Auf dem Picassoplatz – Ein Mosaik, das alle sehen, aber kaum einer erkennt

 

 

 

 

Der Picassoplatz im Zentrum von Münster wurde nach Pablo Picasso benannt, dem bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts. Die Königsstraße trennt ihn vom im Jahre 2000 eröffneten Kunstmuseum Pablo Picasso, das die weltweit umfangreichste Graphik-Sammlung des Künstlers beherbergt.

 

 

Fotos: Münsterland E.V.

 

Kaum einem der Passanten fällt auf, dass der Platz und die Straße vor dem Museum mit farbigen Steinen gepflastert sind. Alle messen 23,9×23,9 cm: roter Granit aus Vietnam, Basalt aus der Eifel sowie Betonstein aus Münster selbst. Erst aus der Vogelperspektive kann man erkennen: Ein Mosaik, das ein Porträt des Künstlers zeigt. Als imaginärer Schatten wird die Silhouette des Künstlers Pablo Picasso durch zwei unterschiedliche Naturwerksteinflächen gebildet.

Wie dieses Mosaik entstand, können wir bei Wikipedia nachlesen:

Bei der Planung zur Gestaltung des Platzes, die im Jahre 2005 begann, wurden im Rahmen einer öffentlichen Umfrage die Wünsche „Grün“ und öffentliche Sitzflächen identifiziert. Problematisch war hingegen, dass zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt war, wie die Bebauung rund um den Platz letztendlich aussehen würde. Vor diesem Hintergrund entwarf der Architekt Robert Niess eine Gestaltung, mit der er den ersten Platz beim Landeswettbewerb „Stadt macht Platz – NRW macht Plätze“ belegte.

 

 

Chestnutt_Niess Architekten PartGmbB BDA, Berlin

 

Zentrales Element und zugleich die Besonderheit des Platzes ist ein überlebensgroßes Konterfei von Pablo Picasso aus Pflastersteinen, das sich ausgehend vom Graphikmuseum quer über die Königstraße und den Platz erstreckt.

Kritik kam zunächst von Claude Picasso, dem Sohn von Pablo Picasso und zugleich Verwalter von dessen Erbe. Ihm gefiel das ursprünglich vorgesehene Porträt nicht, das sich an Robert Capas Porträtfoto vom 14. Juni 1951 orientiert, so dass eine Überarbeitung des Entwurfs notwendig wurde.

 

 

Spanish painter Pablo Picasso. France. 1951. Foto von Robert Capa

 

Der überarbeitete und letztendlich genehmigte Entwurf zeigt den Künstler im Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf nicht mit entblößtem Oberkörper, sondern mit seinem Markenzeichen, einem Ringelpullover.

 

 

Les Pains de Picasso. Foto von Robert Doisneau

 

Mit fortschreitender Fertigstellung der Pflasterung im August 2009 kam zunehmend Kritik aus Seiten der Bevölkerung. So ist das Porträt vom Boden aus praktisch nicht zu erkennen. Erst von einer höheren Position aus, beispielsweise der dritten und für Besucher nicht zugänglichen Etage des Kunstmuseums Pablo Picasso Münster ist es zu erkennen. Laut Aussage des Architekten ist dies jedoch gewollt und die auf den ersten Blick wirre Gestaltung soll geheimnisvoll auf den Betrachter wirken.

 

Der in Münster wirkende Kunsthistoriker Stefan Rethfeld schreibt:

Die Stadt hat ein neues Fotomotiv bekommen: das aus roten und grauen Granitsteinen gepflasterte Konterfei Pablo Picassos, direkt vor seinem Museum an der Königsstraße. Es sorgt für heftige Diskussionen.

Der Bund der Steuerzahler moniert, die öffentliche Landesförderung sei zu großzügig bemessen und Bürger beklagen, dass es nur von weit oben lesbar ist. Und erst recht die Kunstwelt kritisiert die Art, wie es einen öffentlichen Platz dekoriert.

Sicher: mit den zielgenauen Akupunkturen der Skulptur-Projekte hat es nichts gemein. Wo jene Künstler mit ihren ortsbezogenen Arbeiten feine Nadeln in den Stadtkörper setzen, da unterläuft der neue Platz deutlich jenes kuratorische Radar und kann höchstens als buntes Kinder-Heftplaster durchgehen, als lustiges Tattoo auf der Haut der Stadt. Gewichtige Argumente hat auch jene Fraktion, die das Werk als reines Marketing für Stadt und Museum einstuft, und feststellt, dass qua eigener neuer Platzadresse der private Musentempel jetzt auf einem noch höheren Sockel steht. Parfüm für die Stadt.

In der Tat warb Münster bis vor kurzem noch mit dem Slogan »Prada, Picasso, Prinzipalmarkt«, einer PPP-Konstruktion der besonders exklusiven Art. Und was, wenn es ganz anders ist?

Picasso wollte nicht einen Augenblick lang das machen, was man heute in ihm sieht. Er hatte eine Abneigung gegenüber Museen und seine Bilder sollten aufräumen mit dem alten Spuk von Sitten und Vorschriften, die das Leben und die Kunst erdrücken. Schluss mit Regeln und Mustern, die ihm übergestülpt wurden.

Zu neugierig war er in den Dingen und er erfand malerische Mittel, die immer wieder provozierten. Wenn ihm selber seinerzeit bei Museumsbesuchen zu langweilig war, tat er nichts lieber, als in die Stadt einzutauchen, hin zu ihren Gassen, Plätzen und Cafés.

Kann also der Platz nicht geradezu als Antithese zum Museum gelesen werden: hier der kuratierte Raum und draußen das Leben? Picasso als Wasserzeichen, als »imaginierter Schatten« (Chestnutt_Niess, Entwurfsarchitekten), als Bühne für das urbane Leben.

Man muss die Fläche a la PP nur zu deuten wissen: »Es gibt den Maler, der aus der Sonne einen gelben Fleck macht, und es gibt auch den, der mit Überlegung und Geschick aus einem gelben Fleck eine Sonne macht.«

Sicher würde sich Picasso über die vielen surrealen Momente diebisch freuen: dass die Münsteraner, ohne es zu merken, ihm durchs Gesicht laufen, seinen Denk- und Lachfalten entlang, den Kinderwagen über seine Stirn schieben, auf seiner Nasenspitze tanzen und seinen Ringelpulli als Zebrastreifen nutzen.

Vielleicht ist der Platz noch einmal die Einladung, ganz jung zu werden. Für den kleinen Pablo war die »7« eine umgekehrte Nase, die »0« das Auge einer Taube. Und wenn wir ganz nah ran gehen, verrät er uns noch ein paar Tricks: Rauchen durchs Nasenloch etwa. Der Platz kann mehr sein, als wir denken. Nicht suchen halt, finden.

https://stefanrethfeld.de/picasso-macht-platz/ 

 

 

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