Theodor Heinrich Ludwig Schnorr: Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande Bodenwerder 1800 |
Des Freiherrn von Münchhausen eigene Erzählungen.
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Des Freiherrn von Münchhausen eigene Erzählungen.
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1. Nachtrag mancherlei sonderbarer Geschichten; teils Avantüren aus seiner Jugend; teils aus seinen ältern Zeiten; teils aus der kriegerischen Laufbahn.
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Avantüren: Âventiure gehört seit dem späten 12. Jahrhundert auch zum Vokabular der Selbstbeschreibung der Erzählkunst (Poetologie). Die deutschen Dichter bezeichnen so zum einen die literarischen Vorlagen, die ihnen meist aus Frankreich zukommen. Aber auch die (eigene) Erzählung als Ganzes kann als âventiure bezeichnet werden. Wolfram von Eschenbach lässt eine personifizierte Frau Aventiure als Dialogpartnerin des Erzählers auftreten (Parzival 433,1–434,10). Diesen selbstreflexiven Kunstgriff ahmen viele Dichter bis hin zu Hans Sachs nach. Aventiure im Sinne von „Bauteil einer Erzählung“ erscheint bereits in den ältesten Handschriften des Nibelungenlieds als Überschrift für die einzelnen Handlungsabschnitte.
Im deutschen Spätmittelalter nimmt das Wort lautliche
Formen wie affenteuer, ebenteuer, abenteuer an. Der neuhochdeutsche Begriff
Abenteuer hat sich schließlich daraus entwickelt.
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Geografische Informationen entnahm Schnorr dem Lesebuch: Die Bürgerschule, ein Lesebuch für die Bürger- und Landjugend. Zweyter Band. Mit zwey illuminirten Charten.Von Johann Christoph Fröbing, Conrector an der Neustädter Schule. Hannover 1789.
„Herr! bleiben Sie auf der Erde. Sie möchten sonst Hals und Beine brechen!“ So sagte einst der Major v. A..., Münchhausens Partisan, als M. im vollen Ernste bei der Weinflasche, um welche sich einst nach einem Mittagsmahle eine ganze Gesellschaft guter Freunde, lustiger Brüder und Kumpane gelagert hatten, behauptete, er habe einen Hasen aus der Lust geschossen.|[4] „Aus der Luft?“ fing B... das Wort auf. „Da hat uns doch der Herr einmal gewaltig zum Besten. Aus der Luft? Gibt’s auch Hasen in der Luft?“ Meine Behauptungen in Ansehung der Hasen, entgegnete M., sind zu bekannt. Ich darf gar deshalb nicht weitläufig sein. Doch Scherz bei Seite! Exempla sunt odiosa. Aber, wer mir das im Ernste absprechen will, dass ich einen Hasen aus der Luft geschossen habe, der – „Nun – nun – nicht gleich so...“, indem Herr v. A. Münchhausen den Mund zuhielt. Alles war indessen gespannt, was es mit der Hasengeschichte für einen Ausgang nehmen mögte. Was ich mit meinen beiden Augen gesehen, und ich selbst getan habe, das kann ich behaupten, und wenn es jemand verlangt, so will ich deshalb einen körperlichen Eid ablegen, und das kann ich mit gutem Gewissen. „Um Gottes willen nicht, sprang eine Dame aus der Gesellschaft auf: was haben Sie dann?“ O, Münchhausen will einen Hasen aus der Luft geschossen haben!|[5] „Ist das ein Wunder? versetzte die Dame, Was hat der Herr von M. nicht Alles getan!“ Und wenn ich auch manche Großtaten getan habe, die weltbekannt und weltberühmt sind; so ist doch dies vielleicht eine von meinen kleinsten. „Nun, so lassen Sie hören.“ Einst war ich auf der Feldhühnerjagd. Als ich mehrere Äcker mit meinem Hunde abgesucht hatte und sich erst nichts wollte blicken lassen, hörte ich auf einmal in der Luft: Quäk! quäk! – Nun, dachte ich bei mir selbst: Es ist doch viel. Muss es nun gar um M. willen Hasen in der Luft geben, da doch derselben auf der Erde so viele sind? Ich sah auf, und wirklich: der Hase hatte Flügel. Sein Partisan, der die Geschichte nicht wusste, stieß ihn an: „Herr von M. bleiben sie aus der Luft. Ich kann Ihnen sonst nicht helfen.“ Ich dächte doch, der Herr wartete die Zeit erst ab. Diesmal habe ich ihre Hilfe nicht nötig.|[6] Was war also zu tun? Ach nahm mein Gewehr an den Kopf; und – kaum war der Schuss aus der Flinte, als auch Kopfs unters Kopfs über der Hase herabpurzelte. Das gab ein allgemeines Gelächter. Sie lachen? Ein Raubvogel, ein großer Geier hatte den Hasen in die Luft genommen, und ich hatte beide so genau getroffen, dass sie ohne Barmherzigkeit ein Opfer des Todes wurden. „Ei, seht doch! wer hätte das gedacht?“ sagte Baron X. Bravo! erschallte von den Lippen der Dame. Sie schlug in ihre Hände, und von ihren holdseligen Lippen ertönten die Worte: Wer das nicht glauben will, der greife es jetzt.
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Exempla sunt odiosa: Beispiele sind verhasst.
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Johann Elias Ridinger: Windhetzer. In: Der Jagtbaren Thiere mit derselben angefügten Fährten und Spuhren, Wandel, Gänge, Absprünge, Wendungen, Widergängen, Flucht, und anderer Zeichen mehr mit vielem Fleiß, Zeit und Mühe nach der Natur gezeichnet, samt Einer Erklärung darüber. Verfertiget und heraus gegeben von Johann Elias Ridinger, Mahlern in Augspurg. Anno 1740.
