werbung des edlen Hugo von Hohenscheid von dir gewiesen! War dir dieser wilde Wupperritter nicht romantisch genug?

BERTHA:                     Den schönen Hugo täte ich wohl nehmen, aber seine gewöhnliche Werbung war mir zu alltäglich. Ich liebe nur das Außergewöhnliche.

ANNA:                          Für deine extravaganten Wünsche wirst du noch zu büßen haben.

BERTHA:                     Verschone mich mit deinen Predigten. Ich bin ohnehin die Ältere und dich hat der Ritter Hugo keines Blickes gewürdigt.

ANNA:                          Dafür bin ich aber die Klügere von uns beiden. Ich will mich nicht von einem wild-romantischen Ritterling entführen lassen, ich nehme lieber einen soliden Kaufmannssohn. Du bist und bleibst eine romantische Ritterin.

Bertha weit, Geldsack tritt ein

VON GELDSACK:       Berthchen, warum weinst du?

BERTHA:                     Die Anna will mich verspotten.

VON GELDSACK:       Was ist wieder versotten? Muss denn jeden Tag etwas in der Küche schief gehen, Anna?

ANNA:                          Ich wollte ihr nur von ihrer Torheit abraten.

VON GELDSACK:       Was, der Braten? Und ich habe mich so auf die Hammelkeule gefreut!

BERTHA:                     Vater! Anna ist die Jüngere von uns beiden und braucht mich nicht immer zu korrigieren.

VON GELDSACK:       Gut, lass den Hammel frikassieren, wenn er verbraten ist; schmeckt auch so nicht übel! Und, Mädel, lasst Knödel dazu machen, die passen gut dazu, und Blaukraut! Apropos Blaukraut, Mädels, wisst ihr was Neues? Soeben ist ein Diener des Ritters Blaubart eingeritten, der mir eine Botschaft zu überbringen hat.

BERTHA:                     Vielleicht eine Einladung zum Tee?

ANNA:                          Mir ist der Blaubart zuwider. Er hat so was Unheimliches an sich. Und der abscheuliche rote Bart!

VON GELDSACK:       Na, wenn dir Blaukraut zuwider ist, dann lassen wir eben Grünkohl zum Hammel reichen.

BERTHA:                     Gerade der Bart aber gefällt mir. Originell, abenteuerlich-ritterlich.

ANNA:                          Und er hat schon sechs Weiber gehabt. Die Welt erzählt sich recht Arges von ihm, wie er mit seinen Weibern umgegangen ist, dass sie alle schnell verstarben.

VON GELDSACK:       Wie bitte? Der Spargel ist auch schon verdorben? Ja, was ist denn heute in der Küche los, Mädels?

BERTHA:                     Die Welt, die Welt und immer die Welt, die nichts von Romantik hören will wie du!

VON GELDSACK:       Was? Kein Geld mehr da? Ich habe der Köchin doch erst gestern drei Taler …

ANNA:                          Jeder hat seine Meinung. Halte du es, wie du willst. Ich bleibe bei meiner Ansicht. Ich mag den Blaubart nun mal nicht.

VON GELDSACK:       Nun ja, du musst ja auch kein Blaukraut essen, mein Täubchen. Doch lasst mich jetzt bis zum Mittagessen alleine, Mädels! Ich will die Botschaft des Ritters Blaubart entgegen nehmen. Und sorgt dafür, dass es heute recht dicke Knödel gibt, Mädels!

Bertha und Anna ab. Kasperl tritt unter Verbeugungen ein.

VON GELDSACK:       Wen habe ich die Ehre bei mir zu sehen?

KASPERL:                    Ich bin Ritter Blaubarts Abgesandter.

VON GELDSACK:       Ah, ein Verwandter des Ritters Blaubart!

KASPERL:                    O nein, aber vielmehr desto weniger, jedoch einerseits hergeschickt auf dem alten Schecken.

VON GELDSACK:       Ich weiß längst, dass der Ritter Blaubart ein wackerer Recke ist. Was haben Sie mir von ihm zu bringen?

KASPERL:                    Zu bringen hab‘ ich nichts, allein was zu fragen.

VON GELDSACK:       Beklagen? Wie? Soll ich Herrn Blaubart zu einer Klage Veranlassung gegeben haben?

KASPERL:                    Himmel, Arsch und Zwirn, ist der Kerl taub! Da muss ich besser schreien. (schreit): Ich soll Sie nach etwas fragen!

VON GELDSACK:       Oho! Schreine Sie doch nicht so, ich höre recht gut.

KASPERL:                    Das habe ich gemerkt.

VON GELDSACK:       Nun, womit kann ich dem Ritter dienen?

KASPERL:                    Jetzt will ich deutlicher Reden. (schreit): Mein Herr möchte eine von Ihren Töchtern heiraten!

VON GELDSACK:       Wenn ich weiß, worüber, so will ich ihm gerne meinen Rat geben, dem Herrn Ritter.

KASPERL:                    Nix raten allein! Hei-raten!!

