Gar nicht weit und dennoch kompliziert

Eine Postkarte von Kohlfurth nach Solingen

 

Im Sommer des Jahres 1906 unternahmen vier junge Damen einen Ausflug nach Kohlfurth an der Wupper. Dort kehrten sie in die Gartenwirtschaft Brückerhof ein und erwarben eine Postkarte mit einer Ansicht des Gasthauses. Sie adressierten die Karte in Schönschrift an Frl. A. Reinshagen/ und Frl. O. Diederichs./ Solingen/ Weststraße 10. Die beiden waren Lehrerinnen und bei ihren Schülerinnen so beliebt, dass diese ihnen regelmäßig Ansichts- und Grußkarten schickten. Der Gruß aus Kohlfurtherbrücke stammen von Clara Struck und ihren Freundinnen.

 

 

Anschließend warfen sie die Ansichtskarte in einen Briefkasten. Sie ist mit Germania Deutsches Reich 5 Pf. dunkelgrün, (Michel-Nr. 84 I) frankiert und wurde am Sonntag-Vormittag des 1. Juli beim Postamt Kohlfurtherbrücke mit dem Kreisstempel KOHLFURTHERBRÜCKE/ 1.7./ 06./ 9-10V. entwertet.

 

 

 

Noch am späten Nachmittag desselben Tages wurde die Karte im Hauptpostamt Solingen mit dem Eingangsstempel SOLINGEN 1/ 1.7.06.5-6N. versehen und vom Postboten wahrscheinlich am Montagmorgen in einen Briefkasten des Hauses der Weststraße (heute Klemens-Horn-Straße) gesteckt worden. Dann landete sie in einem Postkartenalbum, in dem Anna Reinshagen solche Grußkarten sammelte.

      

 

Auf der Vorderseite der Karte ist keine Adresse des Gastwirtschaft angeben; dort steht nur: Fernsprecher No. 660, Amt Solingen. Die Photographie auf der Bildseite zeigt die Kohlfurter Brücke und den Brückerhof von der Solinger Seite aus. Die Wupper ist hier Grenzfluss zwischen der Stadt Solingen und dem Ort Cronenberg, heute einem Stadtteil von Wuppertal. Der Brückerhof von H. Jacobs liegt in einem Wohnquartier der Ortslage Kohlfurtherbrücke, etwas wupperabwärts folgt Unterkohlfurth und auf dem Cronenberger Bergrücken Oberkohlfurth.

Von dem Postamt auf der Cronenberger Seite sind auch später Belege nachgewiesen, z. B. ein Brief vom 23. November 1921 sowie ein Einschreiben mit dem Kreisstempel (22a) WUPPERTAL- KOHLFURTHER BRÜCKE/ 9.2.59-17.

                    

Auf der gegenüberliegenden westlichen Ufer der Wupper befindet sich eine Hofschaft, die ebenfalls den Namen Kohlfurth trägt. Sie gehörte seit Anfang des 19. Jahrhunderts zur Bürgermeisterei Dorp. An dieser Stelle gab es schon 1363 eine hölzerne Brücke, die als einzige in dieser Region die trockene Überquerung des Flusses auf dem Weg von Solingen und nach Cronenberg ermöglichte. 1714 wurde sie durch eine steinerne Bogenbrücke ersetzt.

Im 19. Jahrhundert baute man die durch den Ort verlaufende Kohlfurther Straße zur Provinzialstraße Elberfeld-Hitdorf aus, die die Stadt Elberfeld über Solingen mit dem Rheinhafen in Hitdorf verband, noch bevor es Eisenbahnanbindungen in der Region gab.

Das östlich der Wupper gelegene Kohlfurth wurde 1889 nach Eingemeindung der Stadt Dorp ein Ortsteil von Solingen. Eine Statistik von 1905 zählt 32 Wohnhäuser und 221 Einwohner. Die Ortschaften auf der anderen Wupperseite gehören seit 1929 zur Stadt Wuppertal.

Die heute noch bestehende Halbparabelbrücke aus genieteten Flussstahl von der Firma Morlan & Wilms aus Neumühl wurde dem öffentlichen Verkehr am 28. Juni 1894 übergeben. Von 1914 bis 1969 überquerte eine meterspurige Straßenbahn die Wupper; für den Betrieb der Linie 5 von Cronenberg nach Solingen wurde die Kohlfurther Brücke verstärkt.

 

 

Nach Ende des Straßenbahnbetriebs verfiel die Brücke zusehends und musste 2005 für sämtlichen Verkehr gesperrt werden. Sie wurde aufwendig restauriert und am 8. Mai 2010 wiedereröffnet. In dem ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden alten Gasthof wird heute das Strandcafe betrieben.