Des Weidmanns Glück hängt oft von einem puren Ohngefähr ab. Und deswegen möchte ich einem jeden Mann vom Handwerk die goldene Regel geben, nie ohne die Attribute, d. h. ohne Flinte oder Büchse, oder ohne Kraut und Lot auszugehen. Es trifft sich gerade dann oft am ersten, dass uns etwas aufstößt. Und dann haben wir entweder Verdruss oder Wunder.|[7]
Eines Morgens ging ich auch, ohne eben die Absicht zu haben, etwas zu schießen, in den Wald. Ich weiß es selbst eigentlich nicht mehr, warum ich jetzt in den Wald ging, ohne irgend etwas von weidmännischen Sachen mitzunehmen. Hätte ich hier nur eine Flinte oder ein Weidmesser gehabt; so war ich geborgen. Aber so hatte ich auch nicht einmal einen Stock. Nichts als mein Pfeifchen Tabak, und damit konnte ich weder schießen noch schlagen. Ich geriet mit meinen Betrachtungen ziemlich in die Tiefe und zugleich in ein Dickicht. Ich wusste es selbst nicht, wie geschwind ich in diese Gegend kam. Dass sich zwei Rehböcke von ansehnlicher Größe hier miteinander stießen und in Heftigkeit immer auf einander losrannten, bemerkte ich nicht eher, als bis ich dicht neben ihnen stand. Sie waren so ergrimmt und erbittert auf einander, dass sie vor Wut und Gift mich nicht bemerkten. Sachte schlich ich mich hinter einen Baum, wovon ich im Voraus sah, dass sich der eine jetzt gegen den andern stemmen würde. Und – husch, erwischte ich den einen, schmiss ihn nieder, kniete auf ihn, und packte in demselben Augenblicke den andern so fest in sein Gehörn, dass der eine so wenig als der andere sich zu lösen vermogte. Beide wandten alle Kräfte an, um|[8] loszukommen, aber vergebens. Ich hatte freilich große Mühe, diese Tiere, die mit aller Macht gegen mich kämpften, zu bändigen. Allein, es gelang mir doch, nachdem ich sie müde gemacht, dadurch, dass sie ihre Kräfte abgearbeitet hatten. Jetzt stand ich auf, setzte mich auf den schönen Rehbock, der mich recht gut tragen konnte, drückte meint Knie recht fest an, und führte ihn so ab, mit dem andern neben mir her, bis zur Küche, wo sich alle, die mich sahen, höchlich verwunderten. Meine Montierung hatte freilich sehr dabei gelitten, wie auch meine Hände, die sehr blutig waren. Was tut man aber nicht, um seinen Mut und seine Stärke zu zeigen. Tages darauf wurden sie zu einem leckern Tafelessen bereitet, wozu eine große Gesellschaft eingeladen und auf das Wohl aller wackern Weidemänner getrunken wurde, die ein solches Kunststück noch nicht kannten. Alle diese Umstände wären aber nicht nötig gewesen, wenn ich alles bei mir getragen hätte, was ich wünschte. Ich beschloss daher, von jetzt an, nicht wieder ohne Flinte auszugehen. Eine höchst sonderbare Merkwürdigkeit bleibt doch die, welche ich jetzt erzählen will. Ich|[9] ging einst in eben diesen Walde mit mehreren guten Freunden. Es war ein strenger Wintertag, und der Raufrost hing überall an den Bäumen. Ich hätte nicht darauf gemerkt, wenn mich nicht einer meiner Jagdkumpane aufmerksam darauf gemacht hätte. So viel ist wahr, in meinen jüngern Jahren hatte ich eine äußerst hitzige Natur. Herr v. A. sagte mir: „Sehen Sie, Herr v. M., wo Sie hingehen, weicht stets der Reif vor Ihnen, und hinter Ihnen friert es wieder zu. Und gewiss, als ich aufblickte, ward ich überall gewahr, dass die Bäume, so weit ungefähr meine hitzige Atmosphäre reichte, und die schien eine Distanz von 20 Schritte zu halten, nicht allein von allem Reife oder Raufroste befreiet waren, sondern dass sie auch sogar anfangen wollten zu grünen. So wie wir vorwärts gingen, war aller Frost weg, und hinter uns nichts, als weißer Reif. So wie ich inzwischen älter wurde, so ließ auch dies Feuer nach. Wohl hundertmal habe ich nach meinem funfzigsten Jahre darauf geachtet; aber es war fast keine Spur mehr davon übrig. –––|[10] Hier kann ich auch nicht unterlassen, noch einiger Reisen zu gedenken, wovon ich immer ein großer Freund gewesen bin, auf welchen ich aber auch gewiss mehr, als irgend ein Mensch in der Welt, wie schon bekannt, mancherlei Abenteuer erlebt habe. |
Kraut und Lot: Pulver und Blei für kleine Feuerwaffen Montierung: Aufstellung, Aufrichtung, Bau, Errichtung; hier Jagdkleidung |