VON GELDSACK:       Ich verstehe Sie nicht. Ich bitte Sie, sich deutlicher ausdrücken zu wollen!

KASPERL:                    Jetzt hab ich’s aber satt. (Schreit ihm in das Ohr): Wenn Sie so taub sind und nix versteh, halte ich lieber das Maul!

VON GELDSACK:       Nein, Ihren Gaul habe ich nicht gesehen.

KASPERL:                    Sie sind ein alter, tauber Esel!

VON GELDSACK:       Wie? Habe ich recht verstanden? Was fällt Ihnen ein? Welche Unverschämtheit!

KASPERL:                    Unverschämtheit hin, Unverschämtheit her! Mit Ihnen ist nichts anzufangen. Ich gehe und sag’s meinem Herrn.

VON GELDSACK:       Mit so einem Flegel kann ich nicht verkehren. Ich muss mich entfernen. Ein impertinenter Kerl das.

ab.

KASPERL:                    Was mache ich jetzt? Wenn ich dem Blaubart keine Antwort bringe, schlägt der mich zuerst tot und prügelt mich danach so richtig durch. Wenn ich nur an einen Bediensteten kommen könnte, um etwas zu ertratschen.

BERTHA:                     (tritt vorsichtig ein) Pst, Pst.

KASPERL:                    Aha, da kommt schon eine. Pst, Pst!

BERTHA:                     Sind Sie vielleicht Ritter Blaubarts Bote?

KASPERL:                    O ja, Mademoiselle! Bist du vielleicht ein Stubenmädchen oder ein sonstiges dienendes Wesen des Herrn von Geldsack.

BERTHA:                     Ich bin dessen Tochter Bertha!

KASPERL:                    Ha, so scheint mir das Schicksal selber mir die Hand zum Bunde zu reichen.

BERTHA:                     Wieso? Sprechen Sie doch etwas leiser, damit uns niemand hört.

KASPERL:                    Jetzt soll ich leiser sprechen und vorher habe ich wie ein Mordsbrenner schreien müssen, und mich hat doch niemand gehört.

BERTHA:                     Ich war im Nebenzimmer und habe alles gehört.

KASPERL:                    Als ich Ihrem Herrn Vater in die Ohren lispelte?

BERTHA:                     O sagen Sie, hat vielleicht Blaubart Absichten auf mich?

KASPERL:                    O ja, er sichtigt sehr ab!

BERTHA:                     Wie glücklich bin ich, einem solchen Ritter zu gefallen.

KASPERL:                    Ich bedauere, wenn Sie heute schon niedergefallen sind, aber ich bin jetzt vor lauter Diskurrieren so durstig geworden, dass ich ein ungemeines Verlangen nach dem Geldsack‘schen Privatbier habe.

BERTHA:                     Kommen Sie mit mir! In der Laube am Erkerturm können wir ungestört unser Gespräch fortsetzen, und ich lasse Ihnen etwas zu essen und zu trinken bringen.

KASPERL:                    Nicht etwas, denn das wäre gemein, sondern viel, vielmehr sehr viel!

BERTHA:                     Kommen Sie!

beide ab.

 

Freier Platz vor dem Gute des Herrn von Geldsack. Es dämmert und wird allmählich dunkel. Mondschein.

Blaubart, Bluteck

BLAUBART:                So, Bruder, jetzt sind wir da. Ich harre der Botschaft meines Knappen, den ich zu Geldsack geschickt habe.

BLUTECK:                   Ohne Zweifel wird er das Jawort bringen. Wer wollte es wagen, die Hand des prächtigen Ritters Blaubart auszuschlagen?

BLAUBART:                Ich wollte es auch niemandem raten.

BLUTECK:                   Aber wenn doch?

BLAUBART:                Dann würde ich List oder Gewalt anwenden, denn ich bin nicht bloß ein prächtiger Ritter, sondern auch ein mächtiger. Ich habe mir es nun einmal in den Kopf gesetzt, eine Tochter des alten Geldsacks zu freien.

BLUTECK:                   Auch die Mitgift ist nicht zu verachten.

BLAUBART:                Auch darum ist das Heiraten eine so feine Sache! Aha, da kommt mein Bote.

KASPERL:                    (mit einer Laterne) Da bin ich, gestrenger Herr.

BLAUBART:                Ist mein Antrag genehm?

KASPERL:                    Bei dem Alten habe ich nix ausrichten können.

BLAUBART:                Hölle und Teufel!

KASPERL:                    Aber das betreffende Individuum schein anbeißen zu wollen.

BLAUBART:                Wieso?

KASPERL:                    In jenem efeuumrankten Erker, wo die Turteltauben nisten, vernahm ich das Jawort der Mamsell Bertha, welche die Infamität begehen will, sich von Ihnen entführen zu lassen.

BLAUBART:                Ha! Wonne! Diese Nacht noch soll die Tat vollbracht werden!

BLUTECK:                   Ein ritterliches Abenteuer!

