Gottfried August Bürger Wunderbare Reisen zu Wasser und Lande London 1788
|
|
Fortgesetzte Erzählung des Freiherrn
109] Fortgesetzte Erzählung des Freiherrn.
Der Baron wurde, wie man sich leicht vorstellen kann, bei jeder Gelegenheit gebeten, seinem Versprechen gemäß in der Erzählung seiner ebenso lehrreichen als unterhaltenden Abenteuer fortzufahren; allein geraume Zeit waren alle Bitten vergebens. Er hatte die sehr löbliche Gewohnheit, nichts gegen seine Laune zu tun; und die noch löblichere, durch nichts von diesem Grundsatze sich abbringen zu lassen. Endlich aber erschien der lange gewünschte Abend, an dem ein heiteres Lächeln, mit dem er die Aufforderungen seiner Freunde anhörte, die sichere Vorbedeutung gab, dass sein Genius ihm gegenwärtig sei und ihre Hoffnungen erfüllen werde. „Conticuere omnes, intentique ora tenebant“ *) und Münchhausen begann vom hochbepolsterten Sofa: *) Alle schwiegen und lauschten mit unverwendeten Blicken. VERGIL. |
Fortgesetzte Erzählung des Freiherrn.] nicht in B1 und B2 VERGIL: Bürger zitiert den Anfang von Vergils Aeneis, Teil II, in dem vom Untergang Trojas erzählt wird. Durch die Fortsetzung des Hexameters wird die Erzählsituation parodiert und mit der Münchhausens verglichen, der anhebt, über seine Erlebnisse bei der Belagerung von Gibraltar zu berichten. Äneas erzählt, wie die zum Schein abziehendem Griechen im Lager ein hölzernes Ross hinterlassen, welches die Troer, durch Sinons Betrug und Laokoons Tod bewogen, in die Stadt aufnehmen. Während des nächtlichen Überfalls ermahnt Hector im Traum den Äneas, mit den Götterbildern zu entfliehen. Äneas stürzt dennoch in den Kampf, aber umsonst. Tod des Priamus. Auf der Venus Geheiß kehrt Äneas zum Vater zurück, rettet die Götter und die Seinigen und verliert im Getümmel seine Gattin.
Conticuere omnes intentique
ora tenebant;
Rings war alles verstummt,
und gespannt hielt jeder das Antlitz. Drauf vom erhabenen Polster begann der
Vater Äneas: Unaussprechlichen Gram, o Königin, soll ich erneuern; Wie die
trojanische Macht und die mitleidswürdige Herrschaft Danaer warfen in Staub;
was ich selbst anschaute des Elends, Wessen ich selbst nicht wenig ertrug.
Wer, solches erzählend, Myrmidon' und Doloper sei's, und des grimmen Ulixes
Kriegsfreund, hemmte die Thrän'? Auch eilt die tauige Nacht schon Himmelab,
und es laden die sinkenden Sterne zum Schlummer.
P. Virgilii Maronis Opera, cum Integris & Emendatioribus Commentariis Servii, Philargyrii, Pierii, Accedunt Fulvii Ursini, Georgii Fabricii, Francisci Nansii, Joh. Musonii, Tanaquilli Fabri, Et Aliorum, ac praecipue Nicolai Heinsii Notae Nunc Primum Editae: […] Petrus Burmannus. […] Tomus II. Amsetrdam M. D. CCXLVI. |
Regnorum Hispania et Portugall, Seutter1745
Während der letzten Belagerung von Gibraltar segelte ich mit einer Proviant|[110]-Flotte unter Lord Rodneyʼs Kommando nach dieser Festung, um meinen alten Freund den General Elliot zu besuchen, der durch die ausgezeichnete Verteidigung dieses Platzes sich Lorbeern erworben hat, die nie verwelken können. Sobald die erste Hitze der Freude, die immer mit dem Wiedersehen alter Freunde verbunden ist, sich etwas abgekühlt hatte, ging ich in Begleitung des Generals in der Festung umher, um den Zustand der Besatzung und die Anstalten des Feindes kennen zu lernen. Ich hatte aus London ein sehr vortreffliches Spiegelteleskop, das ich von Dollond gekauft hatte, mitgebracht. Durch Hülfe desselben fand ich, dass der Feind gerade im Begriff war, einen sechs und dreißig-Pfünder auf den Fleck abzufeuern, auf dem wir standen. Ich sagte dies dem General; er sah auch durch das Perspektiv, und fand meine Mutmaßung richtig. – Auf seine Erlaubnis ließ ich sogleich einen acht und vierzig-Pfünder von der nächsten Batterie bringen und richtete ihn – denn was Artillerie betrifft, habe ich, ohne mich zu rühmen, meinen Meister noch nicht gefunden – so genau, dass ich meines Zieles vollkommen gewiss war. |
Quelle: Rudolf Erich Raspe: Gulliver revived, London 1786:
Belagerung von
Gibraltar:
Im Jahr 1704 wurde Gibraltar während des
Spanischen Erbfolgekrieges durch englischniederländische Seesoldaten unter
dem Kommando von Georg von Hessen–Darmstadt mit Unterstützung der Flotte
eingenommen. Ein erster spanischfranzösischer Versuch der Rückeroberung
scheiterte 1705. Im Frieden von Utrecht fiel Gibraltar 1713 an
Großbritannien. Damit wurden die Briten zu einer wichtigen Macht im
Mittelmeer. Eine weitere Belagerung im Jahr 1726 im Rahmen des
Englisch-Spanischen Krieges scheiterte ebenfalls. Nach der Schlacht von
Saratoga im Jahr 1777 trat Frankreich aktiv auf der Seite der Amerikaner in
den Unabhängigkeitskrieg ein. Ein Jahr später folgten Spanien und 1780 auch
die Niederlande diesem Beispiel. Das Hauptinteresse Spaniens war die
Zurückgewinnung von Gibraltar. Die spanische Führung hoffte, dass die
britische Marine und Armee durch die Kampfhandlungen in Amerika und gegen
die Flotten Frankreichs und der Niederlande so stark in Anspruch genommen
sein würden, dass nicht genügend Kräfte zur Verteidigung und Versorgung
eines belagerten Gibraltars aufgebracht werden könnten.
Eine Quelle könnte folgende anonyme ausführliche Beschreibung der militärischen Ereignisse gewesen sein: Nachrichten von Gibraltar in Auszügen aus Original-Briefen eines hannöverischen Offiziers aus Gibraltar, vor und während der letzten Belagerung. Frankfurt und Leipzig 1784. Lord Rodneyʼs Kommando: George Brydges Rodney, 1. Baron Rodney KB (1718-1792) kommandierte eine britische Flotte während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Ende Dezember 1779 verließ ein großer, stark geschützter Hilfskonvoi England, der Güter für Gibraltar sowie für die ebenfalls belagerte Garnison auf Menorca und für Westindien geladen hatte. Elliots Flaggschiff war die gerade erst in Plymouth vom Stapel gelassene und ausgerüstete HMS Edgar, ein Linienschiff dritter Klasse mit 74 Kanonen. Raspe konnte sie bei seinem Besuch in Portsmouth noch sehen. Die Begleitflotte unter Rodney besiegte am 16. Januar 1780 in der Seeschlacht bei Kap St. Vincent eine spanische Flotte und eroberte spanische Handelsschiffe. Als die stärkere britische Flotte vor Gibraltar ankam, zogen sich die spanischen Blockadeschiffe zurück. Mit dem britischen Konvoi hatte Gibraltar genug Nahrung für ein weiteres Jahr. Außerdem wurde ein Bataillon Infanterie als Verstärkung angelandet.
Hugh Barrons: Porträt von George Bridges Rodney in der Uniform des Admirals. Veröffentlicht 8 Dec. 1785, von John Fielding, Pater Noster Row; Kupferstich
Britische Linineschiff Dritter Klasse, englischer Kupferstich General Elliot: George Augustus Eliott, 1. Baron Heathfield (1717-1790), General der British Armee, war während der Belagerung von 1779 bis 1783 Gouverneur von Gibraltar. Da er um die Bedeutung Gibraltars für Spanien wusste, bemühte er sich erfolgreich um eine Verstärkung der Verteidigung. Die Zahl der Geschütze wurde von 400 auf 663 deutlich erhöht. Die Garnison bestand zu Beginn der Belagerung aus etwa 5400 Soldaten und 760 Seeleuten. Unter den Truppen war auch eine Einheit aus dem Kurfürstentum Hannover unter dem Kommando von August de la Motte. Eliotts Führung war es maßgeblich zu verdanken, dass die Briten über mehr als zweieinhalb Jahre der Belagerung überstanden.
Chretien de Mechel, George Augustus Eliott, Baron Heathfield, 1717 - 1790. General; defender of Gibraltar. Kupferstich 1784. Dollond: John Dollond (1706-1761) war ein britischer Optiker und Teleskopbauer in London. In den Jahren 1757 und 1758 entdeckte er die ungleiche Refraktion der farbigen Lichtstrahlen in Glasprismen verschiedener Brechkraft. Daraus folgerte er die Möglichkeit, achromatische Linsen zu fertigen, die farbreine Bilder zeigen sollten. Die hohe Qualität von Dollonds Flintglas-Linsen beruht auf einer gelungenen Glas-Schmelze aus Nordengland. Er stellte Teleskope von 4 Zoll (etwa 10 cm) und 5 Zoll (12,7 cm).
5 Zoll-Telescop von John Dollond
Drinkwater fährt 'zweigleisig', um
verschiedene Lesererwartungen zu befriedigen. Für Münchhausen steht
natürlich der Unterhaltungsaspekt im Vordergrund. Daher bietet es sich an,
seine Abenteuer in Gibraltar mit den 'Anekdoten' Drinkwaters zu vergleichen,
etwa mit dessen Bericht von zwei Knaben mit außergewöhnlicher Sehschärfe. sechs und dreißig-Pfünder: Die Kanonen wurden ursprünglich nicht nach dem Kaliber, sondern nach dem Gewicht ihrer Kugeln eingeteilt, vom 6-Pfünder („6-pfdg“) bis zu 32-Pfünder und mehr. Batterie: kleinste Einheit bei der Artillerie Artillerie: militärischer Sammelbegriff für großkalibrige Geschütze sowie der Name der Truppengattung, die diese Waffen einsetzt. Ihre Angehörigen werden als Artilleristen bezeichnet. |
Francis Holman: Der Mondschein Schlacht von Kap St. Vincent, 16. Januar 1780; mit Rodney's Flaggschiff Sandwich im Vordergrund.
Öl auf Leinwand, nach 1780.
Nun beobachtete ich die Feinde auf das schärfste, bis ich sah, dass sie die Zündrute|[111] an das Zündloch ihres Stückes legten, und in demselben Augenblicke gab ich das Zeichen dass unsere Kanone gleichfalls abgefeuert werden sollte. Ungefähr auf der Mitte des Weges schlugen die beiden Kugeln mit fürchterlicher Stärke gegen einander, und die Wirkung davon war erstaunend. Die feindliche Kugel prallte mit solcher Heftigkeit zurück, dass sie nicht nur dem Manne, der sie abgeschossen hatte, rein den Kopf wegnahm, sondern auch noch sechzehn andere Köpfe, vom Rumpfe schnellte, die ihr auf ihrem Fluge nach der afrikanischen Küste im Wege standen. Ehe sie aber nach der Barbarei kam, fuhr sie durch die Hauptmaste von drei Schiffen, die eben in einer Linie hintereinander im Hafen lagen; und dann flog sie noch gegen zweihundert englische Meilen in das Land hinein, schlug zuletzt durch das Dach einer Bauerhütte, brachte ein altes Mütterchen, die mit offenem Munde auf dem Rücken lag und schlief, um die wenigen Zähne, die ihr noch übrig waren, und blieb endlich in der Kehle des armen Weibes stecken. Ihr Mann, der bald darauf nach Hause kam, versuchte die Kugel herauszuziehen; da er dies aber unmöglich fand, so entschloss er sich kurz, und stieß sie ihr mit einem Rammer in den Ma-|[112]gen hinunter, aus dem sie dann auf dem natürlichen Wege unterwärts abging. Unsere Kugel tat vortreffliche Dienste. Sie trieb nicht nur die andere auf die eben beschriebene Weise zurück, sondern setzte auch, meiner Absicht gemäß, ihren Weg fort, hob dieselbe Kanone, die gerade gegen uns gebraucht worden war, von der Lafette, und warf sie mit solcher Heftigkeit in den Kielraum eines Schiffes, dass sie sogleich den Boden desselben durch schlug. Das Schiff schöpfte Wasser und sank mit tausend spanischen Matrosen, und einer beträchtlichen Anzahl Soldaten, die sich auf demselben befanden, unter. – Dies war gewiss eine höchst außerordentliche Tat. Ich verlange indes keines Weges sie ganz auf die Rechnung meines Verdienstes zu setzen. Meiner Klugheit kommt freilich die Ehre der ersten Erfindung zu, aber der Zufall unterstützte sie einigermaßen. Ich fand nämlich nachher, dass unser acht und vierzig-Pfünder durch ein Versehen auf eine doppelte Portion Pulver gesetzt war, wodurch allein seine unerwartete Wirkung vorzüglich in Absicht der zurückgeworfenen feindlichen Kugel, begreiflich wird. |
Zündrute, Zündloch: Bürger übersetzt Raspes the match placed at the touch-hole of their piece; dieser Ausdruck bezeichnet den Vorgang, bei dem der Kanonier die Lunte oder das Zündeisen an das Zündloch einer Kanone hält.