Man erzählt es häufig, dass es zwischen Petersburg und Riga mehrere Stellen gebe, wo es nicht allzu richtig sein soll. Mehrere glaubhafte Personen haben mir erzählt, dass sie auf dieser Distanz mehrere Monate zugebracht. Fußreisende versicherten mich, dass sie oft gegangen, dass ihnen der Schweiß vom Leibe herunter geflossen, und dass sie doch um keinen Schritt weiter gekommen. Es gibt Dinge in der Natur, dir wir nicht zu entziffern vermögen. Dahin mag dann dies auch gehören. Ich weiß es wenigstens nicht zu erklären. Viele Naturkundige habe ich über diesen Gegenstand gesprochen. Aber auch diese wussten mir Nichts darauf zu antworten. Mein Kutscher musste mich einst in einer sehr wichtigen Angelegenheit meines Lebens, da ich eben in Petersburg war, nach Riga führen. Auf dieser Reise haben wir mehrere Monate zugebracht. Die Pferde wurden getrieben, sie galoppierten, dass ihnen der Schweiß, wie Schaum, dick auf dem|[11] Leibe stand, und wir kamen den ersten Tag, ob wir gleich sehr frühe ausgefahren waren, und bis spät in die Nacht reiseten, nicht weiter, als zwei Stunden von Petersburg, wo wir in einem kleinen Dorfe übernachten mussten. Irren konnten wir auf diesem Wege nicht; denn wer kennt nicht die schöne fahrbare Landstraße von Petersburg nach Riga? Wenn wir eine Zeitlang die Pferde rasch hatten zugehen lassen; so befanden wir uns auf einmal in einer schönen Stadt. Ich möchte fast behaupten, es gäbe keine merkwürdige Stadt in der Welt, die ich nicht auf dieser Reise gesehen hätte. Es war offenbar nicht anders, es konnte dies nicht wohl ohne Zauberei geschehen. Kaum war ich ein wenig in meinem Reisewagen eingeschlafen; so ward ich durch das allgewaltige Rasseln auf einem Steinpflaster wieder aufgeweckt. Ich sah aus meinem Wagen, und fragte meinen Johann, wo wir uns befänden? Dieser sagte: er wisse es nicht. Er hätte mehreremal gefragt: er verstehe aber die Menschen nicht. Ich fragte, nachdem wir ein wenig Halt gemacht hatten, den ersten Neugierigen, der sich an an unsern Wagen machte, wo wir wären, und siehe: wir befanden uns – in Konstantinopel. Ich hätte auch nicht einmal nötig gehabt, zu fragen, denn|[12] selbst in dem Augenblicke, wo ich frug, bemerkte ich es nicht allein an den Türmen der Stadt, worauf der halbe Mond glänzte, sondern auch an der Kleidung der Menschen, die uns begegneten. Wir fuhren weiter, und – der Großsultan rasselte in einem prachtvollen Staatswagen daher, umgeben von einem großen Trosse, der ihn begleitete. Er ließ halten, sah zum Wagen heraus, und sagte: beim Mahomet, unserm großen Propheten! das ist der berühmte Münchhausen! wo kommen Sie her? und wie? Zu dienen, Ewr. Majestät! antwortete ich. Ich komme von Petersburg, und will nach Riga. Wo und wie ich hieher komme, weiß ich nicht. „Sie lassen sich zu meinem Palaste fahren. In einer halben Stunde habe ich die Ehre, bei Ihnen zu sein.“ Und damit rollte der Wagen weg. Wir setzten unsern Weg auch fort, konnten aber den Palast nicht finden. Wir sahen ein großes Wirtshaus, und wir hielten. Der Kutscher stieg ab, und wollte mir aus dem Wagen helfen. Wir gingen hinein, der Wirt führte uns in ein schönes Zimmer, wo wir einen großen Tisch mit einem ganz ausgesuchten Frühstücke erblickten.|[13] Ha! dachte ich, dass wird unsern Magen wohl tun. Und – in dem Augenblicke, als ich den vortrefflichen Likör im Glase zum Munde bringen, als der Johann nach seinem Schnaps und einem tüchtigen Stücke Schinken greifen wollte, war Stadt, Wirtshaus, Glas, kurz, alles wieder verschwunden, und wir befanden uns – ich im Wagen, der Kutscher auf dem Bock, auf der Landstraße zwischen Riga und Petersburg. Es begegneten uns viele Wagen, die uns stets auswichen. So lange uns die Wagen im Gesichte waren, zeigte sich uns die ganze Gegend als bekannt. Wir sahen und erkannten noch die Türme von Petersburg und den Ladogasee. Sobald sich aber die Wagen entfernt hatten, so waren wir gleich wieder vor oder in einer andern Stadt. |
Riga: (lettisch Rīga) ist
heute die Hauptstadt Lettlands und größte Stadt des Baltikums. Im Laufe des
Großen Nordischen Krieges wurden Riga und die Rigenser mehrfach hart
getroffen: durch die von der Stadt und der Bürgerschaft zu entrichtenden
Kontributionen und dadurch, dass Riga zum Kriegsschauplatz wurde. In der
Schlacht an der Düna am 19. Juli 1701 wehrte König Karl XII. von Schweden
den Angriff der sächsisch-russischen Truppen auf Riga ab. Am 4. Juli 1710
ergab sich die Stadt nach längerer Belagerung den Truppen des russischen
Generals Boris Petrowitsch Scheremetew. Der Aufstieg von Russland als
Großmacht in der Ostseeregion wurde durch den Frieden von Nystad im Jahre
1721 besiegelt. Riga wurde dem Zarenreich zugeschlagen.
Das alte Rathaus im 18. Jahrhundert; kolorierter Kupferstich, um 1780. Großsultan: Der Hinweis auf das Zutrauen des Sultans verweist auf Bürgers fünftes See-Abenteuer, in dem der Freiherr als Freund des 27. Sultans des Osmanischen Reiches und 106. Kalif des Islam, Abdülhamid I. (1725-1789) dargestellt wird.
