Postgeschichte Schleswig-Holstein  

 

Brief von Pforzheim nach Husum, 1.3.1866

 

 

Brief der Fa. Oechsle in Baden an den Rechnungsführer des Gymnasiums in Husum, März 1866

Der Brief ist frankiert mit einer Baden 9 Kreuzer-Marke (Michel-Nr. 20a; ausgegeben am 1.3.66) und entwertet mit dem Fünfringstempel Ortsnummer 109; der Rechteckstempel PFORZHEIM| 6 Mrz A 4. dokumentiert Ort und Zeit der Absendung. Außerdem wurden verschiedene Taxbeträge angeschrieben: mit Rötelstift 5½ und durgestrichene 2; mit blauer Tinte 3 und 2⅔ rechts über 3.

 

 

Auf der Rückseite dokumentieren sechs Stempel den Reiseweg: Zweikreisbahnpoststempel GR. BAD. BAHNPOST| 7| MRZ 66| Z 26; Zweikreisstempel CARLSRUHE| 7| MRZ| 8-9 N; Einkreisstempel HAMBURG| 8| 3| 9V-10; Einkreisstempel Stadtpostamt Hamburg St.P.A. HAMBURG| 8| 3| 9-10N; Dreizeiliger Rechteckstempel K.PR. EISENB. POST-BÜR: II| NACH SCHLESWIG| 8/3; Zweikreisstempel HUSUM| 8 3| 66| 5-6 N.

Außerdem wurde rechts mit Rötelstift 2s (Sgr.) notiert.

Daraus lässt sich rekonstruieren: Der Brief wurde in Carlsruhe am 7. März aufgegeben und per Bahn nach Hamburg transportiert, wo er am 8. 3. vormittags ankam. Von Altona aus reiste er dann wieder mit der Eisenbahn nach Husum, wo er am Nachmittag desselben Tages eintraf.

Die 9 Kreuzer-Marke deckte den Betrag von 3 Sgr (1 Silbergroschen entsprach 3 Kreuzern) nur für Sendungen innerhalb des Deutsch-Österreichischen Postvereins ab, also nur bis Hamburg. Es fehlten daher 3 Kr. Anteil für die schleswig-holsteinische Postverwaltung und der Brief ist unterfrankiert. Deshalb ist unter der Marke mit roter Tinte 9 wf geschrieben: das Weiterfranco, also die Gebühreneinheit, die einer fremden Postverwaltung zusteht: von den 12 Kreuzern dem Großherzogtum Baden 8 und dem Königreich Preußen 4. Als Franco hat der Postbeamte mit Rötelstift 5½ Schillinge Courant und rechts den durchgestrichenen Anteil am Vereinsporto angeschrieben, der 2⅔ Sgr. betrug.

Diese Beträge sind auch in der Abrechnung des Gebührenbaums zu finden: 3 und 2⅔. Der Postverwaltung des Herzogtums Baden standen gemäß der damals gültigen Portotaxe für Briefe 2⅔ Sgr zu. Das Husumer Gymnasium musste 2 Sgr. Nachporto bezahlen.

 

Nach dem „Wiener Frieden“ vom 30.10.1864, durch den der zweite deutsch-dänische Krieges beendet wurde, schlossen Preußen und Dänemark im Juni 1865 einen neuen Postvertrag ab. Die alten preußisch-dänischen Tarife vom 19.12.1853 verloren ihre Gültigkeit. Daher war eine Neuregelung zwischen den Postbezirken der Herzogtümer und dem durch Preußen vertretenen Deutsch-Österreichischen Postverein erforderlich. Die Herzogtümer wurden nicht Mitglieder des DÖPV.

Die „Provisorische Portotaxe“ als Übereinkunft zwischen der Königlich Preußischen Postverwaltung und der Postverwaltung für die Herzogtümer Schleswig-Holstein und Lüneburg regelte ab dem 1.8.1865 den Postverkehr zwischen den Herzogtümern und dem DÖPV.

Ab dem 12. August galten aber für einfache Briefsendungen von und nach Schleswig-Holstein folgende Taxen:

– Frankiert nach den Ländern des Postvereins 3 Sgr.; unfrankiert 4 Sgr. bzw. 14 Kr. nach den Ländern der Kreuzerwährung.

