Kriegsgefangenen-Post nach Solingen 1944/45

 

Im April 1944 erhielt die 1914 in Solingen geborene Luise Hofmann einen Brief aus Amerika. Absender war der Wehrmachtssoldat Ruprecht Schumacher, mit dem sie seit Anfang 1940 befreundet war. Sie muss ihm geantwortet haben, wie aus dem zweiten Brief vom 11. Juli 1844 hervorgeht.

 

   

 

Kriegsgefangenen-Post; Faltbrief-Vordruck:

PRISONER OF WAR POSTAGE PAID

GERMAN A.

NEW YORK N.Y./ APR 19/ 6 – PM/ 1944

FRÄULEIN/ LUISE HOFMANN/

SOLINGEN UNIONSTR. 10 [überklebt] GERMANY

Zensurvermerke:

11564/ U.S. CENSOR

Aufkleber: Geöffnet mit zwei Stempeln in schwarz und rot: Oberkommando der Wehrmacht

Absender: UFFZ. RUPRECHT SCHUMACHER/ PRISONER OF WAR CAMP/ CAMP GREELEY/ c/o G.P.O. BOX 20, NEW YORK N.Y. U.S.A.

N.A. 12646 COMPANY 8/ GERMAN A.

Zensurvermerk:

11564/ U.S. CENSOR

[Rückseite]

 

 

 

Liebe Luise!    11. APRIL 1944

Obwohl ich mir lange im Klaren bin daß sich unser Lebensweg niemals einigen kann und ich auch die derzeitigen Umstände nicht kenne so wage ich trotzdem Ihnen die wenigen Zeilen zu schreiben. Damit will ich nicht Ihre Teilnahme an meiner gegenwärtigen trostlosen Lage erwecken, worüber ich Ihnen schon vor langer Zeit mitgeteilt habe, deren künftig allerdings fraglich ist. Ich fürchte, dieser Brief wird Sie nicht sehr erfreuen vielleicht unangenehm sein ich weiß es nicht, es tät mir leid Ihnen dadurch unangenehmes zu bereiten. Eine unendlich lange Zeit liegt zwischen heute und jenem Tag der uns zusammen führte. Der einzige Trost in trostloser Zeit ist uns nur die Erinnerung an jene Stunde welche ungetrübt und rein geblieben. Es wäre uns eine große Freude von Ihnen eine Antwort zu erwarten.

Recht liebe Grüße Ihr Ruprecht Schumacher

UFFZ. RUPRECHT SCHUMACHER N.A. 12646 COMPANY 8

PRISONER OF WAR CAMP

CAMP GREELEY

c/o G.P.O. BOX 20, NEW YORK N.Y. U.S.A.

 

   

  

Kriegsgefangenen-Post; Faltbrief-Vordruck:

PRISONER OF WAR POSTAGE PAID

GERMAN A.

NEW YORK N.Y./ APR 19/ 6 – PM/ 1944

FRÄULEIN/ LUISE HOFMANN/

UNIONSTR. 10

SOLINGEN GERMANY

Zensurvermerke:

11405/ U.S. CENSOR

roter Stempel: Oberkommando der Wehrmacht

Absender: UFFZ. RUPRECHT SCHUMACHER/ PRISONER OF WAR CAMP/ CAMP GREELEY/ c/o G.P.O. BOX 20, NEW YORK N.Y. U.S.A.

N.A. 12646 COMPANY 8/ GERMAN A.

Zensurvermerk:

11405/ U.S. CENSOR

 

[Rückseite]

 

 

Die Daten weisen darauf hin, dass es bereits früher früher eine Korrespondenz zwischen den beiden gegeben hat. Offenbar hatte Schumacher seiner Bekannten mitgeteilt, dass er schwer verwundet ist und (möglicherweise) eine Amputation erlitten hat. Daher schreibt er ihr:

Liebe Luise!    Den 11. Juli 1944

Mit unbeschreiblicher Freude erhielt ich dieser Tage Ihre ersten beiden Briefe v. 5.2. u. 6.3. Seltsamerweise kamen beide nur mit zwei Tagen Abstand. Liebe Luise, Sie können mit keinem Gedanken ermessen, wie sehr ich mich danach gesehnt. Nun aber ist so überraschender Weise dieses Sehnen in schönste Freude verwandelt.

Hier in dieser Einöde empfängt man solche Briefe wie eine Kostbarkeit u. verehrt sie wie ein Heiligtum um sie immer wieder zu lesen.