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Rom, Blick auf das Pantheon. Kolorierte Radierung von Franz Kaisermann, um 1797
Wir kamen z. B. in Rom an. Im Hui waren wir vor dem Vatikan. Wir sahen die an den Wappens, an der Rotunda, an den Obelisken, an den vielen Villen, an den Altertümern. Wir wollten hier wieder Halt machen, und – alles verschwand vor unseren Augen. So sahen wir fast alle große Städte der ganzen Welt. – Wenn dann der Abend kam, so fanden wir, wie sich das arme Vieh abgetrieben hatte, und wir oft nicht um eine Stunde weiter gekommen waren. Ein Glück, dass wir ziem|[14]lich mit Proviant versehen waren, und dass die Zauberei nur des Tages stattfand, und wir des Abends doch jedesmal Proviant wieder einnehmen konnten; sonst hatten wir samt unseren Pferden bei dieser Neckerei offenbar verhungern können: da nicht allein ich, sondern auch mein Kutscher mit in diese Zauberei verbannt war, welche sich nicht eher lösete, als bis wir in Riga wohlbehalten ankamen, und nicht genug von unseren gehabten Fatalitäten erzählen konnten. Es war gewiss mehr, als die Einbildungskraft, die uns diesen Streich spielte. Mein Johann konnte nie die ärgste aller Neckereien vergessen, die uns in Konstantinopel betraf, wo er schon ein großes mit Schnaps gefülltes Glas in der Hand wähnte, und – alles wieder verschwand. ––– Kurz vor dieser Reise spielte ich dem dermaligen Hofkellermeister in Petersburg einen artigen Streich, woran er gewiss noch denkt. Ich hatte mit der großen Kaiserin eine Wette eingegangen, die nicht weniger als 100000 Rubel betraf. Berühmt war der Kellermeister weit und breit nicht allein wegen seiner schönen Weine, sondern auch wegen seiner großen Potenz im Weintrinken.|[15] Nicht leicht machte jemand eine Wette mit ihm, dass er mehr trinken könne, als er. Die Kaiserin selbst hatte schon sehr große Summen dadurch gewonnen. Durch sein vieles Weintrinken hatte er sich einen Bauch gezeuget, ungelogen, wie das große Heidelberger Fass. Schon konnte er seiner Größe und Schwere wegen nicht selbst mehr fortkommen, sondern ließ sich stets von mehreren seiner Bedienten in einem bequemen Schlafwagen in seinem Keller herumfahren. Er lachte hoch auf, als ich ihm meine Aufwartung machte, und ihm proponierte: ich wollte mehr trinken, als er. „Heute habe ich meine Ladung, sagte er. Wenn wir unsre Sachen ordentlich machen wollen; so kommen Sie Morgen Nachmittag, und wir werden sehen.“ Aber – die Kaiserin hat mir völlige Erlaubnis gegeben, hier alsdann nach meinem Belieben so viel Wein zu trinken, als ich will, und auch dazu noch obendrein die Vollmacht gegeben – die ich ihm schriftlich zeigte – mir nach meiner Bequemlichkeit alles einrichten zu lassen, wie ich wollte, weil es eine Wette von 10000 Rubel gälte, indem ich mich unterstände, mehr trinken zu können, als der Hofkellermeister.|[16] „Gut das, sagte er, ich mache Morgen also den Anfang.“ Ich mache Russisch Kaiserlicher Majestät Hofkellermeister den Vorrang nicht streitig. Aber die Wette gewinne ich. „Das werden wir sehen!“ erwiderte er mit einer Miene und mit einem solchen kleinlichlächelndem Herabsehen auf mich, als wenn er sich seiner Würde und seines Vermögens völlig bewusst wäre. Des andern Nachmittags ging ich also hin, um selbst Augenzeuge von seiner großen Trinkkraft zu sein, und ohngefähr zu sehen, ob ich meine Wette gewinnen würde. Wofür mir denn gar nicht bange war. Als ich erschien, lag er der Länge nach auf einem dazu wohl eingerichteten weichgepolsterten Sopha. Mehrere Weinküper waren beschäftiget, ihn von Zeit zu Zeit mit großen Krügen voll Wein, die ich jedesmal kosten musste, zu bedienen. Ich trank, trank mäßig aus Gläsern, um meine Kräfte für den andern Tag zu sparen. Gegen neun Uhr Abends, nachdem ich ihm bisdahin mit Erzählung meiner wunderbaren Reisen zu Wasser und zu Lande die Zeit vertrieben hatte,|[17] war denn ein Oxhöft völlig ausgeleert, und – er wollte nicht mehr trinken, er konnte sich auch nicht mehr rühren. Er schlief ein. Und so wie er nur aus dem kleinsten Schlummer erwachte, mussten ihm seine Bedienten fleißig Tee reichen. Des andern Tages war es also bestimmt, sollte ich mein Heil versuchen. Aber wie erschrak der Hofkellermeister, als ich dazu so ganz eigene Anstalten treffen ließ!
Das größeste Fass seines edelsten Weines – er wollte gar nicht erst daran, aber er musste den Befehl der Kaiserin respektieren – ließ ich auf ein solches Lager bringen, daß ich bequem vor dem Zapfen desselben sitzen konnte. Von einem gewissen andern Orte hinab ließ ich eine Renne machen, welche zur Wand hinaus ging. Die Hoftischler hatten meine Instruktionen vortrefflich ausgeführt; so, dass ich es recht bequem fand. Des Nachmittags stellte ich mich um die bestimmte Stunde ein, setzte mich an meinen Ort, schrob den Hahn des großen Weinfasses auf, setzte einen Trichter auf meinen Mund und ließ es nun immer ganz sacht laufen zur Verwunderung nicht allein des Hofkellermeisters, der einmal über das andere die Achselzuckte, sondern auch der anwesenden Weinküper, Bedienten u. a. m. Auch|[18] fanden sich bald mehrere Zuschauer nicht allein im Keller selbst, sondern auch außer demselben, wo sie zugleich den starken Abfluss bewunderten. Um vier Uhr kam schon, durch das Gerücht herbeigelockt, die Kaiserin selbst, schlug einmal über das andere in die Hände, blieb voll Verwunderung stehen und sagte: „Pardon, Münchhausen! Ihr habt die Wette gewonnen.