KASPERL:                    Wenn der stille Mond die Mitternachtsstunde schlägt und der Zeiger der Turmuhr sich in die Wolken hüllt, erwartet Sie das Fräulein am hinteren Kammerfenster und wird mit ihrem Schnupftuch winken.

BLAUBART:                Da ist nicht mehr lange zu harren.

Es schlägt Mitternacht.

BLUTECK:                   Eben schlägt die Stunde.

Bertha erscheint am Fenster und winkt mit einem weißen Tuch.

BLAUBART:                Und ich sehe die Flagge der Liebe. Schnell, Kaspar, hole eine Leiter!

KASPERL:                    Ja woher denn? Hier laufen die Schornsteinfeger nicht um Mitternacht frei herum. Aber das Fräulein hat gesagt, sie wirft Ihnen den Schlüssel runter.

Blaubart nährt sich dem Fenster. Bertha wirft einen großen Schlüssel herab, den Blaubart aufhebt. Er geht ins Haus.

KASPERL:                    Na, wenn der Alte was merkt, dann kriegt mein Herr Prügel.

BLUTECK:                   Ha, ha, ha! Blaubart schützt sein Schwert.

KASPERL:                    Wenn‘s Prügel setzt, laufe ich davon.

BLUTECK:                   Da kommen sie schon.

Bertha und Blaubart kommen.

BLAUBART:                Edles Fräulein, nun seid Ihr mein!

BERTHA:                     Auf ewig, edler Ritter!

BLAUBART:                Meine Rosse stehen hier ganz in der Nähe. Lasst Euch in den Sattel heben und uns dann durch die stille Nacht hin zu meiner Burg jagen!

BLUTECK:                   Immer zu, edles Fräulein! Sollten wir verfolgt werden, so decke ich Euch den Rücken.

Blaubart und Bertha ab.

                                      So, Kaspar, wir reiten hinterher.

KASPERL:                    Da danke ich sehr. Ich werde im Hundsgalopp reiten, damit ich eher heimkomme.

BLUTECK:                   Wie du magst. Mich aber durstet es nach einem Kampf mit Verfolgern!

KASPERL:                    Wie’s Ihnen beliebt. Ein jeder hat seinen Geschmack. Mich dürstet nach etwas anderem.

Ab.

 

II. Aufzug

Halle in Blaubarts Burg mit Durchsicht auf einen Söller

BLAUBART:                Jetzt habe ich also meine siebte Frau. Ha! Sollte auch diese fallen müssen? Noch keine habe ich gefunden, an der ich nicht doch noch einen Fehler entdecken musste, der mir unerträglich war und weshalb ich sie dem Tode geweiht habe. Die erste war schön, nur mürrisch. Die zweite war nicht mürrisch aber herrisch; die dritte war nicht herrisch, aber ihre Taubensanftmut langweilte mich endlich; die vierte war nicht übel, aber eifersüchtig; die fünfte konnte keinen guten Kaffee machen; die sechste schließlich hatte alle guten Eigenschaften, allein ich wusste auch hier einen Fehler zu entdecken, denn alle – eine wie die andere – waren neugierig wie die Affen, und dieses Laster brachte ihnen die wohlverdiente Strafe. Jetzt hängen ihre Leichen in dieser Kammer, wo ich ihnen die Köpfe mit meinem Schwert abschlug. Dies aber ist mein Geheimnis, denn die neumodische Zeit will es nicht mehr erlauben, dass ich meine ritterliche Ehre selber erhalte und mein von alters her verbürgtes Hausrecht wahrnehme.

                                      Ich will doch sehen, ob Bertha, der ich nun mein sanftes Herz gewidmet habe, die Probe der Neugierde bestehen wird. Es wäre mir sehr leid, wenn ich auch sie schwach erleben müsste und wenn sie das Opfer meiner unerschütterlichen Grundsätze würde, denn ein echter Ritter muss seinen Grundsätzen treu bleiben, und mein Beschluss steht fest, jedes meiner Weiber zu töten, welches den Versuchungen der Neugierde nicht zu widerstehen vermag. – Potztausend! Ich habe noch nicht gefrühstückt. Holla! Den Kaffee will ich haben! Bertha, geliebtes Weib, wo bist du?

Kasperl bringt das Frühstück, Bertha tritt ein.

KASPERL:                    Ich wünsche einen untertänigsten guten Morgen und hoffe, dass Sie wohl geruht haben.

ab.

BERTHA:                     Guten Morgen, lieber Blaubart.

BLAUBART:                Hast du gut geschlafen, mein Täubchen?

BERTHA:                     Wie im Himmel, teurer Gatte.

BLAUBART:                Es freut mich, wenn du dich bei mir wohlfühlst. Ich werde auch mein Möglichstes tun, um dich glücklich zu machen. Nichts soll dir fehlen, Wünsche nur und alles soll dir zu Gebote stehen.

BERTHA:                     Du bist so gut zu mir, Blaubart! Solch ein Glück habe ich gar nicht verdient.

