2. Hauke wird Kleinknecht beim Deichgrafen

 

Hauke tritt in den Pesel ein. Elke trägt Geschirr aus der Stube hinaus. Der Deichgraf sitzt beim Abendessen.

Hauke Haien     Guten Abend auch! –
Wonach guckst Du denn
mit Deinen großen Augen,
Jungfer Elke?

Elke                  Nach dem, was hier
alle Abend vor sich geht;
aber hier nicht alle Abend
just zu sehen ist. –
Was willst Du, Hauke Haien?

Hauke Haien     Was Dir hoffentlich nicht zuwider ist.
Dein Vater hat seinen Kleinknecht fortgejagt,
da dachte ich bei Euch in Dienst.

Elke                  Du bist noch so was schlanterig, Hauke!
Aber uns dienen zwei feste Augen
besser als zwei feste Arme!

Tede Haien tritt ein.

Tede Haien       Guten Abend, Elke!

Elke                  Guten Abend. Kommt nun,
der Wirt ist in der Stube
und gerade fertig mit dem Essen.
Lasst uns hineingehen!

Sie treten ein.

Tede Haien       Guten Tag, Deichgraf!

Deichgraf          Ihr seid es, Tede? Setzt Euch;
es ist ein gut Stück’ von Euch
zu mir herüber zu kommen!

Tede Haien       Ich komme, Deichgraf.
Ihr habt Verdruss mit Euerem Kleinknecht
Setzt meinen Jungen an dessen Stelle!

Deichgraf          Ja, ja, Tede, das geht an;
aber – was meint Ihr mit Verdruss?
Wir Marschleute haben, Gott tröst’ uns,
was dagegen einzunehmen!

Er klopft mit dem vor ihm liegenden Messer wie liebkosend auf das Gerippe der Ente.

                         Das war mein Leibvogel,
sie fraß mir aus der Hand!

Tede Haien       Ich dachte, der Bengel hätte Euch
Unheil im Stall gemacht.

Deichgraf          Unheil? Ja, Tede; freilich Unheil genug!
Der dicke Mopsbraten hatte die Kälber nicht gebörmt;
aber er lag voll getrunken auf dem Heuboden,
und das Viehzeug schrie die ganze Nacht vor Durst,
dass ich bis Mittag nachschlafen musste;
dabei kann die Wirtschaft nicht bestehen!

Tede Haien       Nein Deichgraf; aber dafür
ist keine Gefahr bei meinem Jungen.

Deichgraf          Nein, nein, Tede“.
Euer Hauke wird mir die Nachtruh’ nicht verstören;
der Schulmeister hat’s mir schon vordem gesagt,
der sitzt lieber vor der Rechentafel
als vor einem Glas mit Branntwein.

Elke tritt in die Stube und nimmt die Reste der Speisen von dem Tisch; beim Hinausgehen streift sie Hauke, der ihr lange nachblickt.

Deichgraf          Ihr wisset Tede, unser Herrgott
hat mir einen Sohn versagt!

Tede Haien       Ja, Deichgraf; aber lasst Euch das nicht kränken,
denn im dritten Gliede
soll der Familienverstand ja verschleißen;
Euer Großvater, das wissen wir noch Alle,
war Einer, der das Land geschützt hat!

Deichgraf          Wie meint Ihr das Tede Haien?
Ich bin ja doch im dritten Gliede!

Tede Haien       Ja so! Nicht für ungut, Deichgraf;
es geht nur so die Rede!

Deichgraf          Ihr müsst Euch von alten Weibern
dergleichen Torheit nicht
aufschwatzen lassen, Tede Haien;
Ihr kennt nur meine Tochter nicht,
die rechnet mich selber dreimal um und um! –
Ich wollt’ nur sagen, Euer Hauke
wird außer im Felde auch hier in meiner Stube
mit Feder oder Rechenstift so Manches profitieren können,
was ihm nicht schaden wird!

Tede Haien       Ja, ja, Deichgraf das wird er;
da habt Ihr völlig recht!
Der Hauke soll außer seines Lohnes,
den sechs leinenen Hemden im Herbst
auch noch acht Paar wollene Strümpfe
als Zugabe genießen.

Deichgraf          Das soll er für treue Dienste haben.

Tede Haien       Noch was, Deichgraf. Ich will
den Jungen aber im Frühling
acht Tage bei der eigenen Arbeit haben.

Deichgraf          Auch das soll mir recht sein, Tede.
Dein Hauke ist mir eben
der rechte Kleinknecht.

Tede Haien erhebt sich und reicht dem Deichgrafen die Hand. Der schlägt ein. Vater und Sohn gehen und werden von Elke hinausgeleitet.

Tede Haien (im Weggehen)     Gott tröst Dich Junge,
wenn der Dir die Welt klar machen soll!

Hauke Haien     Lass Er nur Vater;
es wird schon Alles werden.

 

 

 

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