“ An mir selbst, nachdem ich den Hahn wie der zugeschroben, war auch nicht die geringste Veränderung zu bemerken. Ich war, wie vorhin. Das große Fass war schon über die Hälfte ausgeleert, und ich hätte bis gegen neun Uhr zehn und mehrere solcher Stückfässer bezwingen können, ohne einen Haarbeutel zu bekommen. Ich ging mit der Kaiserin, indem ich ihr meinen Arm reichte, zu einem Balle, den sie um meine willen hatte veranstalten lassen und bekam noch an demselben Abende durch einen Wechsel meine Wette richtig ausgezahlt. ––– Dass einst im Türkenkriege mein Pferd von einem feindlichen Fallgatter mitten durchgeschlagen wurde, und ich demohngeachtet auf der Hälfte desselben zu einem Brunnen ritt, ohne es zu wissen – diese Geschichte ist as dem ersten Teile meiner Abenteuer bekannt genug. Allein, dies will noch nichts sagen. In größeres Erstaunen werden die Menschen geraten, wenn ich ihnen sage: dass mir einst bei einer sehr hitzigen Bataille durch einen Hieb mit einer Sarazenenklinge der Kopf vom Rumpfe gehauen wurde. Wie mancher General verliert nicht seinen Kopf in einer Schlacht, wo es ein wenig heiß hergeht, und wo man noch nicht recht weiß, auf welche Seite sich der Sieg wendet! Ich aber verlor ihn zwar rein vom Rumpfe, aber demohngeachtet kam meine Armee so wenig, als ich selbst, aus der Fassung. Frühzeitig genug bemerkte ich es, und glücklich fing ich ihn mit meinen Händen auf. Nun sollte man gesehen haben – Eben so, als in völliger Verbindung mit einem Körper, trug ich ihn vor mir her, und er kommandierte noch tapferer, als vorhin: „Marsch! hauet ein; schießet zu! bravo!!“ So ging es bis spät Abends, und die Türken wurden zusammengehauen, wie altes Eisen. Es gab eine solche Niederlage, wie seit Menschengedenken nicht geschehen ist. Mehr als 50000 Türken wurden in die Pfanne gehauen und ein Frikassee daraus gemacht. Erst spät in die Nacht, als uns das Feld gänzlich geräumt war, wurden die Säbel in die Scheiden gesteckt.|[20] Aber wie ward es mit meinem Kopfe? Ein äußerst geschickter französischer Feldscherer nähete ihn mir wieder sehr gut an. Zu mehrerer Haltung nietete er mir in die Gurgel eine blecherne Röhre, die ganz künstlich wie eine Gurgel mit lauter Schienen gemacht war, so, dass sie sich zusammenziehen und ausdehnen konnte. Und wie nur erst wieder Ader auf Ader kam, war die Heilung geschwind geschehen. In wenigen Tagen fühlte ich fast gar nichts mehr davon. Ich aß und trank, sprach, alles, wie vorhin. Die Narbe ist noch am ganzen Halse herum zu sehen. Doch möchte ich mir um alles in der Welt jetzt den Kopf nicht noch einmal abhacken lassen. –––
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Wappens: die päpstlichen Wappen an den Fassaden von Rom Rotunda: Das Pantheon ist ein zur Kirche umgeweihtes antikes Bauwerk in Rom. Als römisch-katholische Kirche lautet der offizielle italienische Name Santa Maria ad Martyres (lateinisch Sancta Maria ad Martyres). Nach einer seit dem Mittelalter gebräuchlichen Namensform Sancta Maria Rotunda wird das Bauwerk in Rom umgangssprachlich auch als La Rotonda bezeichnet. Obelisken: Rom ist die Stadt mit den meisten antiken Obelisken und wird daher auch die Stadt der Obelisken genannt. Acht altägyptische und fünf antike römische Obelisken sind im Stadtgebiet aufgestellt.
Die Obelisken wurden größtenteils von den römischen Kaisern aus Ägypten nach
Rom gebracht, einige auch direkt in Rom angefertigt. Von den Päpsten wurden sie
wieder aufgerichtet und an neuen Standorten aufgestellt. Teilweise sollten sie
als Wegweiser für Pilger dienen.
das gro0e Heidelberger Fass: Das vierte Fass
wurde 1751 unter Kurfürst Karl Theodor vollendet und hatte ein Fassungsvermögen
von 221.726 Litern. proponierte: vorschlug Renne: Rinne diese Geschichte: Bürger berichtet davon in Des Freiherrn von Münchhausen Eigne Erzählung. Kopf vom Rumpfe: Dass ein französischer Chirung den Kopf wiederannäht, konnten die zeitgenössischen Leser als Parodie auf die Enthauptung von Ludwig XVI. (1754-1793) lesen. Im Zuge der Französischen Revolution musste er 1791 der Umwandlung von der absoluten in eine konstitutionelle Monarchie zustimmen, als deren Oberhaupt, nunmehr König der Franzosen, er fungierte. 1792 wurde er abgesetzt, 1793 vom Nationalkonvent wegen „Verschwörung gegen die öffentliche Freiheit und Anschlägen gegen die nationale Sicherheit“ zum Tode verurteilt und durch die Guillotine hingerichtet.
Mein Bourau, dessen seltene Streiche ich nicht vergessen werde. Er sagte,
daß im siebenjährigen Kriege, einem Reuter (er ware dabey) mitten im
Angriffe der Kopf herunter gehauen oder geschossen wurde; da er aber mit
seinem Pferde fest im Gliede eingeklemmet war, so muste er den Rest der
Attake ohne Kopf mitmachen, ich bin eine Canallie, wenns nicht wahr ist. – Bataille: französisch für Battaglia, Musikalisches Schlachtengemälde Sarazenenklinge: Krummsäbel der Sarazenen Frikassee: Ragout aus hellem Fleisch in weißer Sauce |
Hinrichtung Ludwigs des XVI. – Kupferstich aus dem Jahr 1793
In eben diesem Kriege bedienten wir uns bei einer gewissen Gelegenheit einer großen List. Im Kriege ist das wohl erlaubt, man mag dadurch seinen Zweck erreichen, oder nicht. Es war nicht weit von Belgrad, als auf einmal ein Korps der Feinde mit einem schrecklichen Anfall und heftigen Kartätschenfeuer auf uns loskam. Ich kommandierte alle: Auf den Tod. So wie also einigemal die Kartätschen auf uns feuerten, und schon mit verhängtem Zügel auf uns eingehauen wer|[21]den sollte, fielen alle Glieder hin, und alles lag gestreckt. Meine Soldaten waren sehr pfiffige Leute. Keiner, der sich gerührt hätte, als die Türken nahe heran kamen. Es hatte hin und wieder Blut gegeben, mancher war abgeschlachtet; mancher verstümmelt. Sie verwunderten sich über die totale Niederlage, legten hin und wieder Hand an, und wussten erst gar nicht, was sie daraus machen sollten; stießen diesen und jenen mit dem Fuße um – Alles war und blieb wie tot. Also die Türken gingen weg. Als wir merkten, dass sie weit genug fort waren, standen wir, so viel unser waren, wieder auf, und gingen unserer Wege. Vielleicht mochten von Tausend nicht zehn gefallen sein, und wir wären bei der zu großen Übermacht alle ein Opfer ihrer Wut geworden. Das war Münchhausens Auferstehung und – so muss man sich zu helfen wissen.
