12. Auf dem neuen Deich

 

Hauke, Elke und Wienke stehen bei stürmischem Herbstwetter auf dem Deich.

Wienke             Wienke will mit!

Hauke Haien     So komm’!

Elke                  In dem Winde ?
Sie fliegt Dir weg!

Hauke Haien     Ich halt’ sie schon;
und heut haben wir
warme Luft und lustig Wasser;
da kann sie’s tanzen sehen.
Nun, Wienke?

Wienke             Vater, Du kannst das doch!
Kannst Du nicht Alles?

Hauke Haien     Was soll ich können, Wienke?

Wienke             Das Wasser, Vater! das Wasser!

Hauke Haien     Still, Kind, Du bist bei Deinem Vater;
das Wasser tut Dir nichts!

Wienke             Es tut mir nichts, nein, sag’,
dass es uns nichts tun soll;
Du kannst das, und dann
tut es uns auch nichts!

Hauke Haien     Nicht ich kann das, Kind,
aber der Deich, auf dem wir reiten,
der schützt uns, und den hat
Dein Vater ausgedacht und bauen lassen.

Elke                  Warum versteckst Du Dich, Wienke?
Ist Dir noch immer bange?

Wienke             Wienke will lieber nicht sehen;
aber Du kannst doch Alles, Vater?

Hauke Haien     Hoho! Da kommt es!

Elke                  Nun, Wienke, magst Du
das große Wasser leiden?

Wienke             Es spricht, Wienke ist bange!

Hauke Haien     Es spricht nicht;
es rauscht und toset nur!

Wienke             Hat es auch Beine?
Kann es über den Deich kommen?

Elke                  Nein, Wienke; dafür passt
Dein Vater auf, er ist der Deichgraf.

Wienke             Ja, Vater kann Alles – Alles!

Sie läuft ein Stückchen zur Seite.

Elke                  Nein, Hauke, lass mich sprechen:
das Kind, das ich nach Jahren Dir geboren habe,
es wird für immer ein Kind bleiben.
O, lieber Gott! es ist schwachsinnig;
ich muss es einmal vor Dir sagen.

Hauke Haien     Ich wusste es längst.

Elke                  So sind wir denn doch allein geblieben.

Hauke Haien     Ich hab’ sie lieb,
und sie schlägt ihre Ärmchen um mich
und drückt sich fest an meine Brust;
um alle Schätze wollt ich das nicht missen!

Elke                  Aber warum? Was hab’ ich
arme Mutter denn verschuldet?

Hauke Haien     Ja, Elke, das hab’ ich freilich auch gefragt;
den, der allein es wissen kann;
aber Du weißt ja auch, der Allmächtige
gibt den Menschen keine Antwort –
vielleicht, weil wir sie nicht begreifen würden. –
Lass Dich nicht irren, Dein Kind, wie Du es tust,
zu lieben; sei sicher, das versteht es!

Wienke             Mutter, mein liebe Mutter!

Zwei Arbeiter kommen mit ihren Feldgerätschaften vorbei.

1. Kecht            So wart’ doch!

2. Kecht            Ein andermal, Jens! Es ist schon spät;
ich soll hier Klei schlagen!

1. Kecht            Wo denn?

2. Kecht            Nun hier, im Hauke-Haienkoog!

Hauke Haien     Hauke-Haienkoog! Mögen sie trotzen,
wie sie wollen, um meinen Namen
ist doch nicht herumzukommen!

 

 

 

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