Kugel:
Münchhausen hat mit Hilfe seines Fernrohrs eine noch viel schärfere
Beobachtungsgabe, wodurch er die Absicht des Feindes schon vor dem Abfeuern
des Geschützes erkennen kann. (M, 73) Während Drinkwater von vielen
Fehlschüssen und Blindgängern zu berichten weiß, trifft Münchhausen sogar
eine fliegende Kugel, was ganz erstaunliche Auswirkungen hat. Vergleicht man dieses verheerende Ergebnis
mit dem, was Drinkwater hinsichtlich der Auswirkungen eines Kanonenschusses
für erwähnenswert hält, so erscheint dessen Bericht kaum aufsehenerregend. nach der Barbarei: Bürger übersetzt Raspes Barbary coast; dieser Begriff bezeichnete in der englischen Sprache von 16. bis 19. Jhd. aus eurozentrischer Sicht auf die Küstenregionen Nordafrikas, insbesondere auf die osmanischen Grenzgebiete, die aus den Regenten in Tripolis, Algier und Tunis sowie Marokko bestehen. Auch die Berber wurden mit diesem Begriff benannt.
Diese Karte von Jan Janssonius (1588-1664) zeigt die Küste Nordafrikas, ein Gebiet, das im 17. Jahrhundert als Barbariae bekannt war. Sie stellt große Gebiete Algeriens, Tunesiens und Libyens dar. Atlas von der Hagen, Amsterdam um 1650. mit einem Rammer: Ramme ist ein gerät zum einstoßen von pfählen oder steinen, entweder in ein gerüste eingespannt oder aus freier hand zu führen. (DWB) Lafette: ein meist fahrbares Gestell, auf dem eine Waffe montiert werden kann. Kielraum: auch Bilge, unterster Bereich im Schiffsraum. tausend spanischen Matrosen: Die großen spanischen Linienschiffe verfügten über 100 Kanonen und hatten mehr als tausend Mann an Bord. Im September 1782 planten die Spanier einen kombinierten Angriff von See und von Land. Um den Hafen unter schweres Feuer nehmen zu können, baute man schwimmende Geschützplattformen. Hinzu kamen 29 Linienschiffe. Der Angriff wurde abgebrochen, nachdem es den Briten mit Hilfe glühender Kanonenkugeln gelungen war, die Plattformen und Kriegsschiffe zu zerstören.
Die Anzahl der Opfer, die Münchhausen nennt, steht in keiner
Relation zur tatsächlichen Anzahl der Gefallenen dieser Belagerung steht.
Vgl. Drinkwater zählt für die englische Seite in den vier Jahren der
Belagerung etwa 1200 Tote. In Münchhausen verursacht ein Kanonenschuß
den Tod von über tausend Soldaten. |
General Elliot bot mir für diesen ausnehmenden Dienst eine Offizierstelle an;|[113] ich lehnte aber alles ab, und begnügte mich mit seinem Danke, den er mir denselben Abend an der Tafel in Gegenwart aller Offiziere auf die ehrenvollste Weise abstattete. |
Belagerung von Gibraltar am Nachmittag des 13. September 1782. General Eliott beobachtet den Beschuss der feindlichen Schiffe. Kolorierter Kupferstich 1787. |
Plan Topographique de La Ville Rort et Baye de Gibraltar, kolorierter.Kuferstich 1750. Plan der Befestigungsanlagen, Drinkwater 1785.
Da ich sehr für die Engländer eingenommen bin, weil sie unstreitig ein vorzüglich braves Volk sind, so machte ich mir es zum Gesetze die Festung nicht zu verlassen, bis ich ihnen noch einen Dienst würde geleistet haben; und in ungefähr drei Wochen bot sich mir eine gute Gelegenheit dazu dar. Ich kleidete mich wie ein katholischer Priester, schlich um ein Uhr des Morgens mich aus der Festung weg, und kam glücklich durch die Linien der Feinde mitten in ihrem Lager an. Dort ging ich in das Zelt, in welchem der Graf von Artois mit dem ersten Befehlshaber und verschiedenen andern Offizieren einen Plan entwarfen, die Festung den nächsten Morgen zu stürmen. Meine Verkleidung war mein Schutz. Niemand wies mich zurück, und ich konnte ungestört alles anhören was vorging. Endlich begaben sie sich zu Bette, und nun fand ich das ganze Lager, selbst die Schildwachen, in dem tiefsten Schlafe begraben. Sogleich fing ich meine Arbeit an, hob alle ihre Kanonen, über dreihundert Stück, von|[114] den acht und vierzig-Pfündern bis zu den vier und zwanzig-Pfündern herunter, von den Lafetten, und warf sie drei Meilen weit in die See hinaus. Da ich ganz und gar keine Hülfe hatte, so war dies das schwerste Stück Arbeit, das ich je unternommen hatte, eines etwa ausgenommen, das, wie ich höre, Ihnen neulich in meiner Abwesenheit einer meiner Bekannten zu erzählen für gut fand, da ich nämlich mit den ungeheueren, von dem Baron von Tott beschriebenen türkischen Geschütze an das gegenseitige Ufer des Meeres schwamm. – Sobald ich damit fertig war, schleppte ich alle Lafetten und Karren in die Mitte des Lagers, und damit das Rasseln der Räder kein Geräusch machen möchte, so trug ich sie paarweise unter meinen Armen zusammen. – Ein herrlicher Haufe war es, wenigstens so hoch als der Felsen von Gibraltar. – Dann schlug ich mit dem abgebrochenen Stücke eines eisernen acht und vierzig-Pfünders an einem Kiesel, der zwanzig Fuß unter der Erde in einer noch von den Arabern gebauten Mauer steckte, Feuer, zündete eine Lunte an, und setzte den ganzen Haufen in Brand. Ich vergaß Ihnen zu sagen, dass ich erst noch obenauf alle Kriegsvorratswagen geworfen hatte.|[115] |
wie ein katholischer Priester: in einer Kutte mit Kapuze Graf von Artois: Karl X. Philipp (1757-1836), König von Frankreich von 1824–1830. Vor seiner Thronbesteigung trug er den Titel eines Grafen von Artois. 1779 schloss er sich bei der Belagerung Gibraltars der französischen Armee an. Durch seinen Lebensstil hatte er innerhalb weniger Jahre Schulden von 56 Millionen Francs angehäuft, die der – bereits in finanzieller Schieflage befindliche – französische Staat übernahm.
Graf von Artois; Kupferstich nach einem Gemälde eines unbekannten Malers Schildwachen: Wache, die mit bewaffneten Soldaten besetzt ist. der Felsen von Gibraltar: ein monolithischer Kalksteinfelsen von 426 m Höhe, der den größten Teil der Halbinsel Gibraltar an der Südwestspitze Europas umfasst.
von den Arabern
gebauten Mauer: Die Maurische Burg ist ein Relikt aus der Zeit, als
Gibraltar von den Mauren besetzt war. Sie wurde im Jahr 711 von Tariq ibn
Ziyad, einem Kriegsherrn der Berber, errichtet. Er war als erster Muslim auf
Gibraltar gelandet, weshalb der Felsen im arabischen noch immer seinen Namen
trägt, Dschabal at-Tariq, „Fels des Tariq“. Von der Maurischen Burg ist
hauptsächlich noch der Tower of Homage erkennbar. Er ist ein Bau aus
massiven Ziegeln und hartem Zement. Im oberen Teil des Turms finden sich die
Wohnräume der ehemaligen Besatzung und ein Maurisches Bad.
Feuer:
Laut Drinkwater ereignet sich der Lagerbrand am
9.6.1781; der Count d'Artois trifft aber erst am 15.8.1782 – also über ein
Jahr später – in Gibraltar ein. – Vgl. das von Drinkwater
zitierte Schreiben des Duc de Grillon: „Camp of Buena-Vista, 19th of August,
1782. His Royal Highness
Count d'Artois, who has the permission from the King his brother to assist
at the siege, as a volunteer in the combined Army, of which their Most
Christian and Catholic Majesties have honoured me with the command, arrived
at this camp the 15th instant." (Drinkwater,
p.256f.) – Für Kenner des Werkes von Drinkwater ist diese
zeitliche Ungenauigkeit in der Erzählung Münchhausens ein deutliches
Lügensignal. Dies richtet sich jedoch kaum dagegen, daß es Drinkwater
vielleicht nicht so genau mit der Wahrheit nimmt. Drinkwater wird wohl
deshalb zum Opfer der Satire, als die maßlosen Übertreibungen Münchhausens
den Unterhaltungswert von Kriegsabenteuern generell in Frage stellen. |
Quellen Raspes:
ADVERTISEMENT.
THE he following History (as I have presumed to call it) is compiled from observations daily noted down upon the Spot, for my own satisfaction and improvement; assisted by the information and remarks of several respectable Characters, who also were Eye-witnesses of the transactions therein recorded.
Disappointed in my expectations of seeing this subject undertaken by an abler Pen, nothing less than a conviction that an accurate detail of this extraordinary Siege might be useful, both in a military and historical view, could have induced me, at this late period, to publish.
In the prosecution of this design, one principal difficulty has occurred. Those Readers who might peruse for entertainment, I was apprehensive, would find the relation too minute and circumstantial; and that, from the insertion of many particulars, which those of the Military Profession would greatly blame me for presuming to curtail, or omit.
With the former, it is hoped that the necessary connexion of some Events
(which at first may appear trivial) with the great business of the History, will
be some apology; and I have endeavoured to diversify the narrative, by such
Anecdotes and Observations as will occasionally relieve or awaken the attention.
To the latter I shall not attempt any apology. The late Siege of Gibraltar
afforded many instances of very singular exertions in the Art of Attack and
Defence, the minutiæ of which cannot be without their utility to those Officers
who make a science of their profession; and they must be sensible, that without
pointed exactness, this Design could not have been accomplished. – In short, it
must be remembered, that the History of this Siege is not that of a Month, or of
a Year, but that it embraces a period of near FOUR YEARS, exhibiting a series of
operations perhaps unparallelled.
Drinkwater 1785, S. Vf.
In the forenoon of the 25th, the Spanish officers belonging to the Santa
Catalina, who were brought to the Garrison in the Vernon, were sent by a flag of
truce into Spain on their parole. In the course of the day, a shot came through
one of the capped embrasures on Princess Ameliaʼs battery, (Willisʼs) took off
the legs of two men belonging to the 72d and 73d regiments, one leg of a soldier
of the 73d, and wounded another man in both legs: thus four men had seven legs
taken off and wounded by one shot. The Boy who was usually stationed on the
works where a large party was employed, to inform the men when the Enemyʼs fire
was directed to that place, had been reproving them for their carelessness in
not attending to him; and had just turned his head toward the Enemy, when he
observed this shot, and instantly called for them to take care: his caution was
however too late; the shot entered the embrasure, and had the above -recited
fatal effect. It is somewhat singular, that this Boy should be possessed of such
uncommon quickness of light, as to see the Enemyʼs shot almost immediately after
they quitted the guns. He was not, however, the only one in the Garrison
possessing this qualification; another boy of about the same age was as
celebrated, if not his superior: both of them belonged to the Artificer company,
and were constantly placed on some part of the works to observe the Enemyʼs fire
: their names were Richardson and Brand; the former was reputed to have the best
eye.