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In eben diesem Kriege: Der Russisch-Österreichische Türkenkrieg (1736–1739) war ein Kampf des mit der Russischen Kaiserin Anna (1693–1740) verbündeten österreich-habsburgischen Kaisers des Heiligen Römischen Reiches gegen das Osmanische Reich, bei dem es einerseits um die russische Expansion zum Schwarzen Meer, andererseits um habsburgische Eroberungen auf dem Balkan ging. Der Konflikt reiht sich demnach in eine lange Kette dauernder Türkenkriege ein. Dem offiziellen Ausbruch des Krieges gingen im Jahre 1735 bereits einige Scharmützel und Strafexpeditionen im Khanat der Krim voraus, weshalb in der Literatur gelegentlich das Jahr des Kriegsbeginns mit 1735 angegeben wird.
Kartätschenfeuer: In der
Waffentechnik bezeichnet man als Kartätsche (umgangssprachlicher Diminutiv
von Kartusche, vergleiche englisch cartridge) ein Artilleriegeschoss mit
Schrotladung. mit verhängtem Zügel: dies bedeutet, dass die Zügel am Sattelknauf verschlungen werden, damit der Reiter die Hände zum Kämpfen frei hat. |
Segnung der Kanonen durch den Mufti. Kolorierter Kupferstich von Johann Hieronymus Löschenkohl , um 1795
Eben so bei einer gewissen Affäre gegen die Türken war unsre Anzahl zu klein, als dass wir es hätten länger wagen dürfen, gegen die Übermacht zu kämpfen. Ich sah es längst ein, dass wir alle zu Grunde gehen mussten, wo wir uns länger mit ihnen eingelassen hätten. Ungern spreche|[22] ich von Rückzügen, die in größter Ordnung geschehen, weil man dies wohl in Zeitungen beschreiben kann: aber die Sache an sich selbst bleibt doch allemal lächerlich. Selten macht ein Rückzug braven Leuten Ehre. Es ist immer am besten, sich, wenn es möglich ist, mit größter Bravour durchzuhauen und Siegeslorbeeren einzuernten. Doch dies nur sub rosa. Wenn man jedoch sieht, dass es aufs Hacken geht; so muss man wohl sehen, wie man es macht. Guter Rat ist dann teuer, und wenn uns nicht das Ohngefähr oft seinen Arm böte, dann sähe es schlimm aus. So ging es uns auch hier. Ich kommandierte also zu einem Rückzüge in voller Ordnung. Die Türken waren immer vor uns. Bis auf einmal, wo uns ein Wald in dem Rücken war, wollten sie es nicht weiter wagen, uns zu verfolgen. Sie machten anfangs Halt, und wollten uns umgehen, als sich, da sie beinahe ganz aus unserm Gesichte waren, zu unsrer größten Freude im Walde eine gewaltig große hohle Eiche fand, die uns in ihren Schutz nahm. Ich kommandierte, so viel ich konnte, in die hohle Eiche. Aber wie erstaunte ich sowohl, als unsre ganze Armee, als dieselbe allgemach uns alle zu fassen vermogte! Die Ursache davon war, dass der Boden derselben durch die Schwere der Mannschaft, die|[23] sich darin versammelte, heruntersank. Wir befanden uns nun alle in einer sehr geräumigen Höhle. Wir waren kaum gedeckt, als wir die Türken in vollem Galopp anrücken, ihr gewöhnliches Hallo rufen und ihre Janitscharenmusik machen hörten. Allein, sie zogen alle vorüber. Und wir machten dann auch bei völliger Stille uns wieder heraus, und so linksum. ––– In eben diesem Kriege wollte ich denn auch einst das feindliche Lager in eigener Person rekognoszieren, geriet aber dabei in eine der größten Verlegenheiten, wo jeder Andere sein Leben ein gebüßt haben würde. Ich hingegen hielt nicht allein die Strafe aus, sondern drehete noch obendrein meinen Feinden eine Nase. Ich ließ mir Frauenzimmerkleidung geben, zog diese an und ging mit einem Körbchen voll Bisquit, welches ich am Halse trug, ins feindliche Lager. Hier sah ich aufs genaueste bei dem Verkaufe meiner Ware, die ich reißend loswurde, alle ihre Anstalten; ich zählte ihre Kanonen, sah ihr Kaliber, ihre Verschanzungen, kurz, es blieb|[24] mir nichts verborgen. Eben als ich durch den letzten Vorposten wieder zurückgehen wollte, beliebte es diesem Muselmann, mit mir zu scherzen. Ich gab ihm meinen Unwillen zu erkennen; sagte ihm auch mit dem gewöhnlichen Tone dieser Lustdirnen: „Meinen Sie, dass ich so Eine bin?“ Es half aber nichts. Nichts half mein Sträuben gegen seinen Willen, ich ward als Mannsperson erkannt und wieder ins Lager zurückgeführt. Jetzt wollte ich mich auf eine andere Weise aus der Schlinge ziehen. Ich gab meinen Charakter an. Ich wäre der berühmte Münchhausen. Sie hörten nicht einmal darnach. Ich sollte ohne alle Gnade und Barmherzigkeit hängen. Der Generalmarsch wurde geschlagen, der Galgen aufgerichtet. Ich verwunderte mich selbst darüber, dass sie mich hängen wollten, weil sonst der Strang bei ihnen seit uralten Zeiten eingeführt war. Ich hörte aber nachher, dass einige Franzosen als eine weit eindrucksvollere Strafe den Galgen unter einigen ihrer Regimenter eingeführt hätten. Was war also zu tun? Ich ergab mich und