9. Hauke setzt sich durch

 

Versammlung der Deichgevollmächtigten im Dorfkrug

Dethlev Wiens  Ja, ja, da haben wir nun die Bescherung,
und Proteste werden nicht helfen,
da der Oberdeichgraf unserem Deichgrafen
den Daumen hält!

Gevollmächtigter Hast wohl recht, Dethlev Wiens,
die Frühlingsarbeit steht vor der Tür,
und nun soll auch ein neuer Deich gemacht werden –
da muss ja Alles liegen bleiben.

Hauke Haien     Das könnt Ihr dies Jahr noch zu Ende bringen,
so rasch wird der Stecken nicht vom Zaun gebrochen!

Dethlev Wiens  Aber Dein Profil! Der Deich
wird nach dem Wasser auch so breit,
wie Lawrenz sein Kind nicht lang war!
Wo soll das Material herkommen?
Wann soll die Arbeit fertig werden?

Hauke Haien     Wenn nicht in diesem, so im nächsten Jahre;
das wird am meisten von uns selber abhängen!

Gevollmächtigter Aber wozu die unnütze Arbeit;
der Deich soll ja nicht höher werden als der alte,
und ich mein’, der steht schon über dreißig Jahre!

Hauke Haien     Da sagt Ihr recht, vor dreißig Jahren ist
der alte Deich gebrochen; dann rückwärts
vor fünfunddreißig, und wiederum
vor fünfundvierzig Jahren; seitdem aber,
obgleich er noch immer steil und unvernünftig dasteht,
haben die höchsten Fluten uns verschont.
Der neue Deich aber soll trotz solcher
hundert und aber hundert Jahre stehen;
denn er wird nicht durchbrochen werden,
weil der milde Abfall nach der Seeseite
den Wellen keinen Angriffspunkt entgegenstellt,
und so werdet Ihr für Euch und Euere Kinder
ein sicheres Land gewinnen, und das ist es,
weshalb die Herrschaft und der Oberdeichgraf mir
den Daumen halten; das ist es auch,
was Ihr zu Eurem eigenen Vorteil einsehen solltet!

Jewe Manners   Deichgraf Hauke Haien,
Du machst uns viel Unruhe und Kosten,
und ich wollte, Du hättest damit gewartet,
bis mich der Herrgott hätt’ zur Ruhe gehen lassen; aber –
recht hast Du, das kann nur die Unvernunft bestreiten.
Wir haben Gott mit jedem Tag zu danken,
dass er uns das kostbare Stück Vorland
gegen Sturm und Wasserdrang erhalten hat;
jetzt aber ist es wohl die elfte Stunde,
in der wir selbst die Hand anlegen müssen,
es auch nach all’ unserm Können selber uns wahren
und auf Gottes Langmut weiter nicht zu trotzen.
Ich, meine Freunde, bin ein Greis;
ich habe Deiche bauen und brechen sehen;
aber den Deich, den Hauke Haien nun
nach ihm von Gott verliehener Einsicht projektiert
und bei der Herrschaft für Euch durchgesetzt hat,
den wird Niemand von Euch Lebenden brechen sehen;
und wolltet Ihr ihm selbst nicht danken,
Euere Enkel werden ihm den Ehrenkranz
doch einstens nicht versagen können!

Hauke Haien     Ich dank’ Euch, Jewe Manners,
dass Ihr noch hier seid, und dass Ihr
das Wort gesprochen habt; –
Ihr anderen Herren Gevollmächtigten,
wollet den neuen Deichbau,
der freilich mir zur Last fällt,
zum mindesten ansehen als ein Ding,
das nun nicht mehr zu ändern steht,
und lasset uns beschließen, was nun Not ist!

Gevollmächtigter Sprechet!

Hauke Haien     Es hat vorhin Einer gefragt, woher die viele Erde nehmen? –
Ihr seht, so weit das Vorland in die Watten hinausgeht,
ist außerhalb der Deichlinie ein Streifen Landes freigelassen;
daher und von dem Vorlande, das nach Nord und Süd
von dem neuen Kooge an dem Deiche hinläuft,
können wir die Erde nehmen; haben wir
an den Wasserseiten nur eine tüchtige Lage Klei,
nach innen kann auch Sand genommen werden! –
Nun aber ist zunächst die Linie auf dem Vorland abzustecken.
Ich kann jetzt noch nicht sagen, wie viel hundert Fuder Stroh
zum Schutz des Deiches wir aufsticken müssen.
Und auch der Auftrag für die neue Schleuse hier
muss dann dem Zimmermann gegeben werden.

                         Lasset uns alsdann beraten, wie
dies Alles zu beschaffen ist.

Ole Peters         Besinnt Euch erst und dann
vertrauet unserem Deichgrafen!
Der versteht zu rechnen;
er hatte schon die meisten Anteile,
da wusste er auch mir die meisten abzuhandeln,
und als er sie hatte, beschloss er,
diesen neuen Koog zu deichen!

Hauke Haien     Du weißt wohl, Ole Peters,
dass Du mich verleumdest;
Du tust es dennoch, weil Du überdies auch weißt,
dass doch ein gut Teil des Schmutzes,
womit Du mich bewirfst,
an mir wird hängen bleiben! Die Wahrheit ist,
dass Du Deine Anteile los sein wolltest,
und dass ich ihrer für meine Schafzucht brauchte;
und willst Du Weiteres wissen,
das ungewaschene Wort, das Dir
im Krug vom Mund gefahren,
ich sei nur Deichgraf meines Weibes wegen,
das hat mich aufgerüttelt, und ich hab’
Euch zeigen wollen, dass ich wohl
um meiner selbst willen Deichgraf sein kann:
und somit, Ole Peters, hab’ ich getan,
was schon der Deichgraf vor mir hätte tun sollen.
Trägst Du mir aber Groll, dass derzeit
Deine Anteile die meinen geworden sind –
Du hörst es ja, es sind genug,
die jetzt die ihrigen um ein Billiges feil bieten,
nur weil die Arbeit ihnen jetzt zu viel ist!

Jewe Manners   Bravo, Hauke Haien! Unser Herrgott
wird Dir Dein Werk gelingen lassen!

                        

 

 

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