Postgeschichte Schleswig-Holstein  

Brief an den Rector der Husumer Gelehrtenschule

 

Brief von Hadersleben nach Husum vom 4. Juli 1830: Herrn wohlgeboren/dem Herrn Rector Friedrichsen/ in/ Husum, mit 1 Schilling Courant bar frankiert. Absender ist der Rektor der Gelehrtenschule in Hadersleben (gegründet 1567), Christian August Brauneiser (1777-1855); Empfänger ist Peter Friedrichsen (Rektor der Husumer Gelehrtenschule von 1821-1838). Friedrichsen wurde am 22. April 1790 in Satrup geboren, studierte Theologie (Dr. theol.) und unterrichtete seit 1817 als Kollaborator in Husum. Im Herbst 1821 wurde er erst einunddreißigjährig zum Rektor ernannt, nachdem sein Vorgänger Jakob Bernhard Friese (1769-1851) Ostern das Rektorat der Kieler Gelehrtenschule übernommen hatte. In dieser Funktion leitete Friedrichsen die Schule bis ins Jahr 1838, in dem er Pastor in Ivenstedt wurde (bis 1865). Während seines Rektorats besuchte Theodor Storm (1817-1888) die Schule von 1827 bis 1835. Friedrichsen starb am 7. März 1873 in Preetz.

Husumer Gelehrtenschule; kolorierte Zeichnung von Julius Grelstorff

Die Husumer Gelehrtenschule konnte 1830 bereits auf eine dreihundertjährige Tradition zurückblicken; sie war als Reformationsgründung (1525) eine der humanistischen Bildungsanstalten im Herzogtum Schleswig. Auch im 19. Jahrhundert blieb es Aufgabe der Gelehrtenschulen, junge Menschen auf die Landesuniversität Kiel vorzubereiten, auf der man studieren musste, wenn man ein Amt als Arzt, Pastor, Lehrer oder Jurist in den Herzogtümern anstrebte; darüber hinaus vermittelte die Institution, in der seit Mitte des 17. Jahrhunderts dem muttersprachlichen Unterricht ein größerer Raum gegenüber dem herkömmlichen Lateinunterricht eingeräumt wurde, dem kaufmännischen Nachwuchs eine humanistische Grundbildung. Die Gelehrtenschule unterhielt fünf Klassen, in denen von Rektor, Conrektor, Subrektor, Cantor und Rechenmeister unterrichtet wurde. Diese schulgeldpflichtige Einrichtung blieb den Knaben der wohlhabenden Schichten vorbehalten. Die Lehrer wurden von der Stadt besoldet, man erwartete aber von den Bürgern weitere Zuwendungen an die Schulkasse.

Friedrichsen hatte seinen Kollegen Brauneiser um Rat gebeten, wie er die zu erwartende Vacanz überbrücken könne, die durch den Weggang des dritten Lehrers Johann Christian Fabricius entstanden war. In seinem Brief beschreibt der Kollege die rechtliches Situation und bietet Friedrichsen seine Unterstützung an. Am Schluss seines Briefes äußert er seinerseits folgende Bitte: „Sie betrifft unsere Schulbibliothek, welche erst im Werden begriffen sich auf nicht mehr als vielleicht 500 Nummern beläuft.“ Er fragt, wie in Husum die Signaturen Fortsetzungswerken gehandhabt wird und wie die Aufstellung erfolgt. 1763 hatte der Rektor Peter Schaumann die Husumer Schulbibliothek gegründet, die durch Vermächtnisse und Schenkungen bis 1800 auf ca. 5000 Bände anwuchs. Sie war die erste öffentliche Büchersammlung Husums und bediente die Interessen der Theologen, der Lateinschüler und der interessierten gebildeten Öffentlichkeit.

 


      

Chronik der Universität Kiel und der Gelehrtenschulen in Schleswig und Holstein im Jahr 1830.

Ende des 18. Jahrhunderts gewannen neuhumanistische und philanthropische Reformansätze Einfluss auf die Umgestaltung des Unterrichts; schließlich wurde Anfang des 19. Jahrhunderts im Zuge der Trennung von Gelehrten- und Bürgerbildung durch die Adlersche Schulreform in Nordfriesland die Gelehrtenschule geschaffen, deren aufgeklärter Rationalismus Storms Bildungsweg fast ein Jahrzehnt lang wesentlich prägte.

Haderslev. Kolorierte Lithographie von Nay nach Brendstrup. Kopenhagen (um 1860).