Drinkwater 1785, S. 231f.
Von der letzten Belagerung.
Als im Jahr 1779 auch Spanien Theil an dem Krieg zwischen Großbritannien und der mit den Kolonien verbünden Krone Frankreich genommen hatte; so stand Herr Elliot mit einer kleinen Heldenschaar auf dem herkulischen Felsengipfel als ein zweiter Herkules, um dessen Taten zu verrichten. Die erste Unternehmung Spaniens war auf Gibraltar gerichtet. Schon zu Anfang des Aug. 1779, und noch vor der Krieges Erklärung rückte ein ansehnliches Corps von 20 Batallions und 10 Eskadrons unter den Befehlen der Generallieutenants Alvarez von Sotomayor und des Grafen von Lascy vor Gibraltar. Es wurde sogleich zu Wasser und zu Lande eingeschlossen, und der Stadt und Festung alle Zufuhr abgeschnitten. Die Belagerer machten in einem Zeitraum von mehr als 3 Jahren solche fürchterliche Anstalten, dergleichen noch nie vor einem belagerten Platz sind gemacht worden. Alles, was die neue Belagerungskunst Schröckliches und Mörderisches hat, wurde hier in reicher Maße verschwendet. Jedermann war für Gibraltar besorgt; nur unser Held allein blieb ruhig, und ebenso unerschütterlich als die Säulen Herkules, die er verteidigte. Am 12 Sept. 1779 gab derselbe denen Belagerern in den Linien von St. Roch durch ein sehr lebhaftes Feuer, so er auf sie machen ließ, zuerst zu verstehen, dass sie sich dem Heldensitz nicht zu nahe wagen müssten. Im April 1781, da die Belagerer ihre Wut und Feuer bei dem fürchterlichen Bombardement verdoppelten, blieb Herr Elliot ganz ruhig und gelassen. Mit einem Heroismus, der kaum feines gleichen hat, bot er allen Gefahren Trotz; während des ganzen Bombardements verließ derselbe so wenig als der Untergouverneur Boyd, seine Wohnung, um sich in Sicherheit zu setzen. Ersterer hatte sein Quartier in dem ehemaligen Kloster de la Mercie, unerachtet einige Bomben dahinfielen.
Es fiel hierauf 5 Monat lang wenig erhebliches mehr vor. Die Belagerer waren sicher. Herr Elliot benutzte diesen Umstand und führte ein wichtiges Coups aus. Der Bericht desselben an der Staatssekretär Hilsbourugh, vom 28sten Novemb. 1781, erläutert dieses wichtige Unternehmen nach allen Umständen und lautet wie folget:
Mylord
„Ich habe die Ehre, Sie zu benachrichtigen, dass, da aus der allgemeinen Betrachtung der feindlichen Operationen hinlänglich sich zu Tage legte, wie ein Versuch, ihre sämtlich avancierte Werke, welche nach erstaunlicher Arbeit und Kostenaufwand gegenwärtig zu dem höchsten Grad der Vollkommenheit gelangt waren, mit Sturm wegzunehmen und zu vernichten; wahrscheinlicher Weise von dem erwünschten Erfolg begleitet werden dürfte, für nützlich gehalten wurde diesen Entwurf zur Ausübung zu bringen. Nachdem die nötigen Anstalten dazu gemacht worden, marschierte den 27sten November, des Morgens um 3 Uhr beim Untergang des Mondes, ein ansehnliches Detachement in drei Kolonnen aus der Festung. Jede Kolonne bestand aus einer Avantgarde, einem Detachement Pioniers, einigen Artilleristen-Handlangers, welche brennbare Sachen trugen, einem Corps zur Unterstützung, und einer Reserve. Die Pioniers von der zur Linken marschierenden Kolonne waren Marienires von den königlichen Schiffen. Der Feind war in den avancierten Werken 600 Mann an Fußvolk und 60 Mann Reuterei stark, welche Mannschaft teils aus der wallonischen und spanischen Garde, Artilleristen, Jägern und andern leichten Völkern bestand. Hierunter war die gewöhnliche Anzahl der mit Gewehr versehenen Arbeiter nicht mit begriffen. Der herzhafte Angriff, den die königlichen Völker auf allen Seiten der äußern Fronte taten, war unwiderstehlich. Die Feinde zogen sich nach einem kurze Zeit gedauerten Feuer an allen Orten zurück und verließen ihre erstaunliche Werke mit vieler Eilfertigkeit. Die Artilleriehandlanger arbeiteten mit bewundernswürdiger Tätigkeit, und verbreiteten ihr Feuer mit so erstaunender Geschwindigkeit, dass in Zeit vor einer halben Stunde 2 Batterien von zehn dreizehnzölligen Mörsern, und 3 Batterien, jede von 6 Stücken, mit allen Aprochen und Traversen in Brand gesetzt und in die die Asche gelegt waren. Die Mörser und Kanonen wurden vernagelt ihre Bettungen, Affüten und Platteformen aber zu Grunde gerichtet. Da der Feind sahe dass sein Widerstand wenig ausrichten würde; so blieben, seine im Lager befindliche Völker ruhige Zuschauer dieses Brandes, und er schoss, nur aus den Forts St. Barbara und St. Philipp, wie auch von den Batterien der Linien, mit Kugeln und Kartätschen; allein seine Stücken waren schlecht gerichtet. Gegen 5 Uhr und also noch vor Tagesanbruch war das Detachement schon wieder in die Festung eingerückt. Der Generalbrigadier Roß war Commandant en Chef dieses Ausfalls, und hat den Angriff unter einer Menge von kritischen mit solchen Unternehmungen verbundenen Vorfällen, mit so vieler Überlegung ausgeführet, dass er an dem glücklichen Erfolg großen Antheil hat. Die Kolonne in der Mitte führte der Obristlieutenant von Dachenhausen Regiments Reden; die zur Rechten der Obriftlieutenant des Regiments Hodenberg von Hugo; die zur Linken der Obristlieutenant Trigg vom 12ten Regiment, und die Reserve der Major Maxwell vom 73sten Regiment. Die Seesoldaten waren in Divisionen abgeteilt, und stunden unter dem Lieutenannt Campbell, vom Schiff Brillant und dem Lieutenant Muckle, vom Schiff Stachelschwein. Der Hauptmann des Schiffs Brillant, Curtis welcher die Escadre in der Bay befehliget, war als Freiwilliger dabei, und hat sich wegen seiner bewiesenen Einsicht, persönlichen Tätigkeit und geleisteten Hülfe besonders hervorgetan. Die bei der ganzen Unternehmung beobachtete gute Ordnung, ist der Aufmerksamkeit und Tapferkeit dieser Offiziers und der Standhaftigkeit der Truppen zu zuschreiben. Niemals ist wohl mehr Eifer für des Königs Dienst bewiesen, eine Unternehmung vollständiger ausgeführt worden. Der Feind ließ eine Anzahl Tote auf dem Platz; allein wegen Dunkelheit der Nacht und anderer Umstände, bin ich nicht im Stande, Ihnen die genaue Zahl und ihren persönlichen Charakter anzuzeigen. Ein Unterlieutenant der Grenadiers, welcher Hauptmanns-Rang hat, sieben Soldaten von der wallonischen Garde und ein Offizier, wie auch drei Artilleristen, sind in unsere Gefangenschaft geraten. Mit außerordentlichem Vergnügen kann ich Ihnen, Mylord, berichten, dass unser Verlust gar nicht beträchtlich ist.“
Straße von Gibraltar. Kolorierter Kupferstich von Hendrik Lynslager. Amsterdam 1735.
Am 24sten März 1782 ließ der General Eliot Das Epaulément der Carls-Batterie durch eine Carcasse in Brand bringen, und die Belagerer konnten erst nach 11 Stunden, und mit genauer Noth das Feuer löschen. Im Jun. litt Herr Elliot einen unersetzlichen Verlust durch den Tod des Ritters Grimms, seines ersten Ingenieurs. Nachdem der Herzog von Crillon mit dem Verstärkungs-Corps am 19ten Junius im Lager von St. Rock ankam; so wurden sogleich auf Seiten der Feinde die fürchterlichsten Anstalten gemacht, und jedermann glaubte, dass sich Gibraltar gegen dieselbe und eine so starke Armee nun nicht lange mehr halten könnte; allein unser herkulische Held vereitelte den schönsten Plan der Feinde durch seine vortrefflichen Gegenanstalten, und durch den im Jul. erhaltenen Succurs von1200 Mann deutscher Truppen. Er ließ nicht nur sogleich Kanonier-Schaluppen bauen, um sich derselben gegen die von den Belagerern zu gebrauchen, sondern auch neue Kasematten mit unglaublicher Mühe in die Felsen machen. Am 27sten Jul. feierten die Spanier den St. Jacobs-Tag mit Abfeuerung der Kanonen von allen ihren Batterien auf das feierlichste. Herr Elliot blieb kein müßiger Zuschauer dabei er hielt es für Pflicht dieses Fest mit zu feiern. Er ließ gleichfalls feine Batterien mit spielen, und schickte, dem heiligen Jacobus zu Ehren, viele Spanier in die andere Welt. Und da bei der Ankunft des Grafen von Artois und des Herzogs von Bourbon die Belagerer ihren Eifer verdoppelten, um Gibraltar zu erobern: so entflammte dieses den Muth Much des Gouverneurs nur desto mehr, um alle Entwürfe der Feinde zu vernichten. Er ließ nicht nur am 20sten August die neuen Werke durch eine Carcasse sondern auch am 21sten die Batterie von St. Martin in Brand schießen, und schickte während dieser zwei Tage denen Belagerern über 5000 Kugeln zu. Das Feuer aus der Festung mit Carcassen, glühenden Kugeln und Bomben, steckte in der Nacht am 8ten Sept. die alte Parallele an einigen Orten, und am 9ten die Batterie von Mahon in Brand. Der Verlust der Feinde war hiebei beträchtlich, weil sie beim Löschen des Brandes dem heftigsten und wohleingerichteten Feuer der Belagerten bloß gestellt waren. Am 10ten wurden 16 feindliche Kanonier-Bote durch das wohleingerichtete Feuer der Festung zum Weichen gebracht, und zum Theil stark beschädiget.
Die Zerstörung der schwimmenden Batterien war das letzte, aber auch zugleich das größte Meisterstück der kriegeririschen Unternehmungen unsers Helden. Den 13ten Sept. Morgens um 8 Uhr fingen die schwimmenden Batterien unter Don Moreno sich der Festung zu nähern an, wo zu ihrem Empfange alles in Bereitschaft war. Um 10 Uhr stellte sich die Pastora unter Don Moreno ungefähr 1000 Yards von dem Königs Bollwerk, und fing zu feuern an, welches die übrigen neune gleichfalls taten, nachdem sie nord- und südwärts der Pastora nicht weit voneinander gestellt, und auf die ihnen angewiesenen Stellen auf eine meisterhafte Art fest gemacht worden. Die Batterien der Festung fingen, sobald der Feind vor sie kam, zu schießen an, und das Feuer war aus beiden Seiten sehr heftig. Die glühenden Kugeln wurden aus der Festung mit solcher Richtigkeit geschossen, dass man Nachmittags schon den Rauch aus dem Oberteile der Pastora und noch zwei andern schwimmenden Batterien aufsteigen sahe. Der Feind suchte den Brand zu löschen, indem er mit Spritzen Wasser in die Löcher spritzen ließ; allein seine Bemühung war vergeblich; denn um 1 Uhr in der Nacht stunden vorgedachte drey Batterien und noch verschiedene andere obgleich noch nicht völlig, in Flammen. Sie ließen zum Zeichen der Noth, in welcher sie sich befanden, Raketen in die Höhe steigen. Die feindliche Flotte beantwortete zwar die Signale; da sie aber die Batterien selbst nicht von der Stelle schaffen konnte; so bemühete sie sich, die Mannschaft zu retten; allein hieran wurden sie durch die 12 Kanonier-Boote, jedes mit 24- und 18Pfündern besetzt, und von dem Capitaine Curtis kommandieret, verhindert. Diese machten ein eben so nachdrückliches Feuer, als die Festung, auf die Batterien und Boote. Letztere wurden dadurch abgehalten, sich zu nähern, und mussten die Batterien, nebst der darauf befindlichen Mannschaft, den Flammen und der Willkür der Belagerten überlassen. Mit Tages Anbruch sahe man zwei auf der Flucht befindliche Feluken die sich aber ergaben, nachdem auf der einen durch einen Stückschuss 5 Mann getötet worden. Man kann sich den grausenmachenden Anblick nicht schrecklich genug vorstellen, da eine Menge von Menschen theils auf Holzstücken auf dem Wasser schwimmend teils aus den vom Feuer noch nicht ergriffenen Theilen der schwimmenden Batterien, mitten aus den Flammen durch Schreien und Gebärden um Hülfe fleheten. So sehr auch die Bemüheten diese Unglücklichen zu retten, dadurch auf Seiten der Belagerten gefährlich gemacht wurden, dass die Kugeln der glühend gewordenen Kanonen und die Stücken Holz von den auffliegenden Batterien auf sie zukamen; so sehr hielten sie es dennoch für Pflicht, den Feind aus seiner betrübten Lage zu reißen; und der brave Capitain Curtis zeigte sich bei dieser Gelegenheit als ein wahrer Menschenfreund. Er rettete mit eigener und seiner Leute Lebens Gefahr 13 Offiziers und 344 Gemeine.
