Briefe an Susanne
Kommentar
226. Diane Reading, Thurs. 27th July 67
Liebe Susanne, entschuldige bitte, dass ich nicht unmittelbar nach Erhalt deines Briefes geschrieben habe, aber ich musste auf einige konkrete Nachrichten über eine neue Bleibe warten. Herr Sholl hat sich nicht mit mir in Verbindung gesetzt, seit wir zuletzt Sonntag miteinander gesprochen haben. Dann versicherte er mir, dass er mit Herrn Bush irgendwann während dieser Woche sprechen wolle – darum bin ich sicher, dass alles geregelt sein wird, wenn du zurück kommst. Ich sehe Herrn Sholl auf jeden Fall am Sonntag. Wenn per Zufall keine Bleibe für die nächste Woche gefunden werden kann – wegen der so kurzen Frist, so musst du bei uns bleiben, Susanne, um die Lücke zu überbrücken.
Mein Herz blutet für dich, du armes Ding - ich verabscheue es, mit einem Verkehrsmittel zu fahren, das ich nicht selbst gewählt habe. Das Problem mit uns ist, dass wir unsere eigene Gesellschaft bevorzugen, was verständlich ist, weil wir nie gezwungen worden sind, mit Geschwistern zu verkehren und deren unwillkommene Gesellschaft hinzunehmen. Dies vielleicht ist der Nachteil, ein Einzelkind zu sein. Wenn man an ein sauberes Heim und einen gewissen Grad Bequemlichkeit gewöhnt ist, sind Schmutz und Dürftigkeit ein Schimpf in unseren Augen. Ich hoffe nur dass du etwas Zeit gehabt hast, in Ruhe zu lernen und dass der junge Mann dich etwas von deinem Schlafzimmer abgelenkt hat.
Das Wetter ist bis heute großartig gewesen, nun ist es aber erbärmlich bewölkt. Gestern habe ich angefangen, das Haus zu zeichnen, aber die Garage hat große Probleme gemacht. Ach, wenn man ein Genie wäre! Mein Zimmer wird völlig verwandelt – hoffentlich erkennst du den Unterschied. Die Dusche ist ein Mordsspaß, aber die Mama weigert sich hartnäckig, ihr Bad aufzugeben, sie verkündet dessen Vorteile so ähnlich wie einen alten Staatsmann, der jetzt in Schwierigkeiten ist!
Sheila und die Russell's Karte kamen diesen Morgen an, sie scheinen mir eine klasse Zeit zu verleben. Am Sonnabend wollen Mama und ich nachmittags Darie treffen, schade, dass du nicht mehr hier sein kannst. Ich hatte kein Glück mit einem Job – habe also aufgegeben – keine Ausdauer, das ist mein Problem. Meine schottische Freundin Jenny wird wahrscheinlich am 12. August hier sein, an dem Tag, wenn Papa vierzehn Tage nach Hause kommen wird. Diane wird so schnell wie möglich auf direkter Linie nach Frankreich eilen! Ich bin nicht „katzig“, nur vernünftig und praktisch.
Was hältst du von der Charta für junge Leute – 18 scheint zu jung zu sein – ich glaube, dass 20 sinnvoller ist. Ich habe kein Verlangen, ein Erwachsener zu sein, hast du das? Mein Problem ist im Augenblick einen Universitätskurs und dann eine Uni zu wählen. Die University of Keele, die ich bevorzuge, bildet Studenten nur in zwei Hauptfächern aus, z. B. Französisch/Englisch : Französisch/Jura : Englisch/Soziologie : Englisch/Psychologie u.s.w. und nur für einen Bachelor of Arts – oh ich Elende!
Liebe Grüße,
Diane.
P.S. Halte die Ohren steif, meine Liebe.