Im Osten geht die Sonne auf

 

Im Winter werfe ich jeden Morgen einen Blick über den Damm der Umgehungsbahn in Richtung Werse. Dort geht hinter den kahlen Baumgerüsten die Sonne auf und wandert dabei Tag für Tag ein Stück weiter nach Osten. In der Schule sangen wir im Musikunterricht das schwedische Volkslied:

Im Frühtau zu Berge wir ziehn, fallera,
Es grünen die Wälder, die Höh’n, fallera.
Wir wandern ohne Sorgen
Und singen in den Morgen
Noch eh im Tale die Hähne krähn.

Als Morgenröte bezeichnet man die rötliche Färbung des Osthimmels, die bei klarem Himmel etwa eine dreiviertel bis halbe Stunde vor dem Sonnenaufgang eintritt. Im Physikunterricht habe ich gelernt, dass die physikalische Ursache der Morgenröte die Streuung des Lichts in der Erdatmosphäre ist. Die Moleküle von Luft und Wasserdampf streuen das kurzwellige blaue Licht stärker als das rote, sodass tagsüber das Himmelsblau entsteht und in Horizontnähe wegen des längeren Weges durch die Atmosphäre die rötlichen Töne überwiegen.

Viel schöner als diese wissenschaftliche Erklärung gefällt mir, wie Homer die „rosenfingrige Eos“ besingt, in der griechischen Mythologie die Schwester des Sonnengottes Helios und der Mondgöttin Selene, die ihrem Bruder Helios den Weg an den Taghimmel bahnt.

Heute sehne ich mich nach dem Frühling und verfolge ungeduldig, wie die Morgendämmerung sich jeden Tag früher zeigt. Im Mai kann ich den Aufgangspunkt nicht mehr genau erkennen, weil die Blätter der Bäume und Büsche sie verdecken.

In der Schule sangen wir dann das Frühlingslied von Emanuel Geibel:

Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus,
Da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zuhaus;
Wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt,
So steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.

 

zurück zur Titelseite