BLAUBART:                Ich habe bereits heute in aller Frühe einen Brief an deinen Vater geschrieben, in welchem ich wegen deiner Entführung um Entschuldigung bitte, und habe ihn und deine Schwester zum Essen eingeladen, damit du Gesellschaft hast.

BERTHA:                     Wieso, mein Geliebter, soll mir deine Gesellschaft nicht genügen?

BLAUBART:                Leider habe ich heute auch eine Nachricht erhalten, die mich sogleich nach einem Geschäft von hier abruft, Ich werde ausreiten und erst morgen Abend hier wieder eintreffen.

BERTHA:                     O wie Leid tut mir dies! Schon am ersten Tag unserer Ehe willst du mich verlassen?

BLAUBART:                Es muss sein! Wir Ritter vom echten Schrot und Korn haben ein bewegtes Leben. Daran musst du dich gewöhnen. Mein Ross ist schon gesattelt und ich werde gleich aufsitzen.

BERTHA:                     So lebe wohl, geliebter Gemahl, komm aber so bald wie möglich zurück zu deiner Bertha.

BLAUBART:                Nun höre: Hier übergebe ich dir die Schlüssel zu allen Räumen der Burg. Der ist der Kellerschlüssel, dieser schließt die Vorratskammer, der große da öffnet meine Kasse. Das kleine goldene Schlüsselchen öffnet die Tür dieses Nebengemachs, welches niemand betreten darf als ich allein, selbst mein Weib nicht, denn ich habe darin Kostbarkeiten aufbewahrt, die kein Mensch sehen darf, den ich nicht selbst einlasse. Wage es nicht, etwa aus Neugierde aufzuschließen und in das Gemach einzudringen! Selbst dein Leben könnte in Gefahr kommen. Merks dir wohl! Keine Neugier! Unterdrücke den ersten Gedanken der Neugierde, der in dir auftauchen wollte! Denk daran!

BERTHA:                     Verlasse nur unbekümmert die Burg. Was geht mich das Gemach mit all den Schätzen an? Du bist mein einziger Schatz! Ich werde genug zu tun haben, all die anderen Schlüssel zu gebrauchen und überall in der Burg nachzusehen.

BLAUBART:                Tu das. Bald bin ich wieder hier. Leb wohl!

BERTHA:                     Lass dich hinab geleiten, lieber Mann.

Beide ab. Kasperl mit einem Besen.

KASPERL:                    Das ist aber seltsam! Gestern hat er Fräulein Bertha entführt, am Abend hat sie der Pfarrer in alles Stille getraut und heute Nacht hat er sich einen Rausch angetrunken und jetzt in aller Frühe reitet er schon wieder davon. Na, mir ist’s einerlei. Ich werde mich inzwischen an das wichtige Geschäft der Abstaubung dieses Zimmers begeben. Dass wir Domestiken aber überhaupt abstauben müssen, finde ich ungeheuer dumm. Erstens deswegen, weil wir lieber gar nichts zu tun hätten als Kost und Lohn einzunehmen; zweitens weil der Staub eigentlich überall liegen bleiben sollte, damit der Mensch immer die Erinnerung vor Augen haben möge, dass er selber nichts als Staub und Asche ist. Meine moralischen Betrachtungen aber gehen darauf hinaus: (singt)

                                      Man sollte gar nicht mehr abstauben
Weil wir nur müssen daran glauben
Dass Staub wir sind bis über beide Ohren,
Zu Asche wird, was je geboren.

                                      Doch eines muss ich stets beachten
Und täglich bei mir selbst betrachten,
Den Staub löscht man auf allen Straßen,
Die man bespritzt mit etwas Nassem.

                                      Drum weil ich Mensch aus Staub bestehe,
Ist’s Pflicht, dass ich ins Wirtshaus gehe,
Den Staub zu löschen und die Asche,
So nacheinander aus der Flasche.

 

                                      Da heißt es immer, der Kasperl tut nichts als saufen, ja – weil niemand den wahren Grund dieser meiner unausgesetzten Tätigkeit einsieht. Das Trinken oder Durstlöschen ist eigentlich nur das momento muri, dass der Mensch Staub ist und wieder Staub wird; also ist nach saufologischen Grundsätzen das Trinken die Staubbewusstseinserinnerungsangelegenheit, folglich: Je mehr einer trinkt, desto moralischer ist er. Wenn Sie das nicht begreifen, so kann ich Sie nur bedauern und muss Ihnen meine stille Verachtung zeigen. – Da kommt die gnädige Frau.

Bertha tritt ein.

BERTHA:                     Ah, du bist ein fleißiger Diener, Kasperl. Du reinigst das Gemach.

KASPERL:                    Oh sehr. Dieser Staubbesen kommt den ganzen Tag nicht aus meiner Hand. Er ist gleichsam das Zunftzeichen und die Standarte meines Lebensberufs. – (für sich) So lange meine Herrschaft mich sieht. (laut) Aber ich habe auch schon gesehen, dass sich Eure Gnaden auch schon fleißig im Hauswesen umgetan haben.

