Verweigert – ungültig –zurück

 Ein falsch frankierter Brief

 

  

Ein Briefumschlag der Firma Gebr. Christians, Solingen mit aufgedruckter Werbung, wurde im Dezember 1921 an Herrn Leop. Schrötter & Comp.| Mähr - Ostrau adressiert.

Frankiert wurde er mit einer im Oktober/November 1921 ausgegebenen 60 Pf. Marke der Serien Ziffern, Arbeiter, Posthorn und Pflüger (Michel-Nr. 165).

Ein Stempel des Postamts SOLINGEN| 2b| 28.12.21 5-6N dokumentiert den Briefabgang.

Die Brüder Reinhard und Carl Christians hatten 1824 in Solingen eine Stiefeleisen-Fabrik gegründet und ließen sich im Jahre 1862 am Schlagbaum zwei identische Villen bauen. Auf dem 12.000 qm großen angrenzenden Firmengelände entstanden außerdem das Kontor mit Lager sowie ein Fabrikgebäude, die übertrieben groß auf dem Briefpapier abgebildet wurden.

Nach der Jahrhundertwende spezialisierte sich die Firma mehr und mehr auf die Produktion von Scheren, Taschenmessern, Essbestecken und anderen Stahlartikeln wie Rasiermesser und moderne Rasierapparate. Der Vertrieb wurde mit Vertretern und einer offensiven Werbung unterstützt.

 

Unser Brief ist wohl an einen deutschsprachigen Geschäftspartner gerichtet. Er wurde aber unmittelbar nach seinem Eintreffen in Schlesien nach Solingen zurückgesandt; warum?

Der Stempel, der die Rücksendung dokumentiert, lautet: MORASKÁ OSTRAVA C.S.R.| 31.12.21

Ostrava (Moravská Ostrava; dt. Ostrau bzw. Mährisch Ostrau) ist heute nach Einwohnerzahl und nach Fläche die drittgrößte Stadt Tschechiens. Sie ist das Verwaltungszentrum der Mährisch-Schlesischen Region. Die Stadt liegt an der Oder, zehn Kilometer südwestlich der Grenze zu Polen und 50 Kilometer nordnordwestlich der Grenze zur Slowakei, und damit an der Nordostgrenze des Landes Tschechien.

Bis 1918 gehörte Mährisch Ostrau zur Markgrafschaft Mähren und Polnisch Ostrau zum Herzogtum Schlesien (Österreichisch Schlesien), zuletzt beide als Kronländer. Ab 1918 waren beide Städte bis 1939 Teil der Tschechoslowakischen Republik.

Die Tschechoslowakei wurde am 28. Oktober 1918 unter dem Namen Tschechoslowakische Republik (ČSR) in der Hauptstadt Prag als freiheitlich-demokratischer und sozialer Rechtsstaat nach westlichem Vorbild proklamiert und existierte bis zum Münchner Abkommen und dem Ersten Wiener Schiedsspruch 1938, in denen die Republik das Sudetenland an NS-Deutschland und Teile der Südslowakei an das Königreich Ungarn abtreten musste.

Seit dem 1. April 1924 betrug das Auslandsporto im Deutsche Reich für einen Brief bis 20g 120 Pfennige; unser Brief war also unterfrankiert. Deshalb frankierte die tschechische Post den Brief mit drei Portomarken (Ausgabe 1919/20) im Werte von 250 Hellern nach. Den Betrag von 2,50 Kronen hat der Postbeamte vorher mit Bleistift auf den Umschlag notiert.

Die Marken wurden übrigens von dem tschechischen Plakatkünstler, Grafiker, Illustrator und Maler Alfons Maria Mucha (1860-1939) entworfen, der als einer der herausragenden Repräsentanten des Jugendstils gilt.

Über die Marken wurde zweimal der Stempel Neplatené abgedrückt, was bedeutet: „ungültig“. Solche Stemple kamen zum Einsatz, wenn eine mit Nachgebühr belastete Sendung vom Empfänger nicht angenommen wurde, weil er nicht bereit war, das Nachporto zu bezahlen.

Der rosafarbige Zettel mit der Aufschrift Nepřijato.| Refusé. im schwarzen Rahmen bedeutet „abgelehnt, verweigert“. In solchen Fällen geht die Sendung an den Empfänger zurück, der verpflichtet ist, das Nachporto dann zu bezahlen.

Der Postbote hat in der Adresse Mähr-Ostrau durchgestrichen und mit Bleistift vermerkt zpēt („zurück nach“) Solingen.

Ein Mitarbeiter der Firma hat dann das Nachporto bezahlt und den Brief auf diesem Wege für uns aufbewahrt.