10. Hauke zweifelt an Gottes Allmacht
Nach der Geburt einer Tochter liegt Elke im Kindsbettfieber; der Doktor sitzt am Bett.
Elke Wasser! Das Wasser!
Halt’ mich, Hauke!
Hauke
Haien Der Arzt hilft nicht,
nur Gott kann helfen!
Elke In See, ins Haf hinaus?
O lieber Gott, ich seh’
ihn nimmer wieder!
Hauke
Haien Elke! Elke, so kenn’ mich doch,
ich bin ja bei Dir!
Herr, mein Gott, nimm sie mir nicht!
Du weißt, ich kann sie nicht entbehren! –
Ich weiß ja wohl, Du kannst nicht allezeit,
wie Du willst, auch Du nicht; Du bist allweise;
Du musst nach Deiner Weisheit tun – o, Herr,
sprich nur durch einen Hauch zu mir!
Eine Magd tritt ein, stellt etwas ab.
Hauke Haien Wer war das?
Trien’
Jans Herr, die Magd Ann’ Grethe ging hinaus;
sie hatte den Warmkorb mit einer Suppe
von Vollina Peters hereingebracht.
Hauke
Haien So! Von der Vollina Peters? –
Aber was sieht Sie mich
denn so verfahren an, Trien’?
Trien’
Jans Ich hab’ mich erschrocken
ob Eurem Gebet grad’;
damit betet Ihr Keinen vom Tode los!
Hauke
Haien Besucht Sie denn auch,
wie unsere Ann’ Grethe,
die Konventikel bei dem
Flickschneider Jantje?
Trien’
Jans Ja, Herr; wir haben Beide
den lebendigen Glauben!
Hauke wendet sich Elke zu; Trien’ Jans und die Mägde treten zur Seite.
1. Magd Was ist? Was hast du?
Ann’ Grethe Das Unglück ist los!
2.
Magd Nun, so erzähl’ doch!
Wo ist das Unglück los?
Ann’
Grethe Ach, unser lieber Jesus wolle uns behüten!
Ihr wisst, von drüben, überm Wasser,
das alt’ Mariken vom Ziegelhof,
wir stehen mit unserer Butter ja allzeit
zusammen an der Apotheker-Ecke,
die hat es mir, ja mir erzählt,
und Iven Johns, der sagte auch, „
das gibt ein Unglück!“ sagte er;
„ein Unglück über ganz Nordfriesland;
glaub’ mir’s, Ann’ Greth!“ Und– (sie dämpfte ihre Stimme) –
mit des Deichgrafs Schimmel ist’s
am Ende auch nicht richtig!
Mägde Scht! Scht!
Ann’
Grethe Ja, ja; was kümmert’s mich!
Aber drüben, an der anderen Seite,
geht’s noch schlimmer als bei uns!
Nicht bloß Fliegen und Geschmeiß,
auch Blut ist wie Regen vom Himmel gefallen;
und da am Sonntag Morgen danach
der Pastor sein Waschbecken vorgenommen hat,
sind fünf Totenköpfe, wie Erbsen groß,
darin gewesen, und Alle haben das gesehen;
im Monat Augusti sind grausige rotköpfige
Raupenwürmer über das Land gezogen
und haben Korn und Mehl und Brot
und was sie fanden, weggefressen,
und hat kein Feuer sie vertilgen können!
Doktor Es geht! Es geht!
Mit Gottes Hülfe!
Er steht auf und nimmt Hauke beiseite.
Deichgraf, jetzt kann ich’s getrost Euch sagen:
es stand schlimm um Eure Frau;
aber nun gehöret sie wieder zu uns,
heut’ hat der Doktor seinen Festtag;
sie gehört zu den Lebendigen!
Elke Hauke! Hauke, wo bist Du?
Hauke Haien Hier, Elke. Ich halte dich fest.
Elke Hauke, mein Mann, gerettet!
Ich bleibe bei Dir!
Der Doktor zieht sein Schnupftuch aus der Tasche, fährt sich damit über Stirn und Nacken und geht kopfnickend aus dem Zimmer.
Der Flickschneider Jantje tritt ein und lässt sich von Ann’ Grethe ein Stück Brot geben. Trien’ Jans flüstert ihm etwas ins Ohr. Dann spricht er heimlich zu den Mägden.
Jantje Wer aber Gottes Allmacht widerstreitet,
wer da sagt: ich weiß,
Du kannst nicht, was Du willst –
wir kennen den Unglückseligen ja Alle;
er lastet gleich einem Stein auf der Gemeinde –
der ist von Gott gefallen
und suchet den Feind Gottes,
den Freund der Sünde zu seinem Tröster;
denn nach irgend einem Stabe muss
die Hand des Menschen greifen.
Ihr aber, hütet Euch vor dem,
der also betet; sein Gebet ist Fluch!
Hauke Haien Bleib mir treu, Elke! Bleib mir treu!
Elke Dir treu? Wem sollte ich denn anders treu sein? –
Ja, Hauke, wir sind uns treu;
nicht nur, weil wir uns brauchen.