BERTHA:                     Als Hausfrau muss ich doch Einsicht nehmen in alles, was ich zu verwalten habe.

KASPERL:                    Und der ungeheure Bund Schlüssel! Wird der Ihnen nicht zu schwer?

BERTHA:                     Ha, ha, ha! Wie könnten einer guten Hausfrau ihre Verpflichtungen zur Last werden?

KASPERL:                    Da, sehen Sie nur! Was ist das denn für ein nettes goldenes Schlüsselchen? Das gehört gewiss zu dem Geldkasten, in dem die Dukaten liegen.

BERTHA:                     Das ist der einzige Schlüssel, von dem ich keinen Gebrauch machen darf.

KASPERL:                    Oho, dann wird er die Tür zu diesem Gemach aufschließen, wohinein wir Bediente keinen Blick wagen dürfen, sonst sind wir des Todes. Ja, warum hat der gestrenge Ritter ihn denn nicht in seiner Tasche behalten?

BERTHA:                     Das ist seine Sache. Er will es nun einmal so.

KASPERL:                    Na, dann hätte er das Schlüsselchen Ihnen doch gar nicht geben sollen. Das macht nur neugierig. Und so viel habe ich schon gelernt, seit ich beim Ritter in Diensten bin: Neugierde mag er auf den Tod nicht leiden.

BERTHA:                     So dienst du Blaubart noch nicht lange?

KASPERL:                    Es ist gerade ein Jahr her, da hat der Herr Ritter lauter neue Bedienstete eingestellt. Und gleich am ersten Tag hat er furchtbar geschrien und gedroht, jedem auf der Stelle den Kopf abzuschlagen, der jenes Gemach zu betreten wagen sollte. Es wird schon irgendeine Bewandtnis haben mit dem verschlossenen Tor. Nehmen Sie sich in Acht!

ab.

BERTHA:                     Na, das ist eigentlich eine Kränkung für mich, wenn mein Gemahl mich mit den Dienstboten auf eine Stufe stellt und mir den Zutritt zu einem geheimen Zimmer verwehrt. Was mag wohl drinnen sein? Pure Männerlaune! Ich werde gewiss meine Pflichten als Gattin streng erfüllen; ob es aber auch zu ihnen gehört, Launen und Willkür zu ertragen, das ist wohl sehr die Fragen − − Ein verschlossenes Gemach! Vielleicht mit alten Tabakspfeifen gefüllt, abgelegten Kleidern und dergleichen? „Kostbarkeiten“ sagte er im Weggehen. Was für Kostbarkeiten? − − Nein, es ist eine Quälerei, eine Tyrannei meines Mannes, die ich am ersten Tag unserer Ehe nicht dulden kann, nicht dulden darf, denn wie ginge es dann vielleicht weiter mit mir? Seite Tyrannei würde zunehmen von Tag zu Tag, und ich wäre dann bald nicht mehr Blaubarts Gattin, sondern seine Sklavin. Neugierde! – Was Neugierde? Ich bin gar nicht neugierig; allein, wenn es meine Weibsehre und –würde betrifft, müssen alle Rücksichten in den Hintergrund treten. Ich will nur ein bisschen durchs Schlüsselloch gucken. Vielleicht bekomme ich etwas zu sehen von den einfältigen, geheimen Kostbarkeiten.

sieht durchs Schlüsselloch

                                      Ich kann nichts unterscheiden; es ist mir wie ein Nebel vor den Augen. Das ist ärgerlich, sehr ärgerlich! – Nun, was wird’s schon sein, wenn ich mich ein wenig ungesehen habe in dem Tempel des Heiligtums? Immer und immer müssen die Männer sich etwas vorbehalten. Es ist wirklich schändlich, wie sie uns Frauen behandeln. Gerade, als ob wir nur Mägde wären. Komm nur, liebes goldenes Schlüsselchen; du sollst nicht umsonst bei den übrigen am Schlüsselbund hängen. Lass einmal sehen. – Hätte er nur den Schlüssel bei sich gehalten! Es ist und bleibt eine grausame Männerlaune. Ich wage es und habe ein Recht dazu.

Sperrt auf und tritt hinein. Nach kurzer Pause ist ein furchtbarer Schrei zu hören und sie stürzt heraus.

                                      Herr im Himmel! Ich bin verloren! − − Weh mir! Weh mir! (sinkt zusammen) − − − Wie ist mir! War’s ein Traum? Was habe ich gesehen? Es ist fürchterlich! Die Leichen meiner Vorgängerinnen hängen an der Wand! Zu ihren Füßen ihre Köpfe! Alles voller Blut! Schauerlich! Schauerlich!

Pferdegetrappel im Hof

                                      Ach, Blaubart kommt! Was fange ich an? − − Zuschließe, zuschließen! – Wenn er mich in diesem Zustand findet! Wo ist der Schlüssel? Wo? Wo? Ich habe ihn fallen lassen. Schnell, schnell, dass ich wieder zuschließe! − −

Sie stürzt hinein und schnell wieder heraus, den Schlüssel in der Hand.