Vorrede welche die eigentliche Geschichte der Belagerung Gibraltars und den Plan des Gedichts erzählet.
Fünfter Abschnitt.
Gibraltar und die karibischen Inseln ein
Heldengedicht. Erstes Buch in zwölf Gesängen. Von Christian Ludolph Reinhold.
London und Paris 1785. S. 7-13.
Was am brennbarsten war, hatte ich klüglich unten hingelegt, und so war nun in einem Augenblicke alles eine lichterlohe Flamme. Um allem Verdacht zu entgehen, war ich einer der ersten der Lärmen machte. Das ganze Lager geriet, wie Sie sich vorstellen können, in das schrecklichste Erstaunen, und der allgemeine Schluss war, dass die Schildwachen bestochen, und sieben oder acht Regimenter aus der Festung zu dieser gräulichen Zerstörung ihrer Artillerie gebraucht worden wären. Herr Drinkwater erwähnt in seiner Geschichte dieser berühmten Belagerung eines großen Verlustes den die Feinde durch einen im Lager entstandenen Brand erlitten hätten, weiß aber im geringsten nicht die Ursache desselben anzugeben. Und das konnte er auch nicht; denn ich entdeckte die Sache noch keinem Menschen (obgleich ich allein durch die Arbeit dieser Nacht Gibraltar rettete) selbst dem General Elliot nicht. Der Graf von Artois lief nebst allen seinen Leuten im ersten Schrecken davon; und ohne einmal stille zu halten, liefen sie ungefähr vierzehn Tage in einem fort, bis sie Paris erreichten. Auch machte die Angst, die sich ihrer bei diesem fürchterlichen Brande bemächtigt hatte, dass sie drei Monate nicht imstande waren die geringste Erfrischung|[116] zu genießen, sondern Chamäleon-mäßig bloß von der Luft lebten. |
Herr Drinkwater: Oberst John Drinkwater Bethune (1762–1844) war ein englischer Offizier, Administrator und Militärhistoriker, bekannt für seinen Bericht über die große Belagerung von Gibraltar. Im Alter von fünfzehn Jahren trat er als Fähnrich dem 72. Regiment of Foot (Royal Manchester Volunteers) bei und wurde fast sofort nach Gibraltar versetzt. Während der Belagerung von Juni 1779 bis Februar 1783 zeichnete er die Ereignisse sorgfältig auf. 1785 veröffentlichte er seinen berühmten Bericht, eine Geschichte der Belagerung von Gibraltar mit einer Beschreibung der Garnison.
A ΗΙSΤΟRY OF THE LATE SIEGE of GIBRALTAR. WITH A DESCRIPTION and ACCOUNT of that GARRISON, FROM THE EARLIEST PERIODS. BY JOHN DRINK WAT E R, CAPTAIN OF THE LATE SEVENTY- ECOND REGIMENT , OR ROYAL MANCHESTER VOLUNTEERS. LONDON 1785.
„Selbst wenn die ‚Dimensionen‘ in beiden Berichten sehr unterschiedlich
ausfallen, ist der Tonfall ähnlich: Mitleid mit Kriegsopfern ist nicht
festzustellen. Die Fragwürdigkeit des Unterhaltungswertes derartiger
‚Anekdoten‘ zeigt sich auch dahingehend, wenn Drinkwater auf das Sammeln von
‚Erinnerungsstücken‘ verweist: ‚A splinter of the shell which was so fatal
amongst Mr. Israels family is now exhibited, as a curiosity worthy of notice,
in Sir Ashton Lever's valuable museum, where this affecting story is also
related.‘ (Drinkwater, p. 159f.) Auch Münchhausen deponiert z.B. die
Schleuder, mit deren Hilfe er auf spektakuläre Weise zwei englische
Offiziere befreit, angeblich in einem ‚Familienarchiv, wo sie nebst mehreren
wichtigen Altertümern zu ewigem Andenken aufbewahret wird.‘ Wenn Drinkwater
solche wagemutigen Rettungsaktionen als ‚actions of gallantry‘ (Drinkwater,
p. 212) bezeichnet, dann legt Münchhausen diesbezüglich zudem einen
deutlichen Hang zur Prahlerei an den Tag, etwa wenn er sich nachträglich für
einen mysteriösen Brand im feindlichen Lager verantwortlich erklärt. Hier
füllt er – ähnlich wie bei Phipps – eine ‚Leerstelle‘ in Drinkwaters
Bericht. Chamäleon-mäßig: Der Legende nach ernährt sich das Chamäleon von Wasser. |
Panoramablick auf den massiven Angriff auf die Festung Gibraltar durch Land- und Marineartillerie. Belagerung von Gibraltar, Kupferstich von Johann Martin Will, 1782.
Etwa zwei Monate, nachdem ich den Belagerten diesen Dienst getan hatte, saß ich eines Morgens mit dem General Elliot beim Frühstücke, als auf einmal eine Bombe (denn ich hatte nicht Zeit, ihre Mörser ihren Kanonen nachzuschicken) in das Zimmer flog und auf den Tisch niederfiel. Der General, wie fast jeder getan haben würde, verließ das Zimmer augenblicklich, ich aber nahm die Bombe ehe sie sprang, und trug sie auf die Spitze des Felsen. Von hier aus sahe ich auf einem Hügel der Seeküste, unweit des feindlichen Lagers eine ziemliche Menge Leute, konnte aber mit bloßen Augen nicht entdecken was sie vorhatten. Ich nahm also mein Teleskop zu Hülfe, und fand nun, dass zwei von unseren Offizieren, einer ein General, und der andere ein Oberster, die noch den vorigen Abend mit mir zugebracht, und sich um Mitternacht als Spione in das spanische Lager geschlichen hatten, dem Feinde in die Hände gefallen waren, und eben gehängt werden sollten. Die Entfernung war zu groß, als dass ich die Bombe aus freier Hand hätte hinwerfen können.|[117] |
eine Bombe: Die ersten mit einer Sprengladung gefüllten Hohlgeschosse der Artillerie tauchten vereinzelt im 14. Jahrhundert auf. Die Entwicklung der Granate begann in Europa Anfang des 16. Jahrhunderts, als neben den massiven Stein- und Eisenkugeln als Bomben bezeichnete Hohlgeschosse aufkamen. Sie waren mit Schwarzpulver gefüllt, mit Schwammzünder oder Zündschnur versehen und wurden aus Steilfeuergeschützen (Haubitzen oder Mörser) verschossen. Im 18. Jahrhundert verwendete man anstelle der unzuverlässigen Schwamm- und Luntenzünder Säulen- bzw. Ringzünder. Sie waren mit einem Pulversatz versehen, der beim Abfeuern von der Treibladung in Brand gesetzt wurde und nach einer bestimmten Zeit das Geschoss zerlegte. Mörser: ein Steilfeuergeschütz mit kurzem Rohr. Mörser waren in erster Linie Waffen des Festungskrieges. Sie hatten die Aufgabe, eine feindliche Befestigung sturmreif zu schießen. Mörser waren Teil der Festungs- oder Fußartillerie, mitunter auch der Pioniertruppe. „Leichte“ Mörser bekämpften gegnerische Soldaten und vertrieben sie durch ihr Feuer aus bestimmten Verteidigungsstellungen. Umgekehrt verwendete sie der Verteidiger, um Feuerstellungen und Ansammlungen des Angreifers im unmittelbaren Vorfeld zu bekämpfen. „Schwere“ Mörser sollten Befestigungswerke, Deckungen und Hindernisse zerstören.
Karte der Bucht von Gibraltar und des Angriffs durch Plattformen und Kriegsschiffe. Kupferstich nach 1782 |
Panorama des Marineangriffs auf das befestigte Gibraltar durch französische und spanische Kriegsschiffe, kolorierter Kupferstich, nach 1782.
Glücklicherweise fiel mir bei, dass ich die Schleuder in der Tasche hatte, die David weiland so vorteilhaft gegen den Riesen Goliath gebrauchte. Ich legte meine Bombe hinein, und schleuderte sie sogleich mitten in den Kreis. So wie sie niederfiel, sprang sie auch und tötete alle Umstehenden, ausgenommen die beiden englischen Offiziere, die zu ihrem Glücke gerade in die Höhe gezogen waren. Ein Stück der Bombe flog indessen gegen den Fuß des Galgens, der dadurch sogleich umfiel. Unsere beiden Freunde fühlten kaum terra firma, als sie sich nach dem Grunde dieser unerwarteten Katastrophe umsahen, und da sie fanden, dass Wache, Henker und alles den Einfall gekriegt hatte, zuerst zu sterben, so machten sie einander von ihren unbehaglichen Stricken los, liefen nach dem Seeufer, sprangen in ein spanisches Boot, und nötigten die beiden Leute, die darin waren, sie nach einem unserer Schiffe zu rudern. Wenige Minuten nachher, da ich gerade dem General Elliot die Sache erzählte, kamen sie glücklich an, und nach gegenseitigen Erklärungen und Glückwünschen, feierten wir diesen merkwürdigen Tag auf die froheste Art von der Welt.|[118] |
Schleuder:
Die Schleuder ist eine Fernwaffe, die von der Urgeschichte bis ins
Hochmittelalter weit verbreitet war. Sie besteht in ihrer einfachsten Form
aus einem langen Streifen Leder oder Stoff, der in der Mitte eine kleine
Ausbuchtung für das Geschoss aufweist. Der Schleuderer nimmt beide Enden der
Schleuder in die Hand, legt ein Geschoss in die Ausbuchtung, schwingt die
Schleuder, bis sie eine ausreichend hohe Geschwindigkeit erreicht hat, lässt
dann das eine Ende los, und das Geschoss fliegt aus der Schleuder. David: Goliath: In Anlehnung an den biblischen Bericht werden sehr große Menschen oder Dinge als Goliat bezeichnet. Treten irgendwo zwei sehr ungleiche Gegner gegeneinander an, so spricht man häufig von einem Kampf „David gegen Goliat“.
Der Holzschnitt aus der Luither-Bibel von 1544 (S. 165v) zeigt die biblische Szene David gegen Goliath. nach einem unserer Schiffe zu rudern: Die Admiralität von Großbritannien entsandte eine Flotte von 35 Linienschiffen unter dem Kommando von Admiral Richard Howes mit einem großen Konvoi von Transporten, die am 11. Oktober 1782 in den Hafen von Gibraltar einliefen. Flaggschiff war die MS Vitoria mit 100 Kanonen an Bord. |
Das sich nun der Philister aufmachte, ging daher, und näherte sich gegen David, eilete sich David und lieff von zeug gegen den Philister. Und David thät seine hand in die taschen, und nahm einen stein daraus, und schleuderte und traff den Philister an seine stirn, daß der stein in seine stirn fuhr, und er zur erden fiel auf sein angesicht. Also überwandt David den Philister mit der schleuder, und mit dem stein, und schlug ihn, und tödtete ihn.
