5. Hauke wird Deichgraf

 

 

Elke und zwei Mägde bereiten in Pesel und Wohngelass das Leichenmahl vor.

Elke                  Dat is de Dot, de Allens fritt,

                         Nimmt Kunst un Wetenschop di mit;

                         De kloke Mann is nu vergån,

                         Gott gäw em selik Uperstån.

Je eine Flasche Langkork wird an den Platz des Oberdeichgrafen und an den des Pastors gestellt. Die Gäste treten ein und begrüßen Elke.

Oberdeichgraf   Alles gut, Ihr Herren, den alten Deichgrafen
haben wir mit Ehren beigesetzt;
aber woher nehmen wir den neuen?
Ich denke, Manners, Ihr werdet Euch
dieser Würde unterziehen müssen!

Jewe Manners   Herr Oberdeichgraf, das Spiel
würde zu kurz werden;
als der verstorbene Tede Volkerts Deichgraf,
da wurde ich Gevollmächtigter
und bin es nun schon vierzig Jahre!

Oberdeichgraf   Das ist kein Mangel, Manners;
so kennt Ihr die Geschäfte um so besser
und werdet nicht Not mit ihnen haben!

Jewe Manners   Nein, nein, Euer Gnaden,
lasset mich, wo ich bin,
so laufe ich wohl noch
ein paar Jahre mit!

Pastor               Weshalb nicht den ins Amt nehmen,
der es in den letzten Jahren geführt hat?

Oberdeichgraf   Ich verstehe nicht, Herr Pastor!

Pastor               Dort steht er, die lange Friesengestalt
mit den klugen grauen Augen
neben der hageren Nase
und den zwei Schädelwölbungen darüber!
Er war des Alten Knecht und sitzt jetzt
auf seiner eigenen kleinen Stelle;
er ist zwar etwas jung!

Oberdeichgraf   Er scheint ein dreißiger.

Jewe Manners   Er ist kaum vierundzwanzig,
aber der Pastor hat recht.
Was in den letzten Jahren Gutes
für Deiche und Siele und dergleichen
vom Deichgrafenamt in Vorschlag kam,
das war von ihm; mit dem Alten
war’s doch zuletzt nichts mehr.

Oberdeichgraf   So, so? Und Ihr meinet,
er wäre auch der Mann,
um in das Amt nun einzurücken?

Jewe Manners   Der Mann wäre er schon,
aber ihm fehlt das, was man hier
„Klei unter den Füßen“ nennt;
sein Vater hatte so um fünfzehn,
er mag gut zwanzig Demat haben;
aber damit ist bis jetzt hier
Niemand Deichgraf geworden.

Elke                  Wollen Euer Gnaden mir ein Wort erlauben?
Es ist nur, dass aus einem Irrtum
nicht noch ein Unrecht werde!

Oberdeichgraf   So sprecht, Jungfer Elke!
Weisheit von hübschen Mädchenlippen
hört sich allzeit gut an!

Elke                  Es ist nicht Weisheit, Euer Gnaden;
ich will nur die Wahrheit sagen.

Oberdeichgraf   Auch die muss man ja hören können, Jungfer Elke!

Elke                  Euer Gnaden, mein Pate, Jewe Manners,
sagte Ihnen, dass Hauke Haien
nur etwa zwanzig Demat im Besitz habe;
das ist im Augenblick auch richtig;
aber sobald es sein muss,
wird Hauke noch um so viel mehr sein eigen nennen,
als dieser, meines Vaters, jetzt mein Hof,
an Dematzahl beträgt;
für einen Deichgrafen wird das zusammen denn wohl reichen.

Jewe Manners   Was ist das? Kind,
was sprichst Du da?

Elke                  Ich bin verlobt, Pate Manners,
hier ist der Ring, und
Hauke Haien ist mein Bräutigam.

Jewe Manners   Und wann – ich darfs wohl fragen,
da ich Dich aus der Taufe hob, Elke Volkerts –
wann ist denn das passiert?

Elke                  Das war schon vor geraumer Zeit;
doch war ich mündig, Pate Manners,
mein Vater war schon hinfällig worden,
und da ich ihn kannte, so wollt’ ich
ihn nicht mehr damit beunruhigen;
itzt, da er bei Gott ist, wird er einsehen,
dass sein Kind bei diesem Manne wohl geborgen ist.
Ich hätte es auch das Trauerjahr
hindurch schon ausgeschwiegen;
jetzt aber, um Hauke’s und um des Kooges willen,
hab’ ich reden müssen.
(Zum Oberdeichgrafen)
Euer Gnaden wollen mir das verzeihen!

Oberdeichgraf   Ja, liebe Jungfer, aber wie steht es denn
hier im Kooge mit den ehelichen Güterrechten?
Ich muss gestehen, ich bin augenblicklich
nicht recht kapitelfest in diesem Wirrsal!

Elke                  Das brauchen Euer Gnaden auch nicht,
ich werde vor der Hochzeit meinem Bräutigam
die Güter übertragen. Ich habe
auch meinen kleinen Stolz, ich will
den reichsten Mann im Dorfe heiraten!

Oberdeichgraf   Wahr und weise habt Ihr gesprochen,
Elke Volkerts; ich danke Euch
für so kräftige Erläuterungen und hoffe
auch in Zukunft, der Gast Eures Hauses zu sein;
aber – dass ein Deichgraf von
solch junger Jungfer gemacht wurde,
das ist das sonderbare an der Sache!

Elke geht zur Seite und legt schweigend ihre Hand in Hauke Haiens.

 

 

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