                                      Da ist er, aber blutbefleckt. Rasch die Türe zu!

Man hört Tritte.

                                      Er kommt. Weh mir! Ich muss Fassung gewinnen.

ab.

BLAUBART:                (stürmt herein) Heda! Wo ist mein Weib? Bertha, Bertha! – Warum ist sie nicht hier? – Will doch sehen, ob auch sie mich getäuscht hat. Du sanftes Täubchen! Nicht wahr, mein Geschäft war bald abgemacht? Vielleicht zu früh für dich? – Bertha, liebes Weibchen, komm doch in die Arme deines Gemahls!

BERTHA:                     (tritt befangen ein) Ei, schon zurück, lieber Blaubart?

BLAUBART:                Ja, liebes Weibchen. Als ich ein paar Stunden geritten war, kam mir ein Bote entgegen, der mir die Kunde brachte, dass das Geschäft abgemacht sei und dass man meiner Gegenwart nicht mehr bedürfe. Da bin ich denn heimgejagt, um baldigst bei dir zu sein.

BERTHA:                     O wie freu es mich, dass du wieder da bist!

BLAUBART:                So, so? Aber du bist so sonderbar. Ist dir nicht wohl? Du siehst so blass aus als wärest du krank.

BERTHA:                     O nein, mir ist ganz wohl, und ich bin völlig gesund, mein lieber Mann.

BLAUBART:                Du zitterst am ganzen Leib. Hast du Fieber?

BERTHA:                     Nein, es ist die freudige Überraschung, die mich bewegt, dich so bald schon wiederzusehen.

BLAUBART:                Eine seltsame Art, sich zu freuen. Gib mir die Schlüssel!

BERTHA:                     Hier sind sie.

BLAUBART:                Es sind nicht alle!

BERTHA:                     Ich wüsste nicht, dass einer fehlte.

BLAUBART:                Wo ist der goldene, der dieses Gemach aufschließt?

BERTHA:                     Er muss dabei sein.

BLAUBART:                Er ist nicht dabei. Her damit!

BERTHA:                     Ei ja, eigentlich − hatte ich ihn beiseitegelegt, weil du befahlst − − hier, da − −

BLAUBART:                Was stotterst du? (nimmt den Schlüssel) Wie? Ein Fleck darauf?

BERTHA:                     Ein Fleck? Ich wüsste nicht wie.

BLAUBART:                Ha, Schlange! Ich weiß es. Du warst ungehorsam, du warst neugierig, du hast das Gemach betreten, du hast das Schicksal derjenigen gesehen, welchen du nun folgen sollst. Wehe dir, Treulose, die Strafe ist verhängt! Morgen wirst du sterben!

Bertha sinkt mit einem Schrei zu Boden.

 

III. Aufzug

Halle wie im vorigen Aufzug.

KASPERL:                    Jetzt lasse ich den Kopf hängen. Arme Bertha! Unglückliche gnädige Frau! Nein, dass ich in so einem Trauerspiel mitspielen müsste, das hätte ich niemals geglaubt! − − Ich laufe davon! − − Das heißt, ich tät’s, wenn ich könnte, aber der Kerl lässt mich nicht fort. Uns Bedienstete hält er wie Gefangene und droht uns den Tod an, wenn wir seine Untaten bei der Polizei anzeigen wollten. Durch die gnädige Frau haben wir nämlich erfahren, dass der grässliche Ritter alle seine Frauen auf dem Gewissen hat, Jetzt weiß ich auch, warum er vor einem Jahr lauter neue Bedienstete eingestellt hat, der Unmensch. Jetzt will er seine siebte Frau auch noch totschlagen. Sein großes Ritterschwert habe ich ihm auch schon schleifen müssen. Das gibt eine fürchterliche Geschichte! Wenn die nicht vor das nächste Schwurgericht kommt, so ist keine Gerechtigkeit mehr auf Erden. O, da kommt sie mir ihrer Schwester. Die ist mit ihrem Vater vorhin angekommen. Doch von dem ist keine Rettung zu erwarten. Der Alte ist stocktaub und denkt nur noch ans Essen. Alle Begleiter hat der Blaubart schnell einsperren lassen. Auweh, auweh! Ich gehe, das halte ich nicht länger aus!

Kasperl ab, Bertha, dann Anna

ANNA:                          Arme Schwester, setz‘ dich hierher, du kannst ja kaum weiter!

BERTHA:                     Den Tod vor mir! Furchtbares Schicksal! Solch eine grausame Strafe für ein harmloses Vergehen. Und der alte Vater wird mir auch nicht helfen!

