Zwei Jahrmarktsberichte von Theodor Storm?

 

Im Mai 2004 habe ich einen Text entdeckt, den Theodor Storm noch als Schüler der Husumer Gelehrtenschule im „Ditmarser und Eiderstedter Boten“ vom 30. April 1835 veröffentlicht hat[1]; nach einem späteren Zeugnis handelt es sich dabei um seine „erste Prosa“[2]. In diesem Bericht beschreibt Storm die Ereignisse der Marktnacht vom 22. April 1835; die Schilderung beruht auf Erlebnissen anlässlich seines Besuchs mit einer Gruppe von Primanern der Husumer Gelehrtenschule in Süderstapel. Der Verfasser skizziert das bunte Treiben des ländlichen Frühjahrsmarktes anschaulich mit wenigen Sätzen und verbindet sie mit einigen kulturhistorischen Reflexionen. Der Text weist eine erstaunliche sprachliche Qualität auf; es handelt sich um eine Fortsetzung eines Schulaufsatzes, den der Primaner als Gestaltungsübung für den Deutschunterricht anfertigen musste. Die Beschreibung der Süderstapler Jahrmarktsnacht erscheint als singuläre Prosaarbeiten des jungen Storm, der während seiner Schulzeit ca. 100 Gedichte geschrieben hat. Hinweise auf weitere Prosatexte aus dieser Zeit haben sich bisher nicht finden lassen.

Im Husumer Wochenblatt des Jahres 1834 sind zwei Jahrmarktsbericht enthalten, die ebenfalls von Theodor Storm stammen könnten.

 

Es handelt sich zunächst um die Beschreibung des Pfingstmarktes, der vom 25. Mai bis 1. Juni des Jahres stattfand und aus dessen Anlass eine Gesellschaft von Kunstreitern die Stadt an der Nordsee besuchte.[3]

  

Unser Jahrmarkt hat im Ganzen genommen keine großen Geschäfte gebracht, wenngleich wohl einer oder der andere seinen Schnitt dabei gethan. Verkäufer waren viele, Käufer wenige, Besucher und Besucherinnen an den Haupttagen eine große Menge, hübsche und minder hübsche Frauen und Mädchen drängten sich durch einander, und letztere hauptsächlich, wahrscheinlich meinend, der Jahrmarkt werde ihre heißesten Wünsche, nicht für die Folge allein zu bleiben, sondern vielleicht, was ihnen in gewöhnlicher Lebensweise nicht gelingen kann, nun hier erfüllen, nämlich ein Herz zu erhaschen, oder wenn dies auch nicht, so doch wenigstens eine Hand, – und wenn möglich, auch einen Geldkasten dabei, um recht viele Jahrmärkte und sonstige Vergnügungsorte zu besuchen, – zum Führer durch das Leben. Ob nun manches, einerlei ob hübsches oder nicht hübsches Mädchen hier den Geliebten gefunden, darüber könne wir nicht berichten.

Die Vergnügungssucht auf den Jahrmärkten nimmt hauptsächlich sehr bei Dienstboten vom Lande zu, denn kaum ist Hans und Grethe zur Stadt gekommen, so streben sie schon nach den Wirths- und Tanzhäusern, Hans verdummenirt da seine Schillinge und Grethe hat vergessen Nützliches einzukaufen; der Abend und die Nacht rücken heran und ohne die geringsten Einkäufe gemacht zu haben, wird wieder zu Hause gewandert.

Die Kunstreitergesellschaft des Herrn Wenzel et Comp. giebt hier gegenwärtig Vorstellungen, und zwar mit allgemeinem Beifall. Als vorzügliche Künstler bei dieser Gesellschaft nennen wir die Herren Wenzel und Devis. Bewundern muß man, wenn man die Kunstleistungen dieser Herren sieht, und erwähnen wir von diesen nur unter andern den Cäsarritt und die grotesken Figuren des Herrn Wenzels, so wie den Pohlnischen Uhlanen und den fliegenden Merkur, mit einem Kinde auf den Schultern, des Herrn Devis. Es kann nicht fehlen, da auch mehre andere Mitglieder dieser Gesellschaft recht gut sind, daß diese Künstler allenthalben gute Aufnahme und verdienten Beifall finden. Von hier wird die Gesellschaft dem Vernehmen nach Schleswig besuchen, um dort einige Vorstellungen zu geben, und dann ihre Reise nach Kopenhagen fortsetzen.