1. Sam. 17,48–51
Es ist nicht ohne Belang, wie Münchhausen seine
eigene Herkunft in die Mythen des Alten Testaments einklinkt: er erklärt sich
nämlich zum Nachkommen des Sohnes, den David, König der Israeliten, im Ehebruch
mit Bath-Seba, der schönen Frau des Uria (den er gleich darauf in den Kriegstod
schickte), gezeugt hatte. Die Geschichte (die übrigens, wie Luther übersetzt
hat, dem ›Herrn‹ – Gott! – ›übel gefiel‹) ist im 2. Buch Samuel (im 11. Kapitel)
nachzulesen – in der europäischen Kultur (auch: der Volkskultur!) spielte sie
späterhin eine prominente Rolle, weil das voyeuristische Motiv des lüsternen
Davids, der die nackte Bath-Seba im Bade beobachtet, wenigstens seit der
Barockzeit ein überaus beliebtes Bildmotiv war, das, als eine der biblischen
Geschichten ›getarnt‹, auch in populäre Bilderbogenfolgen eingehen und dort die
moralische Botschaft etwa von Ehestandspredigten anschaulich (und prickelnd
unterhaltsam) machen konnte. Auch der Anlass für den Streit der Eheleute David
und BathSeba ist keineswegs so nebensächlich, wie es zunächst den Anschein haben
mag: der mögliche Landungsort der Arche Noah hatte nicht nur Bedeutung für die
frühe kritische Bibelforschung, sondern auch für die geologische Debatte über
die Entstehung der Alpen (für die sich ja auch Rudolf Erich Raspe lebhaft
interessierte); so gaben Funde von Eisen- oder Holzteilen auf hohen Berggipfeln,
die frühe anonyme Ersteiger zum Zeichen ihres Dagewesen-Seins hinterlassen
hatten, den Späteren Anlass zur Vermutung, Reste der gestrandeten Arche Noah
gefunden zu haben. (Siehe Martin Scharfe: Berg-Sucht. Eine Kulturgeschichte des
frühen Alpinismus 1750–1850. Wien, Köln, Weimar 2007, S. 253 und 344, Anm. 295.)
Die Expedition Friedrich Parrots auf den kaukasischen Ararat im Jahre 1829 fand
wohl nicht zuletzt deshalb so große Beachtung, weil sie auf keine Überreste der
Arche gestoßen war und damit einem alten Mythos den Todesstoß versetzte. Die
kleine Infamie der Münchhausenschen Großtaten mit der Schleuder liegt also vor
allem darin, dass die mythische Großtat, mit der der jugend lich-forsche
Hirtenknabe David den unbesiegbar scheinenden, hochgerüsteten Riesen erlegt
hatte, nun in lügenhaft-lächerliche Münchhausen-Taten verbiedert wurde.
Scharfe 2020, S. 69f.
Richard Paton: HMS Victoria fährt in Gibraltar ein., 11. Oktober 1782. Öl auf Leinwand. National Maritime Museum, London.
Sie wünschen alle, meine Herren, ich sehe es Ihnen an den Augen an, zu hören, wie ich an einen so großen Schatz, als die gedachte Schleuder war, gekommen sei. Wohl! die Sache hängt so zusammen. Ich stamme, müssen Sie wissen, von der Frau des Urias ab, mit der David bekanntlich in sehr enger Verbindung lebte. Mit der Zeit aber – wie dies manchmal der Fall ist – wurden Seine Majestät merklich kälter gegen die Gräfin, denn dazu wurde sie im ersten Vierteljahre nach ihres Mannes Tod gemacht. Sie zankten sich einmal über einen sehr wichtigen Punkt, nämlich über den Fleck, wo Noahs Arche gebaut wurde, und wo sie nach der Sündflut stehen blieb. Mein Stammvater wollte für einen großen Altertumskundigen gelten, und die Gräfin war Präsidentin einer historischen Sozietät. Dabei hatte er die Schwäche mehrerer großen Herren und fast aller kleinen Leute, er konnte keinen Widerspruch ertragen; und sie hatte den Fehler ihres Geschlechts, sie wollte in allen Dingen recht behalten; kurz, es erfolgte eine Trennung. Sie hatte ihn oft von jener Schleuder als einem sehr großen Schatze sprechen hören, und fand für gut, sie, zum Andenken wahrscheinlich, mitzunehmen. Ehe|[119] sie aber noch aus seinen Staaten war, wurde die Schleuder vermisst, und nicht weniger als sechs Mann von der Leibwache des Königs setzten ihr nach. Sie bediente sich indes des mitgenommenen Instruments so gut, dass sie einen ihrer Verfolger, der sich durch seinen Diensteifer vielleicht heben wollte, und daher etwas vor den andern voraus war, gerade auf den Fleck traf, wo Goliath seine tödliche Quetschung gekriegt hatte. Als seine Gefährten ihn tot zur Erde stürzen sahen, hielten sie es nach langer weiser Überlegung für das Beste diesen neu eingetretenen Umstand fürs erste gehörigen Ortes zu melden, und die Gräfin hielt es für das Beste, mit untergelegten Pferden ihre Reise nach Ägypten fortzusetzen, wo sie sehr angesehene Freunde am Hofe hatte. – Ich hätte Ihnen vorher schon sagen sollen, dass sie von mehreren Kindern, die Seine Majestät mit ihr zu zeugen geruhet hatten, bei ihrer Entfernung einen Sohn, der ihr Liebling war, mit sich nahm. Da diesem das fruchtbare Ägypten noch einige Geschwister gab, so vermachte sie ihm durch einen besondern Artikel ihres Testamentes die berühmte Schleuder; und von ihm kam sie in meist gerader Linie endlich auf mich.|[120] Einer ihrer Besitzer mein Ururgroßvater, der vor ungefähr zweihundert und funfzig Jahren lebte, wurde bei einem Besuche den er in England machte, mit einem Dichter bekannt, der zwar nichts weniger als Plagiarius, aber ein desto größerer Wilddieb war, und Shakespear hieß. Dieser Dichter, in dessen Schriften jetzt, zur Wiedervergeltung vielleicht, von Engländern und Deutschen abscheulich gewilddiebt wird, borgte manchmal diese Schleuder und tötete damit so viel von Sir Thomas Lucyʼs Wildbret, dass er mit genauer Not dem Schicksale meiner zwei Freunde zu Gibraltar entging. Der arme Mann wurde ins Gefängnis geworfen, und mein Ältervater bewirkte seine Freiheit auf eine ganz besondere Art. Die Königin Elisabeth die damals regierte, wurde, wie Sie wissen, in ihren letzten Jahren ihrer selbst überdrüssig. Ankleiden, Auskleiden, Essen, Trinken, und manches andere, was ich nicht zu nennen brauche, machten ihr das Leben zur unerträglichen Last. Mein Ältervater setzte sie in den Stand, alles dies nach ihrer Willkür, ohne oder durch einen Stellvertreter zu tun. Und was meinen Sie, dass er für dieses ganz unvergleichliche Meisterstück magischer Kunst sich ausbat? – Shakespears|[121] Freiheit. – Weiter konnte ihm die Königin nicht das geringste aufdringen. Die ehrliche Haut hatte diesen großen Dichter so liebgewonnen, dass er gern von der Anzahl seiner Tage etwas abgegeben hätte, um das Leben seines Freundes zu verlängern. Übrigens kann ich Ihnen, meine Herren, versichern, dass die Methode der Königin Elisabeth, gänzlich ohne Nahrung zu leben, so originell sie auch war, bei ihren Untertanen sehr wenig Beifall gefunden hat, am wenigsten bei den beef-eaters*). wie man sie gewöhnlich noch heutiges Tages nennt. Sie überlebte aber selbst ihre neue Sitte nicht über achthalb Jahr. *) Rindfleisch-esser. Ein Name der – nicht selten von solchen die gerne Rindfleisch äßen, und aus ökonomischen Gründen nicht dürfen – der königlichen Garde gegeben wird.] |
Quelle: Rudolf Erich Raspe: Gulliver revived, London 1786: Frau des Urias: Nach der biblischen Erzählung in 2 Sam 11 EU war Batseba die Frau des Hethiters Urija. Ihr Vater hieß Eliam, ihr Großvater Ahitofel (2 Sam 11,3; 23,34; Mt 1,6). Während ihr Mann, einer der höchsten Offiziere des Königs David und Mitglied einer Spezialeinheit desselben (2 Sam 23,23.39), fern von seinem Hause – während eines Feldzugs gegen die Ammoniter – mit dem israelitischen Heer vor dem belagerten Rabba lag, sah König David Batseba beim Baden und ließ sie zu sich holen, um mit ihr außerehelich zu verkehren. Als David danach erfuhr, dass Batseba von ihm schwanger geworden war, ließ er Urija nach Jerusalem zurückkehren in der Hoffnung, dieser würde mit Batseba ehelich verkehren und das Kind später als sein eigenes anerkennen. Urija weigerte sich jedoch, das eigene Haus zu betreten und bei seiner Frau zu schlafen, solange die Kriegshandlungen noch andauerten und den anderen Soldaten ein solches Vorrecht verwehrt sei.
Daraufhin beauftragte David seinen Hauptmann
und Heerführer Joab über einen durch Urija selbst überbrachten Brief, Urija
im Kampf hinterlistig sterben zu lassen. Darauf bezieht sich der
sprichwörtlich gewordene Uriasbrief. Nach dem kalkulierten Tod des Ehemanns
und der darauffolgenden Trauerzeit wurde Batseba die achte Frau Davids.
Pietro Liberi: Bathseba im Bade. Öl auf Leinwand; erworben 1753 durch Wilhelm VIII. von Johann Ehrenreich, Frankfurt. Gemäldegalerie Alter Meister m Schloss Wilhelmshöhe, Kassel Fleck, wo Noahs Arche gebaut wurde: der folgende Absatz ist eine Hinzufügung von Bürger, der damit eine Parodie auf die zeitgenössischen Diskussionen zwischen Natur- und Bibelwissenschaft.
Die Arche Noah war nach dem biblischen Buch
Genesis, Kapitel 6–9, ein von dem Patriarchen Noah gebauter schwimmfähiger
Kasten. Noah wurde laut der biblischen Erzählung von Gott erwählt und vor
einer großen Flut gewarnt. Er erhielt den Auftrag, eine Arche zu bauen, um
damit sich und seine Familie, bestehend aus acht Personen, und die Landtiere
vor der Flut zu retten. Zum Bau der Arche erhielt er genaue Angaben (Gen
6,14–16 EU). Am Ende der Sintflut lief sie im „Gebirge Ararat“ auf Grund
(Gen 8,4 EU). Im 17. Jahrhundert wurde es notwendig, die wörtliche Interpretation mit der Besiedlung und Erkundung Amerikas zu vereinen; die neu entdeckten Tierarten Asiens und Afrikas mussten ebenfalls ins Gedankengebäude der Naturalisten und Bibelausleger integriert werden. Da es nur eine Arche gab, die demgemäß nur an einem Ort stranden konnte, musste nach der Sintflut die gesamte Tierwelt von einem Punkt aus die Erde wiederbesiedelt haben. Die offensichtliche Erklärung war: Nach der Zerstörung des Turmes von Babel nahm jedes Volk „seine“ Tiere in seine neue Heimat mit. Aber eine Konsequenz dieser Antwort war eigenartig: „Weshalb nahmen denn die Eingeborenen Nordamerikas Klapperschlangen mit, und keine Pferde?“ wunderte sich Sir Thomas Browne 1646. „Im Kreuzfeuer der Aufklärung standen dann die historischen Unwahrscheinlichkeiten des erzählten Geschehens der Sintflut. Johann Samuel Reimarus, Hamburger Orientalist, der von Lessing unterstützt und im sog. „Fragmentenstreit“ anonym publiziert wurde, listete minutiös die technischen Schwierigkeiten und Absurditäten des Unternehmens Sintflut auf und der Aufklärer Voltaire ergoss seinen Spott über so viel „Wunderbares“:
Wo kommt das Wasser her, das weltweit noch
15 Ellen über die höchsten Berge gereicht haben soll. Und wo geht es nach
der Sintflut wieder hin? Wie war es möglich, dass Tiere aller Arten und aus
allen Weltteilen zu Noah kommen konnten und in seinem Schiff Platz fanden?