ANNA:                          Siehst du nun, wohin dich deine romantische Entführungsgeschichte gebracht hat? Statt des edlen Ritters in seinen starken Armen hält dich ein Teufel in Menschengestalt in seinen Klauen. − − Doch sei guten Mutes, Schwester! Ich habe durch den braven Knappen Kaspar einen Brief nach draußen schmuggeln können. Der Kaspar hat ihm dem Pfarrer anvertraut, der ohne des Ritters Genehmigung auf der Burg frei ein und ausgehen kann. Dieser gottesfürchtige Herr wird ihn sicher schon zu Hugo von Hohenscheid gebracht haben. Bald wird der Retter hier sein.

BERTHA:                     Gebe es Gott! – Wenn nicht, so muss ich sterben.

ANNA:                          Und wir alle mit dir. Denn der schreckliche Blaubart wird es kaum dulden, dass so viele Menschen von seinen Missetaten erfahren haben. Der Kaspar hat es in der ganzen Burg herumerzählt, doch keiner wagt aus Angst vor dem Ritter etwas zu unternehmen. Die Stunde naht, in der Blaubart dich ermorden will. Ich werde mich auf jenen Söller begeben, um die Straße zu beobachten, auf der Hugo mit seinen Reisigen hierher reitet. Vielleicht ist es dir möglich, von deinem grausigen Gatten Aufschub zu erflehen, bis die Retter da sind.

BERTHA:                     Blaubart wird alle Zugbrücken aufziehen und alle Tore schließen lassen Niemand wird in die Burg eindringen können.

ANNA:                          Kaspar hat mir versprochen, die kleine Pforte heimlich aufzuschließen, zu der eine geheime Hintertreppe führt. Einige Leute, die den Blaubart hassen, werden Hugo und seinen Mannen den Weg zeigen. Mit Widerstand der Burgbesatzung ist nicht zu rechnen.

BERTHA:                     Gebe der gütige Himmel, dass der Plan gelinge!

Man hört Schritte.

                                      Wehe mir! Blaubart! – Entferne dich schnell und verbirg dich auf dem Söller!

ANNA:                          (umarmt sie) Lebe wohl, teure Schwester!

BERTHA:                     Lebe wohl!

Anna ab. Blaubart tritt heftig herein.

BLAUBART:                Noch einen halbe Stunde − − − zur Ewigkeit!

BERTHA:                     Wenn du ein menschliches Herz hast, so erbarme dich mein! Ist denn mein Verbrechen so groß, dass es mit dem Tode bestraft werden muss? Wer gibt dir das Recht, über das Leben deiner Frau zu befinden? Kannst du diesen und die anderen Morde vor deinem Gewissen rechtfertigen?

BLAUBART:                Es bleibt dabei. Neugierig warst du, ungehorsam warst du, und das schon am ersten Tag unseres ehelichen Lebens. Was hätte ich am zweiten, dritten und an den folgenden Tagen zu erwarten? − − Erbarmen? − − Blaubart kennt kein Erbarmen, wenn er einmal eine Strafe beschlossen hat. − − Recht und Gewissen? – Was in meinem Hause Recht ist, bestimme nach alter ritterlicher Weise ich allein. Gerade wie du haben es deine Vorgängerinnen auch gemacht. Keine hat die Prüfung bestanden. Deshalb mussten alle durch mein Schwert sterben.

Herr von Geldsack tritt ein.

VON GELDSACK:       Wann gibt es denn endlich etwas zu essen? Ich habe schon großen Hunger!

BERTHA:                     Vater! Hilf mir, Blaubart will mir ans Leben!

VON GELDSACK:       Was? Heute soll es Blaukraut mit Leber geben? Da will ich mal in der Küche nach dem Rechten sehen.

ab.

BERTHA:                     Vater! Vater!

BLAUBART:                Dein Rufen nützt dir nichts. Keiner wird mich daran hindern, das zu tun, was ich einmal beschlossen habe! Ich halte mich an das, was geschehen ist. Hättest du es zuvor bedacht und danach gehandelt! Es ist zu spät. Fort, gehe in die Burgkapelle und bereite dich auf den Tod vor. Wenn die Glocke ertönt, komme wieder hierher. Es ist das Zeichen zum Vollzug der Strafe. Hörst du?

BERTHA:                     Ich höre. Gott stärke mich

ab.

BLAUBART:                Kaspar! Kaspar! – Wo steckst du, Bursche?

KASPERL:                    (tritt ein) Da bin ich, gestrenger Ritter.

BLAUBART:                Sind meine Befehle vollzogen?

KASPERL:                    Ja, alles ist verlogen.

BLAUBART:                Die Brücke aufgezogen?

KASPERL:                    Die Stöcke aufgebogen.

BLAUBART:                Die Tore gesperrt?

KASPERL:                    Die Ohren aufgesperrt.

BLAUBART:                Dass mir niemand in meine Burg kommt, bis ich sie wieder zu öffnen befehle! Geh jetzt, der Kastellan soll läuten!

Kasperl ab.

                                      Ha, mich dürstet nach Blut. Nun soll mein Kabinett wieder um eine Figur vermehrt werden. Sechs hängen schon da, jetzt kommt die siebte hinzu. Soll es gar ein Dutzend werden nach und nach?

Die Turmglocke ertönt.