dachte, hängt mich nur. Was mich sichert, weiß ich. Geduldig ließ ich mich hinhängen, verzerrte das Gesicht, schnappte ein Paar Mal zu, und hing so mäuschenstill, bis es Nacht wurde. Als, ich bemerkte, dass alles schlief, und niemand mehr|[25] an mich dachte, machte ich mich los, hing einen Strohwisch an meine Stelle, schlich mich zum Lager heraus, und kam so wohlbehalten zur höchsten Bewunderung aller wieder bei meiner Armee an. Ich gab ihnen hierbei zu denken, dass es, Rübezahl einst auch so gemacht hatte. Doch mögte ich es niemand raten, sich auch einmal hängen zu lassen. Meine blecherne Röhre tat mir hier trefflich Dienste, und ein solches Instrument hat nicht jeder. ––– Auch war ich einst Anführer und Befehlshaber einer ganzen Armee gegen die Amazonen. Das sind Weiber. Ich wüsste in ganz Deutschland, ich mögte sagen, in ganz Europa, keine einzige mit der Stärke dieser Frauenzimmer und mit dem Mute derselben zu vergleichen. Ritter DʼEon und das Mädchen von Orleans sind Memmen gegen sie. Sie sind völlig so groß und nervigt wie die größten Mannspersonen. Die kleinsten unter ihnen haben alle 8 Zoll über das Maß. Dahingegen sind ihre Männer nichts, als feige Memmen und kleine elende Wichte, die das Hausregiment führen. Mehrere Reisebeschreiber wollten behaupten, sie duldeten gar keine Männer|[26] unter sich. Dieser Lüge muss ich aber offenbar widersprechen, weil ich ihre Männer selbst sahe, mit ihnen kommerzierte u. d. gl. Wie würde sich auch ihr Stamm und Geschlecht fortgepflanzt haben? Noch damals führten sie stählerne Bogen, und hatten sich die rechte Brust weggebrannt, um den Bogen desto bequemer führen zu können. Sie hatten aber vergiftete Pfeile und trafen auf ein Haar. Sie machten uns anfangs viel zu schaffen. Wir waren aber so glücklich, durch unser gutes Geschütz, durch unser geschicktes Manövrieren bis in ihre Hauptstadt Minisec vorzudringen, die wir denn nach vierzehntägiger Belagerung auch eroberten. Wie es im Kriege herzugehen pflegt, wenn eine Stadt erobert ist und erst nach hartnäckigem Widerstande eingenommen wird, ist bekannt. Einer meiner Mitgenerale war ohnehin etwas barbarisch. Er gab den Soldaten nicht allein die völlige Vollmacht, zu plündern und zu notzüchten, sondern noch dazu beides mit dem Beding: ein gewisses Haar, welches die Frauenzimmer in dieser Himmelsgegend sehr lang zeugen, abzuscheren, um solches zu einem ewigen Denkmale dieser Begebenheit aufzubewahren. Aber wie er staunten wir, als die Soldaten wieder kamen! So etwas hatte man bisher noch nicht gesehen.|[27] Sie brachten dieses Haar in mehreren Säcken. Mein Mitkumpan teilte sie nach unserer Zuhausekunft mit mir; und nicht allein ein Kanapee, sondern auch mein alter Großvaterstuhl sind von diesen Haaren ausgestopft. ––– Der große Gedanke, der mich stets beseelte von meiner ersten Jugend an, die Welt zu sehen und Augenzeuge zu sein von so manchen Begebenheiten, die ich in Reisebeschreibungen gelesen hatte, auch selbst die Prozeduren mit mir machen zu lassen, waren sie auch noch so grausam und schmerzhaft: dies Gefühl trieb mich, aus dem Amazonenlande einen Abstecher zu den Huronen zu machen. Kaum war ich vierzehn Tage da; so hatten mich die Einwohner in diesem Lande so lieb gewonnen, dass sie mir die Ehre anboten, Kazike: d. h. ihr Fürst, zu werden. Dazu gehört nun in diesem Lande nicht Größe des Geistes, Verstand und Klugheit, ein Volk zu regieren; nicht Liebe für dasselbe, und Eifer, es glücklich zu machen. Nein! nur gewisse Qualen am Körper epiktetisch oder stoisch zu überstehen, und nicht zu muchsen oder im mindesten das Gesicht in andere Muskelbewegungen zu versetzen; auch bei den empfindlichsten Schmerzen nicht einmal einen|[28] Laut von sich zu geben. Hat man alles dies überstanden; so ist man Fürst, und damit gut. Und ohnerachtet dieser schrecklichen Qualen gibtes doch in keinem Lande der Welt eine größere An zahl Fürsten als hier. Was sollte ich tun? Ich nahm also das Anerbieten an: denn ausschlagen durfte ich es nicht. Ich hätte sonst die ganze Nation beleidiget. Man kann ja nicht wissen, wozu es einmal nützt, dachte ich. Ich beschloss also, Kazike zu werden, und so wurde denn der Tag anberaumt, an welchem ich die erste Probe ablegen sollte. Das Erste, was man von mir verlangte, war: ich musste vierzig Tage fasten, und zwar aus der Ursache, weil ich ein Ausländer war. Eingeborne fasten zwanzig Tage. Während dieser Zeit waren stets die Deputierten der Nation bei mir, die immer die schönsten Leckerbissen zu Morgen, Mittag und Abend genossen, wo ich dann zusehen musste. Das war hart. Aber ich überstand sie doch glücklich Die zweite Probe bestand darin: ich musste sogleich nach geendigten Fasten eine ungeheure Menge Läuse, Flöhe, Spinnen, die hier sehr groß sind, Fliegen und alles Ungeziefer, welches nur aufzutreiben war, verschlucken, Auch dies tat ich.