Mit einer Handlaterne

 

Laterne, Laterne!

Sonne, Mond und Sterene,

Die doch sonst am Himmel stehn,

Lassen heut sich nimmer sehn;

Zwischen Wasserreih' und Schloß

Ist die Finsternis so groß,

Gegen Löwen rennt man an,

Die man nicht erkennen kann!

 

Kleine freundliche Latern,

Sei du Sonne nun und Stern;

Sei noch oft der Lichtgenoß

Zwischen Wasserreih' und Schloß

Oder - dies ist einerlei -

Zwischen Schloß und Wasserreih'!

 

 

Von den gar nicht so vielen Gelegenheitsgedichten Storms ist dies das liebenswerteste; es führt uns zurück in eine Zeit, in der es recht mühsam war, während der Nachtstunden den Weg durch die schmalen Gassen Husums zu finden. Eine Straßenbeleuchtung gab es noch nicht, und der Bürger, der nach Einbruch der Dunkelheit sein Haus verlassen musste, tat gut daran, sich mit einer Laterne auszurüsten, die ihm durch ihr schwaches Leuchten den Weg zwischen Häuserwänden und Prellsteinen zumindest ansatzweise zu weisen vermochte. So konnte man sich „heimleuchten“, wenn man zu später Stunde noch Geschäfte außerhalb der eigenen vier Wände erledigen musste.

Storms Tochter Lisbeth hat es in einem Brief an ihren Bruder Karl vom 22. Dezember 1874 aufgeschrieben (Unveröffentlichter Brief, SHLB.):

 

Vater wünscht, daß ich Dir folgendes Gedicht schreiben soll. Die Gräfin und Vater wollen sich nämlich gegenseitig Laternen zu Weihnachten schenken, weil es ein wirklich halsbrechender Weg ist des Abends nach dem Schloß zu kommen und auch umgekehrt.

 

Mit der „Gräfin“ ist Emilie Reventlow (1834-1905) gemeint, die Frau von Ludwig Reventlow (1824-1893), der seit 1865 Landrat in Husum war und mit seiner Familie einige Räume im Schloss bewohnte.

In Storms Sammelhandschrift „Neues Liederbuch, in das zwischen 1846 und 1881 Gedichte eintrug, steht dieses Gedicht mit der Überschrift „An Gräfin Emilie Reventlow zu Weihnachten mit einer Handlaterne“.

Die beiden Löwen von 1612 tragen das Wappen der Herzog von Schleswig und stehen rechts und links vor der Toreinfahrt zum Schlosshof.

 

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