Seminar für Deutsche Philologie 

 

Prof. Dr. Gerd Eversberg

 

Sommersemester 2014

Die Faust-Dichtung vor Goethe

Die erste Buchausgabe der „Historia von D. Johann Fausten“ (1587) erreichte bis zum Ende des Jahrhunderts mehr als 20 Auflagen und war damit einer der größten Bucherfolge des 16. Jahrhunderts. Die Sage vom Renaissancemagier Faust ist ein Kristallisationspunkt, an dem sich bedeutsame geistige Strömungen eines Zeitalters konzentriert haben. Kurz darauf schrieb der englische Dramatiker und Shakespeare-Zeitgenosse Christopher Marlowe ein Drama mit dem Titel „Doktor Faustus“, das 1594 in London erstmals aufgeführt wurde. Englische Komödianten brachten dieses Stück um 1600 nach Deutschland; in einem allmählichen Assimilationsprozess verwandelten Wanderschauspieler das Drama in ein deutsches Faustspiel. In dieser Gestalt begegnet uns das Stück nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges als Haupt- und Staatsaktion der Wanderbühnen. Mit dem Niedergang der Wandertheater übernahmen und bearbeiteten die Marionettenspieler den „Faust“. So wurde der Stoff in einer Zeit populär, in der nur sehr wenige Menschen des Lesens kundig waren.

Die „Historia“ erlebte zwei Bearbeitungen Ende des 16. und schließlich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, bis sie ein letztes Mal im Jahre 1725 von einem „Christlich Meynenden verkürzt herausgegeben wurde. Auch diese letzte Ausgabe wurde ein großer Markterfolg. Nachdem der Stoff von der Aufklärung verworfen worden war, griff ihn Lessing wieder auf, ohne sein geplantes Drama zu vollenden. Paul Weidmann, Jakob Michael Reinhold Lenz und Friedrich Maximilian Klinger versuchten sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts am Stoff, aber erst mit Goethes („Urfaust“ 1772-1775) entstand die Grundlage für sein spätere Faust-Dichtung.

Das Seminar wird der Stoffgeschichte der Faustdichtung zwischen 1587 und der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert nachgehen und nach der Struktur und der geschichtlichen Wirkung der unterschiedlichen medialen Darstellungsformen fragen. Dabei werden neben den so genannten Volksbüchern auch die dramatischen Fassungen (Marlowe, Faust-Dramen, Marionettenspiele) berücksichtigt, die Stoffe für Goethes „Urfaust“ lieferten, dessen früher Text im Vergleich mit den übrigen zeitgenössischen Literarisierungen untersucht werden soll.

Master-Seminar auch für Lehramtsstudenten

Blockseminar