(30 Millionen Arten?) Womit hat Noah diese ungeheure Menge über 300 Tage
lang gefüttert? Wie können Tiere diese Tortur überleben? Was macht der Löwe
mit dem Lamm? Was fraßen die Tiere, als sie aus der Arche kamen. Müssen
Tiere nicht aussterben, wenn von jeder Art nur ein Paar überlebt? Wieso
rechnet die Bibel damit, dass das Gebirge Ararat und nicht der Himalaja das
höchste Gebirge der Welt ist? Dies waren Fragen, die jetzt auf die
Tagesordnung kamen.“
Schließlich nahm Raspe selber an der
Diskussion teil, in der nach dem Beginn der Zeit gefragt wurde. „Seine
Forschungen zur Basaltgenese veranlassten ihn, es für möglich zu halten,
dass man noch weiter zurückdenken kann.“ Sündflut: Die Sintflut wird in den mythologischen Erzählungen verschiedener antiker Kulturen als eine gottgesandte Flutkatastrophe beschrieben, die die Vernichtung der gesamten Menschheit und der Landtiere zum Ziel hatte. Einzig wenige besonders gottesfürchtige Personen entkamen der Katastrophe. Als Gründe für die Sintflut nennen die Sintflut-Erzählungen meist den Zorn Gottes oder der Götter über die Verfehlungen der Menschheit. Der bekannteste Bericht über Noah sowie seine Familie ist im 1. Buch Mose der Bibel überliefert.
Das deutsche Wort „Sintflut“ ging aus
mittelhochdeutsch sin(t)vluot, althochdeutsch sin(t)fluot hervor, das so
viel wie „umfassende Überschwemmung“ bedeutet. Es hat also nichts mit dem
Wort „Sünde“ zu tun. Die germanische Vorsilbe sin- bedeutet „immerwährend,
andauernd, umfassend, groß“ und wurde seit dem 13. Jahrhundert
volksetymologisch zu „Sünd-“ umgedeutet. So wurde die Schreibweise „Sündflut(h)“
in einer Reihe von Publikationen bis ins 19. Jahrhundert verwendet. Präsidentin einer historiscen Sozietät: In Deutschland beschäftigten sich einige Frauen mit empirischen Wissenschaften, insbesondere mit der Astronomie; zwischen 1650 und 1710 waren 14% der deutschen Astronomen Frauen. Die bekannteste war Maria Winkelmann . Sie wurde von ihrem Vater und Onkel in Astronomie ausgebildet. Ihre Chance, praktizierende Astronomin zu werden, kam, als sie Gottfried Kirch, Preußens führenden Astronomen, heiratete . Sie wurde seine Assistentin am astronomischen Observatorium der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Sie leistete originelle Beiträge, einschließlich der Entdeckung eines Kometen. Als ihr Mann starb, bewarb sich Winkelmann um eine Stelle als Assistenzastronomin an der Berliner Akademie - für die sie Erfahrung hatte. Als Frau - ohne Universitätsabschluss - wurde ihr die Stelle verweigert. mit untergelegten Pferden: mit in gewissen Entfernungen in Bereitschaft gehaltenen frischen Pferden Plagiarius: lat. Dieb Shakespear: William Shakespeare (1564-1616) war ein englischer Dramatiker, Lyriker und Schauspieler. Seine Komödien und Tragödien gehören zu den bedeutendsten Bühnenstücken der Weltliteratur.
Der Porträt-Stich Shakespeares von Martin Droeshout auf dem Titel des „First Folio“ (1623) von Engländern und Deutschen abscheulich gewilddiebt wird: Im 18. Jahrhundert wurde das Werk Shakespeares in Groß-Britannien positiv rezipiert, und es erschienen eine Reihe wissenschaftlicher Ausgaben seiner Dramen, die zu seinem wachsenden Ruf beitrugen. Von großer Bedeutung war Shakespeare für die Literaturtheorie der deutschen Aufklärung bei Gotthold Ephraim Lessing (im 17. Literaturbrief 1759), für die Dramatiker des Sturm und Drang. Sir Thomas Lucyʼs Wildbret: Thomas Lucy (1532-1600) war ein englischer Friedensrichter und High Sheriff, der wegen seiner Verbindungen zu William Shakespeare bekannt ist.
Thomas Lucy erbte nach dem Tod seines Vaters
William Lucy 1552 sowohl das Dorf Charlecote, den Sitz der Familie, als auch
die Dörfer Sherborne und Hampton Lucy in Warwickshire bei
Stratford-upon-Avon, dem Geburtsort Shakespeares. Um 1558 ließ er den
Familiensitz als das erste der großen elisabethanischen Landhäuser neu
erbauen. Er wurde 1565 er zum Ritter erhoben und konnte 1573 Königin
Elisabeth I. als Gastgeber auf Charlecote begrüßen. Er legte großen Wert auf
Reichtum, beschäftigte vierzig Bedienstete und war angeblich bis hin zur
Bosheit um den Schutz seiner Ländereien und des darauf lebenden Wilds
besorgt. In der Biographia Britannica (1763) wird folgende Anekdote berichtet: „Als er in die Gesellschaft von Leuten geriet, die Wilddieberei betrieben, wilderte er mit ihnen auch im Park von Sir Thomas Lucy in Cherlcot bei Stratford. Diese wiederholten Rechtsverletzungen provozierten diesen derart, dass er Anklage gegen die Delinquenten erhob. Aus Rache machte ihn Shakespeare zum Gegenstand einer polemischen Ballade. Wegen dieser Provokation wurde es für den Verfasser zu gefährlich, länger im Land zu bleiben. Man erzählt, dass er seiner Freilassung nur der Königin verdanke. Um dem Zugriff des Gesetzes zu entkommen, floh er nach London, wo er sich, wie man es von einem Mann mit Witz und Humor unter seinen Umständen erwarten konnte, unter die Schauspieler begab.“ Übertragung: G. E. Dieser Artikel über Shakespeare war die Quelle von Raspe. Königin Elisabeth: Elizabeth I, eigentlich Elizabeth Tudor, auch bekannt unter den Namen The Virgin Queen, The Maiden Queen (1533-1603), war vom 17. November 1558 bis an ihr Lebensende Königin von England. Ihre Regierungszeit wird als Elisabethanisches Zeitalter bezeichnet. In jener Zeit erhielt die Anglikanische Kirche ihre endgültige Ausprägung, es entstanden zahlreiche künstlerische Werke von Dramatikern wie William Shakespeare, Christopher Marlowe oder Ben Jonson, Lyrik mit Sonetten und Liedgedichten.
Anfang März 1603, drei Wochen vor ihrem Tod, erkrankt die Königin,
verweigert jede Medizin und hört auf zu essen. Sie lehnt ab, ins Bett zu
gehen, verbringt drei Wochen sitzend und auf Kissen gebettet, bis die ihren
Geist aushaucht.
Portrait Elizabeth I., um 1610 was ich nicht zu nennen brauche: Sir John Harrington, ein Patensohn von Königin Elizabeth I., entwarf beim Bau eines Hauses eine Toilette mit Wasserspülung, die er Ajax nannte. Die Königin war so beeindruckt, dass sie sich ein Wasserklosett bestellte, das eine Pfanne mit einer Öffnung am Boden hatte, die mit einem Ventil mit Lederbeschichtung verschlossen war. Ein System von Griffen, Hebeln und Gewichten goss Wasser aus einer Zisterne ein und öffnete das Ventil. Trotz der Begeisterung der Königin für die neue Erfindung wurde erst fast 200 Jahre später, im Jahre 1775, von Alexander Cummings in London ein Spülwasser-Klosett patentiert. beef-eaters: Die Yeoman Warders, of Her Majesty's Royal Palace and Fortress the Tower of London, umgangssprachlich abwertend Beefeaters, seit der Tudorzeit die Leibwache der Könige und Ordnungstruppe im Tower. königlichen Garde: Die Queen's Guard und die Queen's Life Guard (genannt King's Guard und King's Life Guard, wenn der regierende Monarch männlich ist) sind die Namen von Kontingenten von Infanterie- und Kavalleriesoldaten, die mit der Bewachung der offiziellen königlichen Residenzen im Vereinigten Königreich beauftragt sind. |
“Whilst Time is unveiling, Science is exploring Nature.” Ticket for the Leverian Museum in London, England, printed in brown ink. “To ___, Mr Parkinson takes the Liberty of inclosing this Ticket, and respectfully solicits the Honor of ___ Patronage.” Kupferstich, Ende des 18. Jhds, The Bodleian Libraries, Oxford.
A Prospect of the town and Harbour of Harwich. Kolorierter Kupferstivh, 1750.
Jacob Matham nach Bartholomaeus Spranger: Der Triumph von Neptun und Thetis; Kupferstich um 1614.
Das Seesperd als Fabeltier in Conrad Gessners Tierbuch von 1558. Conradi Gesneri medici Tigurini Historiae Animalium Liber IIII. Qui est de Riscium & Aquatilium natura. […] [Zürich]. Tiguri apud Christ. Froschoverum, anno M. D. LVIII [1558].
Mein Vater, von dem ich diese Schleuder kurz vor meiner Reise nach Gibraltar geerbt habe, erzählte mir folgende merkwürdige Anekdote, die auch seine Freunde öfters von ihm gehört haben, und an deren Wahrheit niemand zweifeln wird, der den ehrlichen Alten gekannt hat. „Ich hielt mich, sagte er, bei meinen Reisen geraume Zeit in Eng|[122]land auf und ging einstens an dem Ufer der See unweit Harwich spazieren. Plötzlich kam ein grimmiges Seepferd in äußerster Wut auf mich los. Ich hatte nichts als die Schleuder bei mir, mit der ich dem Tier so geschickt zwei Kieselsteine gegen den Kopf warf, dass ich mit jedem ein Auge des Ungeheuers einschlug. Darauf stieg ich auf seinen Rücken, und trieb es in die See; denn in demselben Augenblick, in dem es sein Gesicht verlor, verlor es auch seine Wildheit, und wurde so zahm als möglich. Meine Schleuder legte ich ihm statt des Zaumes in den Mund, und ritt es nun mit der größten Leichtigkeit durch den Ozean hin. In weniger als drei Stunden kamen wir beide an dem entgegengesetzten Ufer an, welches doch immer eine Strecke von ungefähr dreißig Seemeilen ist. Zu Helvoetsluys verkaufte ich es für siebenhundert Dukaten an den Wirt zu den drei Kelchen, der es als ein äußerst seltenes Tier sehen ließ, und sich schönes Geld damit machte.“ – Jetzt findet man eine Abbildung davon im Buffon. – „So sonderbar die Art meiner Reise war, fuhr mein Vater fort, so waren doch die Bemerkungen und Entdeckungen, die ich auf derselben machte, noch viel außerordentlicher.|[123] |
Mein Vater. Die See-Abenteuer lassen sich recht genau datieren, entweder durch direkte Zeitangeben oder durch Personen und historische Ereignisse, die im Text genannt werden. Wenn Münchhausen 1780 in Gibraltar eingetroffen ist, dann muss sein (fiktiver) Vater, von dem er diese Schleuder kurz vor seiner Reise nach Gibraltar geerbt hat, in dem Jahr gestorben sein, in dem William Hawes seine Schrift „Address to the Public on the Dangerous Custom of laying out persons as soon as Respiration ceases“ veröffentlicht hat, also im Jahre 1788. Dieses Problem hat Raspe beim Schreiben offenbar gesehen, denn er merk dazu an: „the Baronʼs father must have lived very lately, if Dr. Hawes was his preceptor.“ An dem Ufer der See: In der dritten Ausgabe von Raspes Munchausen ist noch folgendes Motiv eingefügt: “he dreamt one morning, about an hour before he rose, that he was walking by the sea-shore at Harwich, and dropping this sling into the sea, it immediately rose up in the graceful form of Thetis, daughter of Neptune, who took him in her arms, and gave him full possession of her person.” Diese erotische Erzählung hat Raspe in der von Bürger benutzten Ausgabe gestrichen. Thetis ist eine Meeresnymphe der griechischen Mythologie. Sie war die Schönste der Nereiden genannten zahlreichen Töchter des Meeresgottes Nereus. Sie ist mit dem Menschen Peleus vermählt. Allegorisch gilt die Meeresnymphe Thetis als das personifizierte Wasser. Sie wird auch als Reiterin des Hippocampus dargestellt. Der römische Gott Neptun (lateinisch Neptūnus, etruskisch netun(u)s) entspricht dem griechischen Wassergott Poseidon und war ursprünglich vermutlich der Gott der fließenden Gewässer, der springenden Quellen oder sogar des Wetters. Ab dem beginnenden 3. Jahrhundert v. Chr. wurde er dem griechischen Poseidon gleichgesetzt, womit er auch zum Gott des Meeres wurde. Er wohnte in der Meerestiefe mit großem Gefolge niederer Meeresgottheiten und war Herrscher über die von Pontos und Gaia hervorgebrachten Meeresgottheiten Nereus, Phorkys und Keto. Er wird meistens mit dem Dreizack, Seewesen und/oder Delphinen dargestellt. Mit dem Erdbeben auslösenden Dreizack, ein Geschenk der Zyklopen, konnte er Meer, Flüsse und Seen beherrschen. Die Delphine dienen ihm als Boten. Oft sind ihm auch Pferde beigegeben, die hinten die Gestalt von Fischschwänzen haben (Hippokampen).
