Deutsche Artillerie vor Paris 1870
Feld Post Brief/ Herrn W, Wolters/ wohlgeboren/ Gr. Oldenburg/ Brüderstraße N 5.
Blauer Militärstempel: GR. MECKL. ARTILLERIE MECKLENBURG-SCHWERIN No 3;
Kreisstempel: K. PR. FELD-POST-EXPED./ 17./ INF.DIV./ 19/10.
Rückseite: Absender/ Unteroff. Taphorn/ Art. Munit. Cal. N 5./ Schleswig
Holsteinisches Feld Artillerie Reg. N 9/ 13. Armee Corps. Eingangsstempel der
Post in Oldenburg: AUSG./ 26/10/No
Der Unteroffizier Fritz Taphorn schickte im Oktober 1870 einen Feldpostbrief an
einen Herrn Wolters in Oldenburg, heute Oldenburg in Oldenburg oder, wie man
damals sagte Oldenburg i. Gr. (im Großherzogtum). Dieser kleine Zusatz
unterschied die Stadt vom gleichnamigen Oldenburg in Holstein.
Taphorn schreibt:
Boisy St Legers (Boissy-Saint-Léger) den 18. Oktr 70
Geehrter Herr Wolters!
Bereits vier Tage liegen wir vor Paris in einem kleinen Dorfe, woselbst ich mit
59 Mann ein altes unbewohntes Schloß bezogen haben.
Schwere Tage und wenig zu essen, aber immer noch gesund und fidel! Ich hoffe,
daß die Gesundheit Ihrer ganzen Familie der meinigen gleicht.
Herzlichen Gruß an Alle.
Ihr
Fritz Taphorn
Aus diesem kurzen Brief und seinem Umschlag lässt sich rekonstruieren, was
dieser Soldat aus Schleswig-Holstein und seine Einheit als Teile der Preußischen
Armee in den letzten drei Monaten des Kriegsjahrs 1870 erlebt haben.
Der Deutsch-Französische Krieg von 1870 bis 1871 war eine militärische
Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund
unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten
Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt andererseits. Seit Mitte August
1870 war die deutsche 3. Armee im Anmarsch auf Paris. Sie konnte am 1. September
in der Schlacht bei Sedan die französische Armee besiegen und zur Kapitulation
zwingen.
Die bei Sedan frei gewordenen deutschen Armeen der Kronprinzen von Preußen und
Sachsen marschierten sofort Richtung Paris weiter, um durch die schnelle
Einnahme der französischen Hauptstadt den Krieg beenden zu können.
Am 19. September 1870 war Paris vollständig umzingelt und die Belagerung begann.
Das Königlich Preußische Feldartillerie-Regiment General Feldmarschall Graf
Waldersee, Schleswig No. 9 erreichte als Teil des IX. Armee-Korps am 14. Oktober
Boissy-Saint-Léger 18 km südöstlich von Paris, heute im Département Val-de-Marne.
Die 9. Artillerie-Brigade wurde 1866 in Rendsburg aufgestellt und 1867 um die
Großherzoglich Mecklenburgische Artillerie-Abteilung (Mecklenburg-Schwerin No 3)
um vier Batterien erweitert. Die 5. Abteilung war mit 6pfündigen Kanonen
ausgerüstet.
Gegen Frankreich kämpften folgende Einheiten: Fuß-Abteilung bei der 18.
Infanterie-Division, Reiter Abteilung bei der 17. Infanterie-Division und
eine reitende Batterie Korps-Artillerie des IX. Armeekorps in den Ortschaften Colombey-Nouilly, Gravelotte-St. Privat, Metz, Noisseville, Toul, Paris, Lessy,
Chenegy, Dreux, La Madeleine Bouvet, Belleme, Loigny-Poupry, Orleans, La Motte
Beuvron, Meung, Beaugency-Cravant, Vienne, Oucques, Freteval & Moree, Epuisan &
Sarge, Connerre & Thorigue, Le Mans, Orbec.
Offiziere und Mannschaften der 6. schweren Batterie des Feldartillerie-Regiment
(Generalfeldmarschall Graf Waldersee) Nr. 9: „Ihrem hochverehten Führer im
Feldzug 1870/71, dem Herrn Generalmajor v. Kottwitz, zur Erinnerung an den
ruhmreichen Tag von Loigny, den 27. December 1870.“
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, M 703 R973N5
Nach dem vollständigen Aufmarsch der Artillerie begann der Beschuss der Paris
vorgelagerten Forts (Thiers’sche Stadtbefestigung), auf der Ostfront (Mont Avron
vor dem Fort de Rosny) am 27. Dezember 1870 um 07.00 Uhr mit 76 Geschützen, auf
der Südfront am 5. Januar 1871 mit 98 Geschützen. Es gelang der
Belagerungsartillerie, die Forts nach und nach niederzukämpfen, so dass die
deutschen Vorposten und auch ein Teil der Batterien weiter vorgeschoben werden
konnten. Dann begann auch die Beschießung des Stadtgebietes mit 300 bis 400
Granaten pro Tag.
Am 26. Januar wurde das Bombardement eingestellt, am 28. Januar 1871
unterzeichnete man den Waffenstillstandsvertrag, der für Paris am 29. in Kraft
trat. Am 18. Januar 1871 wurde im Schloss Versailles Wilhelm I. zum Deutschen
Kaiser proklamiert. Gleichzeitig erfolgte die Gründung des Deutschen Reichs. Der
Friedensvertrag mit Frankreich wurde am 10. Mai 1871 in Frankfurt am Main
unterzeichnet.
(unter Verwendung von Wikipedia)