 

Der zweite Marktbericht betrifft den Michaelismarkt, der im selben Jahr in der letzten Septemberwoche veranstaltet wurde.[4]

 

 

Endlich ist es mit unserm Krammarkt in Ordnung gekommen, ein wildes Treiben hatte sich desselben seit Jahren bemächtigt, kaum wußte man mehr wo er zu suchen sei, besonders war die enge, feuergefährliche und schmutzige Krämerstraße mit Buden und Stellagen bepackt und kaum konnte man vor Buden, Tischen u. s. w. die sogenannte Schiffbrücke passiren, so daß es den Anschein hatte, man werde in kurzen vom Süden her mit Wagen und Pferden während des Marktes nicht mehr zur Stadt kommen können, vom geräumigen Marktplatz hingegen verschwand eine Bude nach der andern, er war einem durchlöcherten Kleide fast zu vergleichen. Unbegreiflich, daß die Polizei so lange darüber hat hinwegsehen können, wenn der Zugang zur Stadt und die Passage in derselben immer mehr gehemmt und gestört ward, noch auffallender aber ist es, daß die Buden so lange in der engen Krämerstraße haben geduldet werden können, da, wenn zufällig zur Marktzeit in einem der Häuser an der Krämerstraße oder in deren Umgebung eine Feuersbrunst ausgebrochen wäre, man mit den Löschanstalten an die Brandstelle nicht würde haben ankommen können, denn die gedachte Straße war fast total gesperrt, – durch das Hinzutreten des fast regelmäßig hieselbst herrschenden Windes hätte in einem solchen Falle ein bedeutender Theil der Stadt das Opfer werden können. Man ist allgemein über die Rückkehr der ehemaligen Ordnung erfreut, Verkäufer und Käufer erkennen die durch die Vereinigung der Marktbuden etc. auf dem grade für dergleichen Gelegenheit bestimmten öffentlichen Marktplatze bewirkten Vortheile und Annehmlichkeiten und hört man nur Aeusserungen der Zufriedenheit und Billigung; der der Budenordnung zum Grunde liegende Plan ist mit Bedacht und Umsicht entworfen. Jetzt kann man ohne alles Hinderniß und Unbequemlichkeit mit Wagen und Pferden die Schiffbrücke sowohl als die seit wenigstens 20 Jahren gesperrt gewesene Krämerstraße wieder passiren, ohne im Mindesten aufgehalten zu werden, letztere ist begreiflich nun auch für Fußgänger passabel geworden und wogte die Menge förmlich durch dieselbe vom Markte nach dem Hafen und vom Hafen nach dem Markte und der Großstraße, so daß es fast möchten wir behaupten in jener Straße lebhafter als je geworden war. Schade nur, daß das Markt<geschehen> zu wenig durch die Witterung, welche mehrere kalte Tage hervortreten ließ, begünstigt ward.

 

Beide Texte unterscheiden sich in Sprache und Art der Berichterstattung von den sonst im Wochenblatt enthaltenen Nachrichten über regionale Ereignisse. Der erste Bericht ist nicht gezeichnet, der zweite mit einem Asterix, dem die Redaktion eine Erläuterung nachgestellt hat, in der auf den anonymen Einsender hingewiesen wird:

 

Wenn obige Einsendung sich über die Einrichtung des neuen Marktplatzes ausspricht, so muß die Redact. d. Bl. den Lesern doch auch noch eine kurze Nachricht über den Handel und Wandel, der sich diesmal gezeigt, mittheilen. Im Allgemeinen war man wohl bessere Geschäfte erwarten, sich stützend auf die frühe Ernte, hoffend, der Landmann werde schon manches Korn zu Gelde gemacht haben. Doch, wenn man sich auf dem Markt umsah, war eben keine große Regsamkeit in den Buden der Verkäufer zu bemerken, obgleich sich an den Haupttagen sehr viele Fremde eingefunden hatten.

