Leezen, Masematte und Klein-Muffi

 

„In Münster fährt man mit der Leeze (Fahrrad) durch Klein-Muffi und lässt es sich jovel masseln (gut gehen) –“ So begrüßt die Uni Münster neue Studenten und bietet ihnen gleich einen „koten (kleinen) Masematte-Kurs“ an.

Die Masematte ist ein regionaler Soziolekt von rund 500 Wörtern, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Elendsvierteln von Münster in Verbindung mit der ortsüblichen Umgangssprache gesprochen wurde. Der akademische Crashkurs erklärt: „Der Wortschatz der Masematte ist ein Rotwelsch mit starkem Anteil von Jiddisch (Westjiddisch) und, in etwas geringerem Maße, Romani (bzw. Sintitikes), greift aber auch westfälisches Wortgut auf und zeigt Spuren slawischer und romanischer Einflüsse sowie bei pseudo-lateinischen Bildungen (Suffizierung mit -us) möglichen Einfluss der Studentensprache.“

Gesprochen wurde Masematte vor allem von Männern in vier Stadtgebieten: dem Kuhviertel, dem Sonnenstraßenviertel, Pluggendorf und „Klein-Muffi“ (Herz-Jesu-Viertel). Hier wohnte die soziale Unterschicht, also Arbeiter, kleine Gewerbetreibende und Händler, darunter Juden und Roma (Sinti) als Vieh- und Pferdehändler und Vertreter ambulanter Gewerbe. Mit der Masematte schirmten die Sprecher sich gegen Außenstehende bei Geschäften, aber auch gegenüber Polizei und Obrigkeit ab. Diese Rotwelsch-Sprache ist während der Nazi-Herrschaft durch die Verfolgung und Ermordung der Sprecher und der Zerstörung der Stadtviertel weitgehend verschwunden.

Neben Wörtern wie jovel „gut“ und schofel „schlecht“ ist die Bezeichnung „Leeze“ für Fahrrad zum Gemeinbesitz der heutigen lokalen Umgangssprache geworden. Die „Fahrradstadt“ Münster weist den höchsten Radverkehrsanteil aller deutscher Großstädte auf; man schätzt, dass es in der Stadt doppelt so viel Fahrräder wie Einwohner gibt, also rund 600.000 Leezen. Das Radwegenetz innerhalb der Stadt umfasst mehr als 300 km, der größte Teil auf separaten Radwegen, 10 km sind Fahrradstraßen und auf einer Länge von insgesamt 3 km dürfen Radfahrer die Busspuren mitnutzen. Münster ist aber auch die Stadt mit den meisten Fahrraddiebstählen im deutschsprachigen Raum.

Klein-Muffi heißt ein Stadtviertel, das zwischen Wolbecker Straße, Schillerstraße, dem Ring und dem Kanal liegt. Hier siedelten sich während des Baus des Dortmund-Ems-Kanals neben Polen und Tschechen vor allem Niederländer an, die der Volksmund „Muffen“ nannte wurden. Auf den Klingelschildern des Stadtteils lässt sich bis heute ein seltsames Sammelsurium von Nachnamen finden. Hier, im Kuhviertel und in der nahen Vergnügungsmeile am Hafen (Hafenviertel „Kreativkai) ist aus der Geheim- eine Spaßsprache geworden, die als angelernte „Sekundärmasematte“ in studentischen und jugendsprachlichen Milieus kultiviert in der lokalen Presse gepflegt und weiterentwickelt wird.

 

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