Harwich:
Harwich ist eine englische Hafenstadt im Südosten des Vereinigten
Königreichs in der Grafschaft Essex. Aufgrund seiner Lage am Ästuar der
Flüsse Stour und Orwell und seiner Bedeutung als einzig sicherer Ankerplatz
zwischen Themse und Humber blickt der Ort auf eine lange Geschichte
maritimer Bedeutung zurück. Die Royal Navy eröffneten hier 1657 die
Marinebasis Harwich. Ein grimmiges Seepferd: In der griechischen Mythologie waren Seepferdchen die Nachfahren jener Rösser, die Poseidons Streitwagen zogen. Die wundersamen Tiere fanden einen Platz in Kunst und Literatur. Ihnen werden noch heute in manchen Kulturen besondere Heilkräfte zugesprochen.
Mythische Darstellungen des Seepferdes
(vorne Pferd, z. T. sogar mit Vorderhufen, hinten oft mit der Flosse eines
Fisches oder Delfins ausgestattet, möglicherweise ein Missverständnis
aufgrund von Beschreibungen des Tieres im späten 15. Jahrhundert), finden
sich weltweit relativ häufig in Wappendarstellungen von Küstenorten,
insbesondere in England und im Commonwealth. Das Fabelwesen Seepferd ist
nicht mit dem Seepferdchen zu verwechseln. Sein Gesicht: sein Sehvermögen Durch den Ozean: Von Harwich zur Küste Hollands auf dem Grund des Ärmelkanals (English Channel).
Helvoetsluys:
Um den Kriegs- und Handelshafen zu verstärken, wurde zum Beginn des 17.
Jahrhunderts die Wehranlage von Hellevoetsluis errichtet für die Admiralität
von Rotterdam. Die kleine Stadt war zur damaligen Zeit der größte
Kriegshafen der Republik der Sieben Vereinigten Niederlande.
Der große Seesturm von 1737 nebst einer Karte von Hellevoltsluys; zeitgenössischer Kupferstich. Buffon: Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon (1707-1788) war ein französischer Naturforscher im Zeitalter der Aufklärung. 1739 wurde er von König Ludwig XV. zum Direktor des Königlichen Botanischen Gartens, heute Jardin des Plantes, in Paris ernannt und später in den Grafenstand erhoben.
Buffons Hauptwerk ist die Allgemeine und
spezielle Geschichte der Natur (Histoire naturelle générale et particulière),
die er in Zusammenarbeit mit Louis Jean-Marie Daubenton verfasste und die
ursprünglich fünfzig Bände umfassen sollte. Ab 1749 bis zu seinem Tod 1788
erschienen 36 Bände. Unter Federführung des Comte de Lacépède Bernard
Germain Lacépède wurden weitere acht Bände veröffentlicht. In Frankreich
verschaffte das in vielen Sprachen übersetzte Werk seinem Urheber große
wissenschaftliche Anerkennung und Popularität. Eine deutsche Ausgabe
(Allgemeine Historie der Natur), versehen mit einem Vorwort Albrecht von
Hallers, erschien ab 1752 bei Grund und Holle in Hamburg, ab 1766 auch bei
Holle in Leipzig. Eine Berliner Ausgabe besorgte Joachim Pauli ab 1771.
In Konrad Gessners Tierbuch ist das Hippocampus realistisch beschrieben und dargestellt. |
Abbildung eines Seepferdes bei Buffon, auf die Bürger in seiner Übersetzung hinweist: „Jetzt findet man eine Abbildung davon im Buffon.“ (S. 124)
Nereide su cavallo marino, Museo archeologico nazionale di Napoli da Stabiae, Villa di Arianna, anticamera.
In der 71. Erzählung aus Tausend und eine Nacht berichtet Sindbad, von einem Seepferd:
Ich aß von einigen Speisen, die sie mir reichten, und fragte sie dann, was sie an diesem Orte machten, der mir so wüst zu seyn schiene. Sie antworteten mir, sie wären Reitknechte des Königs Mihrage, des Beherrscher dieser Insel. Alle Jahre um diese Zeit brächten sie gewöhnlich die Stuten des Königs hierher, und bünden sie an, wie ich gesehen hätte, um sie von einem Seerosse belegen zu lassen, welches aus dem Meere hervor käme. Wenn das Seeroß seine Lust gebüßt hätte, dann wollte es die Stuten auffressen; aber durch ihr Geschrei nöthigten sie es, wieder ins Meer zu springen. Die belegten Stuten führten sie zurück, und die Pferde, die davon fielen, wären für den König bestimmt, und hiessen Seepferde. Morgen, fügten sie hinzu, wollten sie abreisen, und wenn ich einen Tag später gekommen wäre, so hätte ich unfehlbar verschmachten müssen, weil die Einwohner ferne davon wohnten, und es unmöglich wäre, sie ohne Wegweiser zu finden.
Indem sie noch redeten, kam
das Seeroß aus dem Meere, wie sie mir gesagt hatten, sprang auf die Stute,
belegte sie, und wollte sie auffressen; aber bei dem lauten Geschrei, welches
die Reitknechte erhoben, ließ es ab, und tauchte wieder unters Wasser.
Die tausend und eine Nacht arabische Erzählungen, ins Französische übersetzt
von dem Herrn Anton Galland, Mitglied der Akademie der schönen Wissenschaften zu
Paris, und Lehrer der arabischen Sprache beim königlichen Kollegium. Aus dem
Französischen übersetzt von Johann Heinrich Voß. Zweiter Band. Bremen 1781, S.
11f.
Ohnerachtet jener Empfindung der Furcht und des Schreckens, die wir gewöhnlich
bei Vorstellung einer wunderbaren Begebenheit in uns wahrnehmen, begleitet
uns doch dabei auch oft eine gemischte Empfindung der Freude, die bald allein
durch die Neuheit der Sache hervorgebracht, bald durch den Antheil erzeugt wird,
den wir an der glücklichen Entwickelung wunderbarer Zufälle nehmen. Auch sind
nicht alle Wunderwerke schrecklich, sondern viele stimmen so sehr mit den
Wünschen unseres Herzens überein, daß sich nicht selten unsere Freude darüber in
ein Entzücken verwandelt, zumal wenn es denjenigen Leuten in einer
Wundergeschichte gut geht, für die sich unser Herz gleichsam durch eine
zärtliche Sympathie erklärt hat, wenn sie auch gleich seit Jahrhunderten nicht
mehr — oder wol gar nicht in der Welt gewesen sind; denn unsere Gefühle täuschen
uns oft so sehr, daß wir selbst von Schicksalen solcher Personen gerührt werden,
die in der bloßen Einbildungskraft eines Dichters oder Romanschreibers existirt
haben.
Pockels 1785, S. 94f.
Karl Friedrich Bahrdt (1740-1792) war ein deutscher evangelischer Theologe und Schriftsteller im Zeitalter der Aufklärung.
Nach einem kurzen durch Johann Bernhard Basedow
vermittelten Aufenthalt in Graubünden als Direktor des dortigen Philanthropinum
Schloss Marschlins ging er auf Einladung des Grafen Carl Friedrich Wilhelm von
Leiningen-Dagsburg-Hardenburg 1776 als Pfarrer und Generalsuperintendent nach
Dürkheim und gründete auf dem ihm überlassenen Schloss Heidesheim bei Worms ein
eigenes Philanthropinum, dessen Leiter er 1777 wurde. Es entsprach jedoch nicht
den Erwartungen, denn Barhdts theologischen und philosophischen Ansichten waren
sehr umstritten. 1777 trat er der Freimaurerei in England bei.
Unter Verwendung
von Wikipedia
„Das als ‚Abbild und Mikrokosmos einer nützlichen Gesellschaft‘ konstruierte Philanthropin, wo u. a. das Kind zum ‚neue(n) Mensch(en)‘ hätte erzogen werden sollen, verfolgte bestimmte Ziele, die Bahrdt 1776 in seiner Schrift Philanthropischer Erziehungsplan oder vollständige Nachricht von dem ersten wirklichen Philanthropin zu Marschlins programmatisch beschrieben hatte und die zum größten Teil nicht erreicht wurden. Verantwortlich für das Scheitern des Instituts waren persönliche und charakterliche Unzugänglichkeiten einzelner Akteure – insbesondere aber von Bahrdt.
Bahrdt aber fand anscheinend Anerkennung unter seinen Zeitgenossen. In der 1778 anonym erschienenen Abhandlung Wie kommts, daß es mit den Philanthropinen so gar nicht fort will? lobte der Verfasser den Pädagogen, dessen ‚allfassendes Genie Basedows noch zu übertreffen (scheint). Wenigstens besitzt er die Gabe schnell und deutlich zu fassen, seine Idee besser zu arrangieren, und sie leichter und einnehmender vorzutragen, in ungleich höhern Grad, als Basedow.‘
Bahrdts Misserfolg an seinem Philanthropin
schrieb er den Zuständen in Maschlins zu, wie er erklärte: ‚Auf der Reise nach
Dessau las er unterwegs das Basedowsche Methodenbuch und in den 10 Tagen seines
Aufenthalts in Dessau versicherte er sich, vermittelst eines vertrauten Umgangs
mit Basedow und der Bemerkung aller Arten der Kinderbehandlung bei Herrn Wolke
derjenigen Kenntnisse, welche er zu seiner künftigen Bestimmung nötig zu haben
glaubte. Als er aber nach Maschlins kam, fand er jene in Dessau gesammelte
pädagogische Kenntnisse, die nur jüngern Kindern, als denen in Maschlins, wo er
schon Eleven von 18 Jahren antraf, anpaßten, nicht anwendbar genug; mußte sich
also durch eigenes Nachdenken, Beobachten, Vergleichen und Überlegen, in einer
Zeit von drey Monaten, so weit in dem neunen Fach, in dem er arbeiten sollte,
vorbereitete haben, daß er den Plan entwerfen konnte, den wir hier vor uns
haben. Welcher, ob man ihm anmerkt, dass die Basedowsche Verfassung im
Hauptwerke zum Grunde liegt, doch von dem Genie des Hrn. Bahrdts ein
unverwerflicher Zeuge ist.‘“
Sara Rossini: „Wie kommts, daß es mit den Philanthropinen so gar nicht fort
will?“: Die Kritik an den Erziehungsmethoden der Philanthropen in fiktionalen
Texten der Aufklärung. Phil. Diss. Graduate School of The Ohio State University
2015. (online: etd.ohiolink.edu; Sarah Rossini)
Ich kam unter andern über eine ungeheuere Gebirgkette hin, die wenigstens so hoch war als die Alpen. An der Seite der Felsen war eine Menge großer Bäume von mannigfaltiger Art. Auf diesen wuchsen Hummer, Krebse, Austern, Kammaustern, Muscheln, Seeschnecken usw. von denen bisweilen ein einziges Stück eine Ladung für einen Frachtwagen war, und an der kleinsten hätte ein Lastträger zu schleppen gehabt. – Alles, was von der Art an die Ufer geworfen, und auf unsern Märkten verkauft wird, ist elendes Zeug, das das Wasser von den Ästen abschlägt, ungefähr so wie das kleine schlechte Obst, das der Wind von den Bäumen herunter weht. – Die Hummerbäume schienen|[125] am vollesten zu sitzen; die Krebs- und Auster-Bäume aber waren die größten. Die kleinen Seeschnecken wachsen auf einer Art von Sträuchen, die immer an dem Fuß der Auster-Bäume stehen, und sich fast so wie der Efeu an der Eiche an ihnen hinaufwinden. Auch bemerkte ich eine sehr sonderbare Wirkung eines untergegangenen Schiffes. Dies war, wie mir schien, gegen die Spitze eines Felsen, der nur drei Klafter unter der Oberfläche des Wassers war, gestoßen, und beim Sinken umgeschlagen. Dadurch stürzte es auf einen großen Hummerbaum, und stieß verschiedene Hummer ab, die auf einen darunter stehenden Krebsbaum fielen. Weil die Sache nun wahrscheinlich im Frühjahre geschah, und die Hummer noch ganz jung waren, so vereinigten sie sich mit den Krebsen, und brachten eine neue Frucht hervor, die mit beiden Ähnlichkeit hat. Ich versuchte der Seltenheit wegen ein Stück davon mitzunehmen, aber teils war es mir zu beschwerlich, teils wollte mein Pegasus nicht gerne stille halten; auch hatte ich schon über die Hälfte meines Weges zurückgelegt, und war gerade in einem Tale wenigstens fünfhundert Klafter unter der Meeresfläche, wo ich den Mangel der Luft allmählich etwas unbequem fand. |[126]Übrigens war meine Lage auch in andern Rücksichten nicht die angenehmste. Ich begegnete von Zeit zu Zeit großen Fischen, die, soviel ich aus ihren offenen Rachen abnehmen konnte, eben nicht ungeneigt waren, uns beide zu verschlingen. Nun war meine arme Rosinante blind, und es beruhte einzig auf meiner vorsichtigen Führung, dass ich den menschenfreundlichen Absichten dieser hungrigen Herren entging. Ich galoppierte also weidlich zu, und suchte so bald wie möglich wieder trockenes Land zu gewinnen. |
das kleine schlechte Obst: Bürger ahmt das Wortspiel bei Raspe nach, da im Englischen crab tree auch einen wilden Apfelbaum bezeichnet. Felsen, der nur drei Klafter unter der Oberfläche des Wassers war: Mit der Frage, ob neue Inseln durch vulkanische Aktivitäten entstehen können, hat sich Raspe in seinem Buch Specimen historiae naturalis globi terraquei, praesipue de novis e mare natis insulis, […] (Amsterdam 1763) beschäftigt.