 

Für die Autorschaft Storms sprechen folgende Indizien: Im „Briefkasten“ vom 2. März 1834, einer kleinen Rubrik mit Hinweisen für Beiträger des Wochenblattes, heißt es: „*st* herzlichen Dank, freut uns, unser Blatt durch Aufsätze beehren zu wollen, nur recht bald wieder eingekehrt.“ Diese Aufforderung zur Mitarbeit wendet sich an „st“; dieses Kürzel wurde in den Jahrgängen 1834 und 1835 nur von Theodor Storm verwendet. Zwischen den beiden Marktberichten brachte der Buchdrucker Heinrich August Meyler am 27. Juli 1834 Storms Gedicht „Sängers Abendlied“, das mit dem Hinweis „St-“ gezeichnet ist. Dabei handelt es sich um das erste gedruckte Gedicht Storms.[5] Der Hinweis im Briefkasten „recht bald wieder“ könnte darauf verweisen, dass Storms Gedicht der Redaktion zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen hat, da auch ein später gedrucktes Gedicht längere Zeit in der Redaktion liegen blieb. Es folgten im Jahrgang 1835 zwei Scharaden (Rätselgedichte)[6] aus der Feder Storms sowie – im „Briefkasten“ vom 3. Mai 1835 (!) angekündigt – das Gedicht „Der Entfernten“ im November 1836.

In diesen drei Jahrgängen des Wochenblatts lassen sich keine vergleichbaren Texte finden; die Berichte über die Märkte der Jahre 1835 und 1836 enthalten nur noch knappe Angaben zu dem mäßigen Warenumschlag. Obwohl in den Folgejahren Menagerien, Jongleure, Panoramen und andere Attraktionen gezeigt wurden, werden nur einige Schausteller kurz erwähnt; im Ganzen bleiben diese Texte deutlich hinter der lebendigen Schilderung aus dem Jahre 1834 zurück und verschwinden schließlich ganz. Stilistisch ähneln die beiden Berichte Storms Skizze vom Süderstapeler Markttreiben; die Syntax zeigt jene Komplexität, wie sie als Satzperioden zu dieser Zeit im Unterricht der Gelehrtenschule geübt und als wesentlich für eine lebendige Schilderung angeregt wurde. In jedem der beiden Berichte wird über das eigentliche Marktgeschehen hinaus eine besondere Beobachtung des Verfasser dargestellt und darüber adressatenbezogen reflektiert.

 

Theodor Storm war im Frühjahr 1834 16 Jahre alt und besuchte seit Ostern 1833 die Prima der Husumer Gelehrtenschule. Am 17. Juli 1833 trug Storm das erste Gedicht („An Emma“) in ein kleines Buch ein, auf dessen Rückseite das Wort „Gedichte“ eingeprägt ist.[7] Diese Sammelhandschrift hat Storm bis ins erste Studienjahr dazu benutzt, seine Gedichte zumeist in Reinschrift einzutragen. Die meisten sind genau datiert und dokumentieren Storms lyrisches Schaffen der Schulzeit. Handschriftliche Prosatexte sind aus dieser Zeit nicht erhalten.

Joachim Rohweder, Oberlehrer am Königlichen Gymnasium zu Husum und in späteren Jahren mit Theodor Storm befreundet, schreibt in seiner Skizze „Aus der Jugendzeit Theodor Storms“[8]: „Dazumal wenigstens glaubte man z.B. durch Aussetzung der Schulstunden den Schülern die Gelegenheit bieten zu müssen, an Volksfesten, Aufzügen, Jahrmärkten usw. sich beteiligen zu können.“