                                      Das Zeichen. (ruft) Mein Schwert!

Blaubart ab. Bertha tritt ein. Anna zeigt sich im Hintergrund auf dem Söller.

BERTHA:                     Anna, teure Anna, siehst du nichts?

ANNA:                          Nichts, nichts sehe ich Schwester als die Sonnenstrahlen und das Gras an der Heerstraße vom Wind bewegt.

BERTHA:                     Wehe mir! – Ich bin verloren!

Blaubart tritt mit einem Schwert in der Hand ein.

BLAUBART:                Dein Richter naht. Fasse dich!

BERTHA:                     Nur einen Augenblick noch, ich beschwöre dich!

BLAUBART:                Noch fünf Minuten, dann ist die Zeit um.

BERTHA:                     Anna, Schwester, siehst du nichts?

BLAUBART:                Was soll deine Schwester sehen?

ANNA:                          Nichts, nichts sehe ich Schwester als Staub, den eine Herde Schafe aufwühlt.

BERTHA:                     Wehe mir! – Ich bin verloren!

BLAUBART:                Es ist der letzte Augenblick, nur noch zwei Minuten.

BERTHA:                     Anna, Schwester, siehst du nichts?

BLAUBART:                Was in drei Teufels Namen soll deinen Schwester sehen?

ANNA:                          Ich sehe – ich sehe – gütiger Himmel, er ist’s!

BERTHA:                     Hilfe! Rettung!

fällt in Ohnmacht.

BLAUBART:                Wer ist’s? − Verrat? – Was gibt’s da draußen?

Lärm von draußen

                                      Hölle und Teufel! Wer wagt’s? Verräterei!

Hugo von Hohenscheid mit Kasperl und Knappen dringen von draußen ein.

HUGO:                          Fluch dir, elender Mörder!

BLAUBART:                Verdammt, was dringst du in meine Burg ein, Lümmel? Männer herbei! Knappen!

HUGO:                          Dein Rufen nützt dir nichts, Scheusal! Niemand steht dir bei. Kämpfe wie ein Ritter!

Zweikampf

                                      Stirb, Teufel von einem Menschen!

BLAUBART:                Weh! Ich bin zu Tode getroffen!

Blaubart fällt, der Teufel erscheint.

DER TEUFEL:              Das übernehme ich. Schon lange haben wir in der Hölle auf dich gewartet. Damit seid ihr aller Beerdigungskosten entledigt.

Teufel unter Geheul mit Blaubart ab.

HUGO:                          Der Himmel hat gerichtet. Bertha, du bist gerettet, die andere sind grächt.

BERTHA:                     Wie ist mir? Wo bin ich?

HUGO:                          In den Armen deines Hugos, den du verschmäht hast und der dich in letzter Sekunde vor dem sicheren Tod gerettet hat.

BERTHA:                     Wo ist Blaubart, mein Mann?

HUGO:                          Der Teufel hat ihn geholt. Der hat seine verdiente Strafe.

ANNA:                          (kommt herbei) Dank dem Himmel, teure Schwester! Hier steht dein Retter, von dem du wegen deiner romantischen Ritterbegeisterung nichts wissen wolltest.

BERTHA:                     Das ist jetzt vorbei. – Ich gehöre meinem Retter auf ewig!

KASPERL:                    Vivat! Hoch der Ritter Hugo von Hohenscheid, hoch die Frau Bertha, sie sollen leben hoch! Hoch! Hoch!

VON GELDSACK:       (tritt ein) Huch! Hier stinkt es aber erbärmlich. Da ist denen in der Küche bestimmt etwas angebrannt. Nanu? Meine Bertha in den Armen von Hugo, dem Hohenscheider? Da haben wir uns am Ende gar in der Burg geirrt? − − Na, macht nichts, Hauptsache, es kommt gleich etwas Ordentliches auf den Tisch, nicht Mädels?

HUGO:                          Nun Bertha, darf ich jetzt hoffen, dass du meine Werbung erhörst?

BERTHA:                     Ja, mein Held und Retter! Jetzt, nachdem ich den schändlichen Charakter meines ersten Gatten erkennen musste, will ich nur noch dir angehören. Der treue Kaspar aber soll in unsere Dienste treten. Er soll Kellermeister und Mundschenk auf der Burg Hohenscheid werden!

HUGO:                          Sogleich will ich deinen Wunsch erfüllen, geliebte Bertha. – Diese Burg aber soll in Flammen aufgehen als Zeichen, dass die Schmach getilgt ist, die der abscheuliche Blaubart dem Ritterstande zugefügt hat!

KASPERL:                    Da bedanke ich mich bei den Herrschaften und versichere, dass ich den Keller gut verwalten und ordentlich mundschenken werde, wenn ich nur ab und zu einen Schinken bekomme, der mir Gesellschaft leisten kann. – Kasperl, jetzt beginnen gute Zeiten und Staub und Asche werden tüchtig bekämpft!

Abschiedstableau, Hochzeitsmarsch