Soweit es die wenigen Zeilen erlauben will ich Ihnen einiges aus dem untröstlichsten Teil meines Lebens erzählen. Erst im März dieses Jahres kam ich nach Amerika. Bis zu jenem Zeitpunkt, allerdings abgerechnet die 21 Tage Transportzeit über den Ozean war ich in Afrika [geschwärzt] Mit herzl. Grüßen Ihr Ruprecht

UFFZ. RUPRECHT SCHUMACHER N.A. 12646 COMPANY 8

PRISONER OF WAR CAMP

CAMP GREELEY

c/o G.P.O. BOX 20, NEW YORK N.Y. U.S.A.

 

Schumacher teilt ihr mit, dass er sich seit März in einem amerikanischen Kriegsgefangenen-Lager in Staate Colorado befindet.

Außerdem berichtet er, wie er in Afrika in Kriegsgefangenschaft geriet und wie er nach Amerika kam. Sein Bericht über den Aufenthalt zwischen der Gefangennahme und dem Transport in die USA wurde vom Zensor geschwärzt.

 

Das Deutsche Afrikakorps (DAK) war ein Großverband der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, der von 1941 bis 1943 auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz zum Einsatz kam und hier mit seinen gepanzerten Verbänden den Kern der späteren deutsch-italienischen Panzerarmee Afrika bildete. Das Operationsgebiet erstreckte sich im Verlaufe des Krieges von Tunesien über Libyen bis Ägypten. Fälschlich wird bisweilen das gesamte deutsche Kontingent im Afrikafeldzug als Afrikakorps bezeichnet.

 

 

Am 8. November 1942 landeten anglo-amerikanische Truppen (Operation Torch) in Marokko und Algerien, wodurch es zu einem Zweifrontenkrieg in Afrika kam. Dadurch wurde die Lage auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz für die deutschen und italienischen Truppen schwieriger. Deutschland und Italien verlegten deshalb weitere Truppenverbände nach Tunesien, wohin sich die Panzerarmee Afrika zurückgezogen hatte. Angesichts der aussichtslosen Lage kapitulierten die deutschen und italienischen Truppen am 12. und 13. Mai 1943.

 

 

Infolge des Versäumnisses, diese Streitkräfte rechtzeitig nach Italien zurückzunehmen, gerieten nur wenige Monate nach der Schlacht von Stalingrad 150.000 Deutsche und etwa 125.000 Italiener in Kriegsgefangenschaft. In Deutschland sprach man, in Anspielung auf Stalingrad, hinter vorgehaltener Hand von Tunisgrad. Zwei Monate später, am 10. Juli 1943, landeten alliierte Soldaten im Rahmen der Operation Husky auf Sizilien. Dies bedeutete eine zweite Front auf dem europäischen Kontinent.

Nach: Lemo, Lebendiges Museum online

 

Die beiden kannten sich spätestens seit Januar 1940, wie einige Fotos belegen, die Luise vor ihrem Elternhaus in der Unionstrae 10 aufgenommen hat.

 

 

Luise Hofmann mit Soldaten der Wehrmacht auf der Unionstraße am 28.1.1940; unter ihnen befindet sich Ruprecht Schumacher.

 

 

Ihr Vater betrieb hier einen Bierverlag mit einer Abfüllanlage für Bierflaschen und Mineralwasser im Hinterhaus.

Das Bier wurde in Fässern aus Dortmund mit Pferdefuhrwerken, der Eisenbahn und mit LKWs nach Solingen geliefert. Die Firma Hofmann füllte eigene Bierflaschen und Siphons ab und belieferte Gastwirtschaften der Umgebung sowie Vereine, Kolonialwarenhandlungen und Privatpersonen. Außerdem verkaufte er Münchener Spaten-Bräu und Pilsener Urquell. Ernst Hofmann hatte auch die Generalvertretung für Birresborner Mineral Brunnen aus der Eifel und stellte eigene Limonaden her.