Pfingst- und Michaelismarkt waren Krammärkte, die sich von dem dreimal abgehaltenen Wochenmarkt (Dienstag, Donnerstag und Sonnabend), der vor allem im Angebot von Lebensmitteln (Butter, Käse, Grünkram, Geflügel sowie Brennmaterial) bestand, durch den größeren Umfang des zulässigen Verkehrs und durch das Angebot von Fabrikaten aller Art unterschieden. Sie wurden nicht nur von Husumer Kaufleuten beschickt, sondern auch von auswärtigen Händlern, wie aus den Anzeigen im Husumer Wochenblatt hervorgeht. Neben „Manufactur-Waaren“ werden „Modewaaren“, „Damenhüte“, „Gewürz- und Farbenwaaren“ sowie „Bücher, Musikalien, Landcharten u.s.w.“ angeboten. Die auswärtigen Händler stellten ihre Waren vor allem in den Häusern der Krämerstraße aus; der Buchhändler Koch aus Schleswig baute seinen Stand in den Räumen der Gelehrtenschule auf, die für diesen Zeitraum Ferien hatte.[9] Darüber hinaus wurden Buden aufgeschlagen, in denen Waren aller Art angeboten wurden. Der durch die mächtige mittelalterliche Marienkirche eingeschränkte Marktplatz in der trapezförmigen Großstraße wurde nach Einweihung des Nachfolgebaus im Jahre 1834 vergößert.

Die wesentliche Grundlage für die Entwickelung des Marktverkehrs war ein besonderer Friede und Rechtsschutz, der dem Markt und seinen Besuchern zuteil wird. Die öffentliche Gewalt hatte durch Erlass öffentlicher Anordnungen für Sicherheit, Regelmäßigkeit usw. zu sorgen. Die erste Husumer Marktordnung stammt aus dem Jahre 1493.[10] Sie regelt, wann und in welchem Umfang fremde Kaufleute ihre Waren den Kunden in der Stadt anbieten durften. In der Folgezeit wurden Regelungen für die Wochenmärkte und die beiden Krammärkte erlassen, die jeweils eine Woche dauerten. 1582 verordnete Herzog August von Gottorf eine Gerichts- und Polizeiordnung. Seit 1607 gab es zweimal jährlich spezielle Pferde- und Viehmärkte, die Anfang Januar und Ende August abgehalten wurden und jeweils drei Tage dauerten.

Für die Einhaltung der Vorschriften während des Husumer Wochenmarktes war der „Griper“ zuständig, ein Polizeidiener, der dem Bürgermeister unterstellt war. Storm charakterisiert ihn in seinem Schwank „Der Griper und sein Herr“ als untergeordneten Menschen, „dessen Hauptfunktion darin bestand, auf dem Wochenmarkte den Verkauf an Auswärtige bis zum Schlage Eilf zu verhindern und nötigenfalls die etwanigen Contravenienten der gerechten Strafe entgegenzuführen.“ [11]

Während der Jahrmärkte mussten die Bürger Husums selber für Ruhe und Ordnung einstehen, da es keine Marktpolizei gab. Der Bürgermeister und Stadtsekretär Philipp Christian Lüders (1784-1836) veröffentlichte daher mit Datum vom 23. Mai folgenden öffentlichen Aufruf[12]:

 

Bürgermeister und Rath intimiren hiedurch, daß während des bevorstehenden Pfingstmarktes die Bürgerpatroille auf eben dem Fuß wie früher geschehen, vom 25. Mai bis den 1. Juni d. J., beides inclusive, herumgehen und mit vigiliren [wachen] solle, daher Jeder, dem dazu die Ansage geschieht, eine taugliche Mannsperson unausbleiblich zu stellen hat; übrigens haben nach dem Concluso [Beschluß] vom 29. Septbr. 1775 diejenigen, welche ihre Knechte oder sonst Jemand an ihrer Stelle schicken, für deren untadelhafte Aufführung einzustehen; sie haften daher und werden angesehen für die Vergehungen ihrer Stellvertreter, jedoch mit Vorbehalt ihrer Entschädigungsansprüche gegen letztere. Die angesagten Bürger sowohl als deren Stellvertreter haben sich ohne erst das Zeichen durch die Trommel abzuwarten, Abends präcise 9 Uhr auf dem Rathause einzufinden.