– Aus den Ländern des Postvereins frankiert 3 Sgr. bzw. 12 Kr.; unfrankiert 4 Sgr.

 

Die unzureichende Frankierung lässt sich aus den komplizierten Postverhältnissen der Herzogtümer Schleswig-Holstein erklären. Als nämlich die Firma Oechsle Ende Juni 1865 ihre Geräte samt Rechnung nach Husum expedierte, galten noch die alten Tarife des preußisch-dänischen Postvertrages vom 19.12.1853. Danach kostete ein Brief aus einem der Mitgliedsstaaten des DÖPV nach Husum im Königreich Dänemark 5 Sgr., was 15 Kr. entsprach. Nach der Neuordnung des Postwesens für die Herzogtümer Schleswig-Holstein regelte seit August 1865 die „Provisorische Portotaxe“ den Postverkehr zwischen den Herzogtümern und dem Postverein. Man glaubt in Pforzheim wohl, dass die Herzogtümer nun dem Postverein angehörten und frankierte daher mit dem Betrag von 9 Kr., was 3 Sgr. entsprach, also der innerhalb des DÖPV gültigen Taxe.

Da Schleswig-Holstein nicht Mitglied im Postverein war, rechneten die süddeutschen Länder mit dem tatsächlichen Wert 1 Sgr. = 3,5 Kr. (oder 4 zu 7 wie der Husumer Rechnungsführer, denn ein preußischer Thaler entsprach 30 Silbergroschen und ein rheinischer Gulden 60 Kreuzern), während die Parität innerhalb des Postvereins nur 1 Sgr. = 3 Kr. betrug. Kein Wunder, dass es bei diesen komplizierten Verhältnissen zu falsch frankierten Postsendungen kam.

 

Der Umschlag enthält die Quittung für eine Geldsendung vom 3. März 1866, mit der der Rechnungsführer des Husumer Gymnasiums eine Rechnung der Firma Oechsle aus dem Vorjahr beglichen hatte. Diese Rechnung vom 30. Juni 1865 begleitete eine Lieferung von technischen Geräten für den naturwissenschaftlichen Unterricht. Dass sie erst ein knappes Jahr später bezahlt wurde, ist für die Interpretation der auf dem Brief angeschriebenen Tax-Beträge bedeutsam.

 

In den Pforzheimer Werkstätten produzierte der Mechanikus Christian Ludwig Oechsle Waagen, Thermometer und andere Geräte, die für den Physikunterricht benutzt wurden. Aus einem Katalog der Firma bestellte der Direktor des Gymnasiums Geräte im Wert von 60 Gulden.

Das Großherzogtum Baden war von 1806 bis 1871 ein souveräner Staat, der von 1815 bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes war. Seit den 1860er Jahren hatten sich die Dienstleitungen der Postanstalten gegenüber den Verhältnissen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts enorm erweitert. Durch den Bau von Eisenbahnlinien verkürzte sich die Zeit zwischen der Aufgabe und der Zustellung von Briefen auf wenige Tage. Außerdem wurden Paketsendungen verbilligt und die Post übernahm auch einen Großteil des damaligen Zahlungsverkehrs durch Geldbriefe und Postanweisungen, die in altdeutschen Postgebieten zwischen 1865 und 1867 eingeführt wurden.

 

Der Rechnungsführer des Husumer Gymnasiums hat die Rechnungssumme von 60 Gulden und 30 Kreuzer süddeutscher Währung zunächst in die preußische und danach in schleswig-holsteinische Courant-Währung umgerechnet und diese Summe am 3. März 1866 in einem Geldbrief nach Darmstadt geschickt: 86 Reichsbankthaler und 9 Schillinge.

Wilhelm Heuer: Dammthor-Bahnhof, Alster Glacis und Esplanade. Kolorierter Doppeltondruck nach 1866. Die Bezeichnung „Glacis“ (= Festungsvorfeld ohne toten Winkel) stammt aus der Zeit des Festungsbaus 16-15-1626, dessen Anlage Hamburg vor den Wirren des Dreißigjährigen Krieges bewahrte.