 

Über die Bedingungen der amerikanische Gefangenschaft erfahren wir auf einer amerikanischen Internetseite: 

Deutsche Kriegsgefangene in Colorado während des Zweiten Weltkriegs

Nach dem Ende des Nordafrikafeldzugs im Zweiten Weltkrieg wurden Tausende von deutschen und italienischen Männern von den Alliierten gefangen genommen. Die Vereinigten Staaten erklärten sich bereit, etwa 425.000 Kriegsgefangene aufzunehmen, davon 375.000 Deutsche. Von 1943 bis 1946 unterhielt Colorado 3 große Lager und mehr als 40 zusätzliche Zweiglager. Die Hauptlager befanden sich in Trinidad mit 2.500 Gefangenen, in der Nähe von Greeley mit mehr als 2.000 Männern und Camp Carson in Colorado Springs mit 12.000 Kriegsgefangenen. Zu den großen Lagern gehörten eine Reihe von Gebäuden, die von Wachtürmen, Scheinwerfern, Stacheldrahtzäunen, Wachen und Hunden umgeben waren. Die Unterkünfte für Männer, die außerhalb der Hauptlager arbeiteten, nahmen verschiedene Formen an, von Schulturnhallen bis hin zu Lagerhäusern.

Nach der Ankunft mit dem Schiff an der Ostküste wurden die Häftlinge den verschiedenen Lagern zugeteilt. In Colorado wurden die meisten Kriegsgefangenen während der Pflanz- und Erntesaison wegen des Arbeitskräftemangels auf den Farmen während des Krieges als Landarbeiter eingesetzt. Einige wurden in die Berge geschickt, um Telefonmasten, Eisenbahnschwellen oder Eis für die Kühlwagen der Denver und Rio Grande Railroad zu schneiden. Wenn die Gefangenen auf dem Feld waren, waren die Sicherheitsvorkehrungen manchmal lasch, da die Versuchung gering war, mit Deutschland Tausende von Meilen und einen Ozean entfernt zu fliehen. Manchmal flohen Männer vorübergehend, um in die nahegelegene Stadt zu gehen, um Nahrung oder Vorräte zu beschaffen. Gelegentlich wurden ernsthaftere Fluchtversuche unternommen, als der US-Private Dale Maple zwei deutschen Kriegsgefangenen bei der Flucht von Camp Hale an die mexikanische Grenze half.

Das Leben in den Lagern wurde durch die Regeln der Genfer Konvention von 1929 bestimmt, die die Behandlung von Häftlingen regelte. Langeweile war vielleicht die häufigste Klage der Häftlinge in den Lagern. Der Unterricht wurde in Deutsch und Englisch angeboten und Bücher waren in Bibliotheken erhältlich. Korrespondenzkurse wurden sogar entweder von der Colorado University oder der University of Minnesota unterrichtet, die Arbeiten in deutscher Sprache akzeptierten. Zur Unterhaltung konnten die Gefangenen Filme schauen, Sport treiben, Gesangs- und Theatergruppen organisieren und Musikinstrumente spielen, die vom YWCA bereitgestellt wurden. Die Deutschen kochten in den Lagern selbst, aber auf dem Feld sorgten die Bauernfamilien oft für zusätzliche Mahlzeiten und luden sie manchmal zu einem hausgemachten Essen ins Haus ein.

Lager 202 in Weld County bei Greeley beherbergte von März 1944 bis Februar 1946 etwa 2.000 deutsche Soldaten. Die ersten Bewohner waren Gefangene, die während der Afrikakampagne unter dem Kommando von General Rommel gefangen genommen wurden. Einer dieser Gefangenen war Rommels persönlicher Automechaniker. Viele Männer aus diesem Lager arbeiteten auf den Zuckerrübenfeldern rund um Greeley. Die Häftlinge veröffentlichten Newsletter mit Nachrichten aus ihrer Heimat, Artikel über die Lager und oft Gedichte, Kurzgeschichten und Cartoons.

Ins Deutsche übersetzt nach https://www.waymarking.com/waymarks/WM8PGF_POW_Camp_202_Greeley_CO

 

Anfang Februar 1945 erhielt Luise einen dritten Brief von Ruprecht Schumacher, diesmal aus dem Wehrmachts-Reserve-Lazarett II in Heidelberg. Der Unteroffizier berichtete über seine Freilassung und Rückführung über Südfrankreich und die Schweiz ins deutsche Reichsgebiet.

 

   

Feldpost

Poststempel: HEIDELBERG/ 5.2.45/ - 13

Fräulein/ Luise Hofmann/ 21/ Solingen/ Unionstraße 10 Sommerstr./ b. Siepmann u. Lo

Wehrmachtsstempel: Res. Lazarett II/ Heidelberg

Absender: Uffz. Rupr. Schumacher/ Res. Lazarett Heidelberg Speierershof

 

 

 

Heidelberg, den 2.II.45

Liebe Luise!