 

Wieso der Husumer Mark durch ein Trommelzeichen „eingeläutet“ werden musste, erklärt und Storm in seinen autobiographischen Notizen „Aus der Jugendzeit“, in der er einige wunderliche Gestalten aus seiner Knabenzeit beschreibt (Sämtliche Werke 4, S. 254f.):

 

Da war ferner »Peter Runtum«, der den Pfingst- und Michaelisjahrmarkt eintrommelte<,> und »Jochum Pingel«, der mit der Glocke, die in einem niedrigen Balkengerüst bei dem St. Jürgensstift, dem sogenannten »Kloster« hing, »bingeln« mußte, wozu sonst die großen schönen Glocken unserer ersten und alten Kirche dienten. Aber diese Kirche war, angeblich wegen Baufälligkeit, im Jahre 1807 abgebrochen worden - »De Tönninger Torn is hoch un spitz, de Husumer Herrn hemm Verstand in de Mütz«, reimte derzeit der Volkswitz- und die zwei größten der drei schönen Glocken, nach denen auch die Kopenhagener, glücklicherweise doch vergebens, die Hand ausstreckten, harrten in einem kleinen Holzverschlage an der Außenmauer des Schloßgartens der Zeit, bis sie nach Dezennien in dem abscheulichen Turm der abscheulichen neuen Kirche wieder aufgehangen wurden. Deshalb aber mußte Peter Runtum trommeln und der Andere die »Bingel« ziehen, d. h. die kleinste der drei alten Kirchenglocken, die solcherweise in Gebrauch genommen war.

 

Der erste Bericht enthält auch eine Kritik des Auftritts der Kunstreiter, die sich am 25. Mai mit einer Anzeige als „Cirque Olympique“ präsentierte:[13]

Einem hochgeehrten Publikum und den geschätzten Kunstfreunden haben wir die Ehre, ergebenst anzuzeigen, daß Sonntag, den 25sten d. M. eine große brillante Vorstellung in der edlen Reitkunst gegeben wird. Da wir nur einige Vorstellungen zu geben die Ehre haben, so schmeicheln wir uns mit einem gütigen und zahlreichen Besuch. Der Anfang ist um 4 Uhr. Der Schauplatz ist auf dem grünen Platz zwischen der Neustadt und dem Schloßgange. Das Nähere besagen die Anschlagzettel.

  

Mit dem „grünen Platz zwischen Neustadt und dem Schloßgange“ ist die Gegend des Qickmarkts gemeint, der seinen Namen vom niederdeutschen Wort für „Vieh“ hat. Dort zeigten herumreisende Reitkünstler ihre Darbietungen, die durch völlige Beherrschung ihrer Pferde, durch kühne, groteske, graziöse Stellungen und Sprünge auf einem oder auf mehreren Pferden, durch Reitquadrillen, Scheingefechte oder Wettrennen und Wettfahrten, gewöhnlich auch durch komische Szenen den Zuschauer unterhielten und ergötzten. Ihre Pferde waren eigens für diesen Zweck zugeritten und zeigten oft als Schulpferde die feinste Dressur.[14] Neben solchen Gesellschaften traten auch Kleinkünstler auf, die als Jongleure, Puppenspieler oder Musikanten die Leute unterhielten. Wirtschaftlich bedeutend waren Markttage vor allem für die Wirte, da besondere Tanzveranstaltungen stattfanden. Viele Bürger nutzten die Gelegenheit, sich ein wenig Bargeld durch die Vermietung von Zimmern zu verdienen.

Im Bericht über den Michaelismarkt, der seinen Namen vom Tag des heiligen Michael (29. September) hat und Ende September oft im Zusammenhang mit Erntedank veranstaltet wurde, geht es um das Problem der Verkehrssicherheit bei solchen Veranstaltungen, während derer große Menschenmassen die Stadt besuchten.

Beide Texte zeigen, dass der Verfasser weniger an den wirtschaftlichen Ergebnissen der beiden Veranstaltungen interessiert ist, als vielmehr an den Ereignissen selber, die regelmäßig Abwechslung in das eintönige Leben der Kleinstadt brachten.

