1. Hauke erwürgt der Kater
Hauke in der Abenddämmerung am Deich. Nebel
Hauke
Haien Was wollen die?
Sind es die Geister der Ertrunkenen?
Hoiho! – Hoiho!
Ihr sollt mich nicht vertreiben!
Er wirft mit Steinen, trifft und holt einen wie mit bunter Seide und Metall gefiederten Vogel, bindet ihn fest und wirft ihn sich über die Schulter. Er geht ein paar Schritte bis zu einer Kate am Wegrand, vor der die alte Trien’ Jans hockt.
Trien’ Jans Na, Hauke, woher noch so spät?
Hauke Haien Hab’ diesen Vogel erlegt.
Trien’
Jans Taugt nicht für den Kochtopf.
Solltest Porren fangen
wie mein seliger Sohn
es einst seiner Mutter
zu Gefallen tat.
Ein Kater kommt.
Hauke
Haien Umschicht! – heute mir,
morgen Dir; das hier
ist kein Katerfressen!
Der Kater spring ihn an, schlägt ihm die Krallen ins Fleisch. Hauke packt ihn mit der Faust.
Hauke
Haien Hoiho! Wollen sehen,
wer’s von uns Beiden
am längsten aushält!
Die Hinterbeine der großen Katze fallen schlaff herunter, Hauke geht ein paar Schritte und wirft ihn gegen die Kate.
Trien’
Jans Tot! Tot! Tot! Tot
Du sollst verflucht sein!
Du hast ihn totgeschlagen,
Du nichtsnutziger Strandläufer;
Du warst nicht wert, ihm
seinen Schwanz zu bürsten!
Sie wirft sich über das Tier und wischt zärtlich mit ihrer Schürze ihm das Blut fort, das noch aus Nase und Schnauze rinnt.
Trien’
Jans Tot! Tot! Tot! Tot
Du hast ihn totgeschlagen!
Hauke
Haien Bist Du bald fertig?
Dann lass Dir sagen
ich will Dir einen Kater schaffen,
der mit Maus- und Rattenblut
allein zufrieden ist!
Hauke geht nach Hause, Trien’ Jans rennt mit dem Kater im Arm zeternd hinter ihm her. Sie kommen vor Haukes Haus, Tede Haien steht davor.
Tede Haien Was schleppt Sie da, Trina?
Trien’
Jans Mehr als Dein Haus und Hof.
Da! Da hat Er ihn!
Sein Hauke hat ihn totgeschlagen.
Tede Haien So, Hauke hat ihn totgeschlagen?
Trien’
Jans Ja, ja; so Gott, das hat er getan!
Kein Kind, kein Lebigs mehr!
Und Er weiß es ja auch wohl,
uns Alten, wenn’s nach Allerheiligen kommt,
frieren Abends im Bett die Beine,
und statt zu schlafen,
hören wir den Nordwest
an unseren Fensterläden rappeln.
Ich hör’s nicht gern, Tede Haien,
er kommt daher, wo mir
mein Junge im Schlick versank.
Tede
Haien Weshalb hast Du ihr
den Kater totgeschlagen?
Hauke entblößt seinen blutigen Arm.
Hauke
Haien Deshalb, er hatte mir
den Vogel fortgerissen!
Trien’
Jans Der aber, wenn ich Winters am Spinnrad saß,
dann saß er bei mir und spann auch
und sah mich an mit seinen grünen Augen!
Und kroch ich, wenn’s mir kalt wurde,
in mein Bett – es dauerte nicht lang,
so sprang er zu mir und legte sich
auf meine frierenden Beine,
und wir schliefen so warm mitsammen,
als hätte ich noch meinen jungen Schatz im Bett!
Tede
Haien Ich weiß Ihr einen Rat, Trien’ Jans.
Hauke hat Ihr das Tier vom Leben gebracht,
aber hier ist ein Krontaler von Christian dem Vierten;
damit kauf’ Sie sich ein gegerbtes Lammfell
für Ihre alten kalten Beine!
Und wenn unsere Katze nächstens Junge wirft,
so mag Sie sich das größte davon aussuchen!
Und nun nehm’ Sie das Vieh und bring’
Sie es meinethalb an den Racker in der Stadt,
und halt’ Sie das Maul, dass es hier
auf meinem ehrlichen Tisch gelegen hat!
Sie nimmt den Taler und das Katervieh und stakt weinend davon.
Trien’ Jans Vergiss Er mir nur den jungen Kater nicht!
Tede
Haien Das mit dem Kater hab’ ich rein gemacht,
aber, siehst Du, Hauke, die Kate ist hier zu klein;
zwei Herren können darauf nicht sitzen –
es ist nun Zeit, Du musst Dir einen Dienst besorgen!
Hauke
Haien Ja, Vater hab’ dergleichen auch gedacht.
Man wird grimmig in sich,
wenn man’s nicht an einer
ordentlichen Arbeit auslassen kann.
Tede
Haien So? Und darum hast Du
den Angorer totgeschlagen?
Das könnte leicht noch viel,
viel schlimmer werden!
Hauke
Haien Er mag wohl recht haben, Vater;
aber der Deichgraf hat
seinen Kleinknecht fortgejagt;
das könnt’ ich schon verrichten!
Tede
Haien Der Deichgraf ist ein Dummkopf;
dumm wie ‘ne Saatgans!
Er ist nur Deichgraf,
weil sein Vater es gewesen ist,
und wegen seiner neunundzwanzig Fennen.
Wenn Martini kommt und hernach
die Deichrechnungen abgetan werden müssen,
dann füttert er den Schulmeister mit Gansbraten
Met und Weizenkringeln und sitzt dabei,
wenn der mit seiner Feder
die Zahlenreihen hinunterläuft,
und sagt zu ihm:
„Ja, ja, Schulmeister,
Gott vergönn’s ihm!
Was kann er rechnen!“
Wenn aber der Schulmeister nicht kann
oder auch einmal nicht will,
dann muss er selber dran und sitzt
und schreibt und streicht wieder aus,
und der große dumme Kopf wird ihm rot und heiß,
und die Augen quellen wie Glaskugeln,
als wollte das bisschen Verstand da hinaus.
Hauke
Haien Ja, Gott tröst’! Dumm ist er wohl;
aber seine Tochter Elke,
die kann rechnen!
Tede
Haien Ahoi, Hauke, Ahoi
Was weißt Du von Elke Volkerts?
Hauke
Haien Nichts, Vater, nichts;
der Schulmeister hat’s mir nur erzählt.
Tede
Haien Und Du denkst nun,
du wirst dort mitrechnen können.
Hauke
Haien O ja, Vater, das möchte’ schon gehen. –
Aber unsere Deiche sind nichts wert!
Tede Haien Was für was, Junge?
Hauke Haien Die Deiche, sag’ ich!
Tede Haien Was sind die Deiche?
Hauke Haien Sie taugen nichts, Vater!
Tede
Haien Was denn, Junge?
Du bist wohl das Wunderkind aus Lübeck!
Hauke
Haien Die Wasserseite ist zu steil,
wenn es einmal kommt,
wie es mehr als einmal schon gekommen ist,
so können wir hier auch hinterm Deich ersaufen!
Tede
Haien Du kannst es ja zum Deichgraf bringen;
dann mach sie anders!
Hauke Haien Ja, Vater!