Sie werden erstaunt sein von mir einen Brief zu erhalten welchen ich innerhalb der Reichsgrenze geschrieben. Am 21. Januar habe ich, zusammen mit vielen Verwundeten und Kranken Kameraden über Südfrankreich und die Schweiz kommend, deutschen Boden betreten. So bin ich nun nach zweijähriger Gefangenschaft in die Heimat zurück gekehrt und gerade in einer Stunde schwerer Bedrängniss. Doch ich bin glücklich wieder hier zu sein. Zur Zeit bin ich in einem Lazarett in Heidelberg.

Liebe Luise, es wäre mir eine große Freude recht bald etwas von Ihnen zu hören. Den letzten Brief von Ihnen erhielt ich am 6. Oktober und war datiert am 26.7.44. Sind Sie denn noch zu Hause?  Ist auch Ihre Wohnung noch unbeschädigt?

Recht liebe Grüße, Ihr Rupr. Schumacher.

 

Am 8. Februar schildert er in einem zweiten Bericht seine Eindrücke von der Heimkehr.

 

    

 

Fedlpost

Poststempel: HEIDELBERG/ 9.2.45/ - 20

Fräulein/ Luise Hofmann/ 21/ Solingen/ Unionstraße 10/ Sommerstr. 17

Wehrmachtsstempel: Res. Lazarett II/ Heidelberg

Absender: Uffz. Rupr. Schumacher Res. Lazarett II/ Heidelberg Speierershof

 

   

 

Heidelberg, den 8. Feb.45

Liebe Luise!

Inzwischen werden Sie wohl meinen Brief erhalten haben, in welchem ich in so knappen Worten meine Rückkehr nach Deutschland mitgeteilt habe. Ich bin so glücklich wieder hier zu sein denn seit fast zwei Jahren habe ich nichts Gutes mehr von Deutschland gehört. In so übler Weise hat man in amerikanischen Zeitungen geredet über Deutschland. Nun bi ich so unerwartet zurück gekommen. Von meinen Reiseeindrücken will ich schon gar nicht sprechen denn sie sind nichtig neben Denen, bei meiner Ankunft in Stuttgart. Es war zu schön und zugleich erschütternd. Ob meine Kameraden dies mit den gleichen Augen und den gleichen Gefühlen sahen, ich weiß es nicht. Als erstes sah <ich> Jungs der H. J. mit strahlenden Augen und frischen Gesichtern, wie sie trotz Kälte und Schnee tätig waren. Mit einer echten Begeisterung waren sie den schwer kranken und amputierten Kameraden behilflich. Wie mich das freute und doch taten mir die Kerlchen leid denn ich weiß wie vieles sie schon in ihrer Jugend entbehren. Zugleich war ich erschüttert beim Anblick der durch Bombenangriffe zerstörten Häuser in der Nähe des Bahnhofs. Wie viele unserer Städte haben darunter gelitten, allein der Gedanke daran berührt mich aufs Tiefste. Sie werden sich fragen, warum schreibt er das gerade mir. Das waren eben die ersten Eindrücke die auf mich einwirkten und welche lange und unangenehm in mir nachklingen. Dabei glaube ich, mich irgendwie erleichtern zu müssen indem ich irgend jemand meine Empfindungen mitteile. Ich habe niemand gefunden als Sie, liebe Luise, urteilen Sie bitte nicht an Hand des Briefes und glauben nicht daß ich kleinmütig würde.

Schon heute freue ich mich auf Ihre Antwort aber bitte gehen Sie darin nicht auf diesen Brief ein. Mit den liebsten Grüßen. Ihr

Ruprecht.

 

Stuttgart,_Royal_Air_Force_Bomber_Command,_1942-1945._CL3437.jpg

 

Auf die Fragen am Schluss des ersten Briefes: Sind Sie denn noch zu Hause?  Ist auch Ihre Wohnung noch unbeschädigt? Gibt der Umschlag des Feldpostbriefe eine Antwort: Die Adresse Unionstasse. 10 ist durchgestrichen und vom Postboten durch Sommerstr. 17 ersetzt.