„Neue Berge, die
in Raspes Buch beschrieben sind, wie der 1538 in der Nähe von Pozzuoli
entstandene Hügel, bleiben als neues Merkmal in der Landschaft erhalten,
während neue Inseln nicht so dauerhaft sein müssen und sogar wieder
verschwinden können, um vielleicht später wieder aufzutauchen. Die
bekannteste unter solchen intermittierenden Inseln, zumindest auf dem
europäischen Kontinent, liegt im Mittelmeer: Es handelt sich um die so
genannte 'Isola Ferdinandea' – oder 'Graham Island', da sie zuerst von einem
britischen Kriegsschiff beobachtet wurde: der Kapitän erklärte sie zum
britischen Eigentum und benannte sie nach einem Lord Admiral. Dies geschah
1831 und so schaffte sie nicht in Raspes Katalog. Sie war auch bekannt als
Ile Julia, da sie Ende Juli oder am 1. August entdeckt worden war. Diese
quasi-lateinische Bezeichnung von Insula Julia stammt von einem
französischen Geologen, der sofort auf die Insel geschickt wurde, um sie zu
untersuchen und darauf die Trikolore zu hissen. Im Gegenzug schickte
Ferdinand II., König der beiden Sizilien, ein Schiff, um den Besitz der
Insel zu bestätigen und ließ sie nach einem neapolitanischen König
umbenennen. Auf dem Höhepunkt des Streits globaler und lokaler Mächte
verschwand die Insel bereits wieder unter Wasser – "rapida si dilegua come
parvenza vana, si tinge dell'azzurro color di lontananza". Sie taucht
gelegentlich im Zusammenhang mit der Bewegungen ihrer geologischen Basis auf
halbem Weg zwischen Pantelleria und Agrigento außerhalb von Sciacca wieder
auf und liegt derzeit 6-7 Meter unter dem Meeresspiegel.“ Weil die Sache nun wahrscheinlich im Frühjahre geschah: Anspielung auf die systematische geschlechtliche Unterweisung der Philanthropen, die darin bestand, den Trieb von seinem sexuellen Ziel ablenken. mein Pegasus: Pegasos ist in der griechischen Mythologie ein geflügeltes Pferd. Pegasos war das Kind des Meeresgottes Poseidon und der Gorgone Medusa. meine arme Rosinante: Rosinante, oder Rocinante, ist das Reitpferd von Don Quichotte, im Roman Don Quichotte von Miguel de Cervantes Saavedra. Rosinante ist nicht nur Don Quichottes Pferd, sondern auch sein Alter Ego. Rosinante ist wie Don Quichotte linkisch, über ihr bestes Alter hinaus und von ihrer Aufgabe überfordert.
Rosinante wird
als mager und mit zahlreichen Mängeln beschrieben. Während heute im
Allgemeinen Stuten Rosinante genannt werden, ist bei Cervantes das Pferd
eindeutig ein Hengst: Im 15. Kapitel dringt Rosinante in eine Herde
galizischer Stuten ein, was ihm, Don Quichotte und Sancho Pansa heftige
Prügel seitens der Treiber einbringt. Auch ist (in der Übersetzung von
Ludwig Braunfels) stets von dem Rosinante die Rede. Auf Spanisch bezeichnet
rocín sowohl ein wenig wertvolles Pferd (Klepper oder Gaul), als auch einen
Tölpel. Ähnliche Worte gibt es in Französisch (roussin; rosse),
Portugiesisch (rocim; rocinar in etwa (Pferde-)schnauben), Niederländisch (ros),
Deutsch (Ross) und Italienisch (ronzino). Die Etymologie ist unsicher. ante
bedeutet im Spanischen vor. Damit will Don Quichotte ausdrücken, dass sein
Pferd zuvor zwar nur ein Klepper war, nun aber das erste aller Pferde
geworden ist.
R5, p. 146 |
Als ich dem holländischen Ufer schon ziemlich nahe war, und das Wasser über meinem Kopfe keine zwanzig Klafter mehr hoch sein mochte, so kam es mir vor, als läge eine menschliche Gestalt in weiblicher Kleidung vor mir auf dem Sande. Ich glaubte einige Zeichen des Lebens an ihr zu bemerken, und als ich näher kam, sah ich auch wirklich, dass sie ihre Hand bewegte. Ich fasste diese an, und brachte die Person als eine anscheinende Leiche mit mir an das Ufer. Ob man nun gleich damals in der Kunst Tote zu erwecken noch nicht so weit gekommen war, dass man so wie in unseren Tagen auf jeder Dorfschenke eine Anweisung|[127] vorfand, Ertrunkene wieder aus dem Reiche der Schatten zurückzurufen, so gelang es doch den klugen und unermüdeten Bemühungen eines dortigen Apothekers, den kleinen Funken des Lebens, den er in dieser Frau noch übrig fand, wieder anzufachen. Sie war die teuere Hälfte eines Mannes der ein nach Helvoetsluys gehöriges Schiff kommandierte und kurz vorher aus dem Hafen abgefahren war. Unglücklicherweise hatte er in der Eile eine andere Person anstatt seiner Frau mitgenommen. Dies wurde ihr sogleich von einer der wachsamen Schutzgöttinnen des häuslichen Friedens hinterbracht, und weil sie fest überzeugt war, dass die Rechte des Ehebettes zu Wasser so gültig wären als zu Lande, so fuhr sie ihm wütend von Eifersucht in einem offenen Boote nach, und suchte, sobald sie auf das Oberlof seines Schiffes gekommen war, nach einer kurzen unübersetzbaren Anrede, ihre Gerechtsame auf eine so triftige Art zu beweisen, dass ihr lieber Getreuer es für ratsam fand, ein paar Schritte zurückzutun. Die traurige Folge davon war, dass ihre knöcherne Rechte den Eindruck, der den Ohren ihres Mannes zugedacht war, auf die Wellen machte, und da diese noch nachgebender waren als er, so|[128] fand sie erst auf dem Grunde der See den Widerstand, den sie suchte. – Hier brachte mich nun mein Unstern mit ihr zusammen, um ein glückliches Paar auf Erden mehr zu machen. Ich kann mir leicht vorstellen was für Segenswünsche mir ihr Herr Gemahl nachgeschickt hat, als er bei seiner Rückkunft fand, dass sein zärtliches Weibchen, durch mich gerettet, seiner harre. Indes so schlimm auch immer der Streich sein mag, den ich dem armen Teufel gespielt habe; so war mein Herz doch außer aller Schuld. Der Bewegungsgrund meiner Handlung war reine klare Menschenliebe, obgleich, wie ich nicht leugnen kann, die Folgen davon für ihn schrecklich sein mussten.“ |
Klafter: so übersetzt Bürger das englische Längenmaß fathom (nautischer Faden); beide entsprechen etwa 1,80 m.
Kunst Tote zu
erwecken: Über die 1767 gegründete Gesellschaft zur Rettung
ertrunkener Personen in Amsterdam: „Im J(ahre) 1767 ließ die Gesellschaft in
dem Wochenblatte: de Philosoph, welches damals in Amsterdam herauskam, ihr
Dasein und ihre Absichten bekannt machen, und sie fügte dieser
Bekanntmachung eine Anweisung bei, worin die bewährtesten und einfachsten
Mittel, Ertrunkene wieder zum Leben zu bringen, angegeben wurden. Diese
Bekanntmachung und diese Anweisung wurden auch, mit Vorwissen der Obrigkeit,
welche zugleich, in vorkommenden Fällen, der Gesellschaft ihren Beistand
versprach, in Patentform an öffentlichen Orten angeschlagen, und bei allen
Wundärzten, in Krankenhäusern, ja in den geringsten Bierhäusern und
Herbergen, verteilt. Eine große Anzahl Exemplare wurde in andere Städte der
batav(ische) Rep(ublik) Versandt, wozu die Korrespondenten der Gesellschaft
und an vielen Orten auch die Obrigkeiten, kräftig mitwirkten.“ Der bei Raspe erwähnte William Hawes (1736–1808) war ein englischer Arzt und Philanthrop, Gründer der Royal Society. Seit 1773 setzte sich Hawes energisch für die Möglichkeit der Wiederbelebung von Personen ein, von denen man meinte, sie seien durch Ertrinken oder andere Ursachen den Erstickungstod gestorben. Er zahlte jedem eine Belohnung, der ihm oder seinen Mitstreitern den Körper einer Person brachte, die innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Ertrinken aus der Themse gerettet worden waren. Oberlof: durchgehende Plattform über dem Laderaum; Das Achterdeck (englisch „Quarterdeck“) ist ein erhöhtes Deck im achteren (Niederdeutsch für „hinten“) Teil eines Schiffes. Bei Großseglern bezeichnet es den meist erhöhten Bereich des Oberdecks hinter dem Großmast. Gerechtsame: eine Berechtigung, ein Nutzungsrecht, Privileg oder Vorrecht an etwas
Holländisches Handelsschiff auf einer japanischen Tuschzeichnung, 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts |
Und so weit, meine Herren, geht die Erzählung meines Vaters, an die ich durch die berühmte Schleuder erinnert wurde, die leider, nachdem sie sich so lange bei meiner Familie erhalten, und ihr viele wichtige Dienste geleistet hatte, in dem Rachen des Seepferdes ihren Rest gekriegt zu haben scheint. Wenigstens habe ich den einzigen Gebrauch davon gemacht, den ich Ihnen erzählt habe, dass ich den Spaniern eine ihrer Bomben|[129] uneröffnet wieder zurückschickte und dadurch meine zwei Freunde vom Galgen rettete. Bei dieser edlen Anwendung wurde meine Schleuder, die vorher schon etwas mürbe war, vollends aufgeopfert. Das größte Teil davon flog mit der Bombe weg, und das übrige kleine Stückchen, das mir in der Hand blieb, liegt jetzt in unserm Familienarchiv, wo es nebst mehreren wichtigen Altertümern zu ewigem Andenken aufbewahret wird. |
|
Joris Hoefnagel (1542–1600): Eine Hochzeitsfeier in Bermondsey. Öl auf Leinwand. Um 1560. Im Hintergrund der Tower am gegenüberliegenden Themse-Ufer.