 

Auch wenn Storm nicht Verfasser dieser Berichte war, so dürften sie ihm mit Sicherheit als Vorlagen und Anregungen gedient haben, als er im Frühjahr 1835 seine Schilderung von der Marktnacht in Süderstapel schrieb. Als kulturhistorische Dokumente verweisen sie auf eine mögliche Perspektive, die Storm bei seinen frühen Schreibversuchen hätte weiterverfolgen können, das journalistische Feld. Der junge Dichter hat sich aber auf die Lyrik konzentriert und erst 1848 während der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark als Korrespondent der von seinem Studienfreund Theodor Mommsen redigierten Schleswig-Holsteinischen Zeitung erneut über Ereignisse in Nordfriesland berichtet.

 

 

Anmerkungen


[1] Gerd Eversberg: Neues zu Storms frühen Schreibexperimenten. Mit den frühesten Briefen Storms und einem bisher unbekannten Prosatext aus dem Jahre 1835. In: Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 54 (2005), S. 27-63.

[2] Das geht aus einem Widmungsgedicht hervor, das Storm dem 1861 im Berliner Verlag Schindler herausgebrachten  Novellenband (Theodor Storm: Drei Novellen. Berlin 1861; enthält: „Späte Rosen“, „Veronica“ und „Drüben am Markt“) in wenigen Exemplaren vorangestellt hat; es beginnt mit den Zeilen: „Als der wackre Schulmeister zu Stapel einst/ Kritisiert meine erste Prosa, […]“.

[3] Husumer Wochenblatt Nr. 22 vom 1. Juni 1834, S. 178. (Exemplar der Husumer Schulbibliothek; Depositum im Storm-Archiv)

[4] Husumer Wochenblatt Nr. 39 vom 28. September 1834, S. 319.

[5] Gerd Eversberg: Storms erste Gedichtveröffentlichungen. In: Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 41(1992), S. 45-49.

[6] Gerd Eversberg: Rätsel und Wortspiele von Theodor Storm. Mit bisher ungedruckten Versen. In: Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 44 (1995), S. 41-51.

[7] „Meine Gedichte“, Storm-Archiv Husum. Storm trug in diese Sammelhandschrift von 1833 bis 1839 über hundert Gedichte ein; die Handschrift dokumentiert die Anfänge seines lyrischen Schaffens.

[8] Joachim Rohweder: Aus der Jugendzeit Theodor Storms. In der Gelehrtenschule. In: Schleswig-holsteinische Zeitschrift für Kunst und Literatur 1.1906, H. 18, S. 530-538; S. 535. Das „Regulativ für die Gelehrtenschule der Stadt Husum“ von 1827 bestimmt unter anderen folgende Ferienzeit: „die Tage des Michaelis-Krammarktes“. (Hermann-Tast-Schule Husum, Schularchiv)

[9] Entsprechende Anzeigen im Wochenblatt vom 25. Mai und vom 21. September 1834.

[10] Jürgen Dietrich: Wochenmarkt. 500 Jahre schriftliche Marktordnung für Husum. In: Schleswig-Holstein 1993, H. 11, S. 12-16.

[11] Theodor Storm, Sämtliche Werke in 4 Bänden, hg. von K. E. Laage und D. Lohmeier. 4 Bde; Bd. 4, S. 278.

[12] Husumer Wochenblatt vom 25. Mai 1834, S. 172. Storm hat Lüders in seiner autobiographischen Skizze „Aus der Jugendzeit“ (geschrieben 1887) ein Denkmal gesetzt; „Bürgermeister Lüders“ in: Theodor Storm, Sämtliche Werke, Bd. 4, S. 431f. Dort finden wir auch einen Hinweis auf den Pfingst- und Michaelismarkt, S. 434.

[13] Husumer Wochenblatt vom 25.5.1834, S. 173; sie wurde mit aktualisiertem Datum wiederholt am 1.6.1834, S. 181.

[14] Digitale Bibliothek Band 100: Meyers Großes Konversations-Lexikon, S. 110837 (vgl. Meyer Bd. 11, S. 818-819). 

 

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