 

Luftangriffe von 1940 bis Oktober 1944

Die ersten Bomben auf Solinger Stadtgebiet fielen am 5. Juni 1940. An diesem Tag sorgten Stabbrandbomben für Kleinfeuer an der Walder Straße, im Krausen, an der Rolsberger Straße, der Krautstraße und der Wittkuller Straße. Am Rolsberg wurde eine Person verletzt. Berichten der Royal Air Force zufolge, wonach ihr Flugzeug an jenem Tag auch Sprengbomben mitgeführt habe, bestätigten die Solinger Polizeiakten hingegen nicht. Allerdings sind die Polizeiakten aus der Erinnerung rekonstruiert wurden, da das Polizeirevier an der Felder Straße bei dem Angriff am 5. November 1944 zerstört wurde.[1]:435

Bis zum 30. Mai 1943 waren die durch Luftangriffe entstandenen Schäden in Solingen gering. Bis 1942 starben drei Einwohner infolge von Angriffen aus der Luft, 27 wurden verletzt. Auch die Flak wurde gelegentlich aktiv. Sie schoss 1941 und 1942 je ein feindliches Flugzeug ab, 1944 waren es insgesamt sechs. Am 29. August 1941 wurde durch die Flak bei Glüder ein kanadisches Flugzeug abgeschossen, die beiden Piloten gefangen genommen und nach Frankfurt am Main verschleppt. Durch Flakeinwirkung wurden allerdings auch Einheimische verletzt, so etwa am Tage des Luftangriffs auf Barmen am 30. Mai 1943, als es in der Gegend um die Lutherkirche Verletzte und beschädigte Gebäude gab. Am 30. November 1943 gelang es der Flak dagegen, ein Bomberkommando von 80 amerikanischen Flugzeugen zum Umkehren zu bewegen.

Als die Alliierten Großangriffe auf die Solinger Nachbarstädte Remscheid (31. Juli 1943 und 23. August 1943) und Elberfeld (25. Juni 1943) flogen, gerieten auch die Solinger Randbezirke in Mitleidenschaft. Am 25. Juni 1943 starben infolge dessen 21 Solinger, 58 wurden verletzt. Bei den Angriffen auf Remscheid starben insgesamt 40 Personen auf Solinger Stadtgebiet, 82 wurden verletzt. Die Gebäudeschäden indes hielten sich bis 1. November 1944 noch in Grenzen, was auch darin begründet lag, dass viele Schäden gleich wieder von den Bewohnern behoben wurden und Wohnhäuser damit quasi unmittelbar wieder instand gesetzt wurden. Anderenfalls wäre die Wohnungsnot nach den beiden Großangriffen am 4. und 5. November 1944 noch deutlich größer ausgefallen.

Britischer Lancaster-Bomber bei dem Luftangriff auf Duisburg am 15. Oktober 1944, wie er wenig später auch über Solingen zum Einsatz kam.

Am Mittag des 4. November 1944, einem Samstag, meldete der Drahtfunk einen im Anflug befindlichen Bomberverband, der sich über der Mündung der Schelde in Belgien befand. Er drehte bei Koblenz nach Norden ab. Um 13.55 Uhr gaben die Sirenen in Solingen Vollalarm. Wenig später fielen in der Südstadt die ersten Bomben. Insgesamt 170 britische Lancaster-Bomber entluden ihre Bombenlast innerhalb von 18 Minuten von der Krahenhöhe über Schützenstraße, Ufergarten bis zum Hauptbahnhof. Das betroffene Gebiet südlich dieser Linie lag in Schutt und Asche, während der Kern der Altstadt an diesem Tage noch verschont blieb. 

Der Angriff löste 100 Großfeuer, 300 mittlere und 500 kleine Feuer aus, die Wasserversorgung brach zusammen, was die Löscharbeiten zusätzlich erschwerte. Erst in den späten Abendstunden erreichten die Feuer ihre größte Intensität. Trotz der widrigen Umstände gelang es der Solinger Feuerwehr, ein Zusammenlaufen der Brände und damit einen Flächenbrand zu verhindern. Bei dem Luftangriff starben mindestens 500 Menschen, besonders viele Tote wurden am Hauptbahnhof geborgen. 

Luftangriff am 5. November 1944

Durch den Angriff am Vortag war das Luftwarnsystem weitgehend zerstört worden. Behelfsmäßige Sirenen auf Lastwagen wurden herangeschafft; diese waren aber bei weitem nicht so leistungsstark. So kam es, dass der Alarm am 5. November 1944, der um 12.15 Uhr ausgelöst wurde, viele Menschen in der Solinger Altstadt nicht erreichte und diese in der Folge von dem von 13:00 Uhr bis 13:26 Uhr dauernden Angriff überrascht wurden. Die Briten kamen dieses Mal mit 165 Bombern, die 783 Tonnen Spreng- und 150 Tonnen Brandbomben geladen hatten.

 

Folgen des Luftangriffs auf Solingen am 5. November 1944

 

Ziel des Angriffs war dieses Mal der Altstadtkern mit seinen verwinkelten Gassen und seinen Fachwerkhäusern rund um Hauptstraße, Graf-Wilhelm-Platz, Kölner Straße bis hin zum Schlagbaum. Durch die Zerstörungen des Vortags waren die entstandenen Brände vielfach nicht erreichbar, Löschwasser stand kaum zur Verfügung. Die eingesetzten Feuerwehren schafften es nicht, einen Flächenbrand zu verhindern, der in der Folge auch fast alle die Gebäude zerstörte, die den Bombenhagel überstanden hatten. Bei beiden Angriffen wurden insgesamt 1.700 Menschen getötet, außerdem mindestens 150 Kriegsgefangene, 20.000 Menschen wurden obdachlos und 16 Prozent der damaligen Solinger Gebäude wurden zerstört. Der Erfolg der beiden Angriffe wurde noch am selben Abend in der britischen Presse gelobt: „Solingen, das Herz der deutschen Stahlwarenindustrie, ist eine zerstörte, tote Stadt“ – Englischer Rundfunk, 5. November 1944.

(Wikipedia)

 

Bei dem Luftangriff am 5. November 1944 wurde in der Unionstraße 10 das Vorderhaus von Brandbomben getroffen; das Dach brannte aus und die Wohnungen der 1. Etage waren nicht mehr bewohnbar. Die Familie zog vorübergehend zur ältesten Tochter Margarete Siepmann in die Sommerstraße 17. Im Hof entstanden Schäden durch Glasbruch.

Die Kriegsschäden konnten 1945/46 wieder behoben werden.

 

  

Personalkarte zum Ausweis für Fliegergeschädigte aus dem November 1944

 

Aufschlussreich ist noch folgende Information über ein Kriegsverbrechen in Solingen, die in einem deutlichen Kontrast zu dem Bericht über die Behandlung deutscher Kriegsgefangener – wie Rupprecht Schumacher – in den USA steht:

Am 5. November 1944 nach dem zweiten Großangriff auf Solingen, einzelne Häuser in der Potsdamer Straße brannten noch, sollten die vier Gefangenen von Luftwaffen-Soldaten zu einem Verhör nach Düsseldorf überstellt werden. Die kleine von zwei Soldaten bewachte Gruppe von Soldaten in kanadischer Uniform wurde aber vor dem Stadthaus auf dem Weg zu dem Transportfahrzeug von SA-Männern, Wehrmachtssoldaten und Zivilisten entdeckt. Die Menge umringte die alliierten Soldaten, die Situation eskalierte. Verschiedene Personen schossen auf die Kriegsgefangenen und alle vier Gefangene starben noch auf der Straße. Andere Passanten warfen Steine auf die am Boden liegenden sterbenden Soldaten und traten auf die leblosen Körper.

Der genaue Tatablauf ist nicht mehr vollständig rekonstruierbar. Ein britisches Militärgericht verurteilte 1947 nur zwei Personen: Den SA-Führer Erich Wilinski. Er wurde zum Tode verurteilt, weil er einen alliierten Soldaten mit zwei Schüssen in Kehle und Kopf getötet hatte. Den Wehrmachtssoldaten Hans Kühn verurteilte das Gericht zu 20 Jahren Haft, weil er dreimal mit seiner Pistole auf die Gefangenen geschossen hatte. Erich Wilinski wurde später zu 20 Jahren Haft begnadigt und 1957 – wie Hans Kühn – vorzeitig aus dem Kriegsverbrechergefängnis Werl entlassen.

Die vier alliierten Soldaten wurden zunächst auf dem Katholischen Friedhof an der Cronenberger Straße bestattet. Nach der Exhumierung fanden die Soldaten ihre letzte Ruhe Seite an Seite mit ihren beim Absturz getöteten Besatzungsmitgliedern auf dem Reichswald Forest War Cemetery bei Kleve.

NRWeltoffen-Solingen. Diakonisches Werk des Evangelischen Kirchenkreises Solingen; https://nrweltoffen-solingen.de/Veranstaltung/gedenken-an-lynch-mord-an-alliierten-fliegern-in-solingen-vor-75-jahren/