|[29] Jetzt kamen alle Kaziken der ganzen Nation, mehrere hundert. Nun hieß es: so wie man mir; so tuʼ ich dir. Eine solche erbärmliche Prügelei lässt sich nicht vorstellig machen. Nicht bis aufs Blut! Nein! bis auf die Knochen. Auch hier, so wehe es mir tat, gab ich keinen Laut von mir, keinen Seufzer, nicht einmal ein Zucken oder Verziehen des Mundes konnte man an mir wahr nehmen. Kaum waren einige Tage vergangen: also die Wunden noch nicht geheilet; so legte man mich nackend in eine Matte, hing mich darin auf, und blies mir an die zwölftausend große giftige Ameisen auf meinen Leib. Ich musste alles in doppelter Form leiden, weil ich ein Ausländer war. Dies gierige Geschmeiß sog sich mit solcher Wut in die Haut, dass sie sich eher hätten den Kopf abreißen, als sich herausziehen lassen. Auch dies war geschehen. Man bewunderte von allen Seiten meine ganz außerordentliche Standhaftigkeit, und da ich dies überstanden; so glaubten alle, ich würde die letzte Probe auch aushalten. Ein Gerüste von Rohrstäben war zwei Ellen hoch über der Erde errichtet. Dies war über und über mit Kokus- und andern Blättern bedeckt. Zwischen mehrere Schichten von Blättern begrub|[30] man mich; so dass man nichts von mir wahrnehmen konnte, als eine kleine Röhre, die man mir in den Mund steckte, damit ich Luft schöpfen könnte. Unter dieses Gerüste machte man ein Feuer an, welches nun freilich nicht so hoch ging, dass es dasselbe erreichte; aber doch einen Dampf und eine Hitze verbreitete, die mir beinahe das Leben kostete. Zwei Stunden musste ich in diesem Dampfbade aushalten. Nach Verlauf dieser Zeit wurde gleich ein Freudengeschrei angestimmt, alles weggerissen; man zog mir eine besondere Kleidung an, die mich von allem Volke auszeichnete. Mir ward Glück gewünscht zu meiner neuen Würde, zur glücklich überstandenen harten Probe. In einem goldenen Palankin von Sklaven wurde ich im Triumph aufgeführet, und so fortgetragen zur Hauptstadt, wo nicht allein ein Palast für mich zurecht gemacht, sondern wo nun auch alle mögliche Arten von Vergnügungen nach ihrer Art in Essen, Trinken und Gemütsergötzlichkeiten auf mich warteten. Ich habe diese Kazikenprobe nun einmal bestanden, und doch mögte ich niemandem raten, auf dieses Abenteuer auszugehen. Schon mancher mußte diesen Spaß mit dem Tode büßen. Denn man fragt nichts darnach, wenn auch nach zweistündigem Dampfbade der Kazikande erstickt ist, oder nicht. –––|[30] Hier bin ich denn auch während meiner Kazikenschaft selbst Augenzeuge gewesen, wie die Huronen und Irokesen mit einander umgehen. Ich habe es immer nicht glauben wollen, was ich in manchen Reisebeschreibungen davon las; aber ich war kaum im Stande, bei einer solchen schrecklichen Scene auszudauern. Die Huronen hatten einst einen Anführer der Irokesen, er hieß Kalliban, zum Gefangenen gemacht. Viel Herzeleid hatte er ihnen angetan. Schon oft ihre Dörfer geplündert, angesteckt. Lange war er der Schrecken dieser Nation gewesen. Aber jetzt wollten sie ihm an einem für ihre Rachgier bestimmten Tage vergelten, was er an ihnen getan hatte. Man führte ihn auf ein hohes Gerüste, damit er von allen Zuschauern konnte gesehen werden. Hier wurde er an einem Pfahle festgebunden und mit Feuerbränden gepeitscht. Darauf band man ihn los, ließ ihn gehen, und nun gingen Männer, Weiber und Kinder auf ihn in vereinigter Wut los, als wenn sie ihn zerreißen wollten. Mit einem einzigen Schnitt und Sprung war ihm die ganze Haut hinten vom Kopfe gerissen. Er fiel zu Boden. Man glaubte, er wäre tot, und die Peiniger entfernten sich. Al ein nach einigen Augenblicken raffte sich der Skalpierte wieder auf, ergriff einen Feuerbrand, und|[32] forderte seine Feinde heraus. Mit wildem Rachgeschrei kamen sie auf ihn los. Allein der Irokese jagte sie zurück, indem er sich möglichst hinter dem Gerüste verschanzte. Doch es dauerte nicht lange; so wurde er ergriffen und in ein großes Feuer geworfen, wo sie dann frohlockend um dasselbe herum tanzten. Sie gingen jetzt wieder fort Kaum waren sie zwanzig Schritte gegangen; so rannte er mit einem brennenden Scheite aus dem Feuer heraus, und so auf ein Huronendorf zu, um es anzuzünden, und keiner konnte ihn aufhalten. Endlich fiel es einem ein, ihm einen großen Klotz zwischen die Beine zu werfen. Er fiel. Jetzt hieb man ihm Hände und Füße ab, zog den Rumpf über glühende Kohlen unter den Stamm eines Baumes, der in vollen Flammen stand. Man hörte das Blut zischen, welches überall aus seinen zerstümmelten Gliedern floss, wie es beinahe sogar das Feuer auslöschte, und man glaubte nun völlig, dass es mit ihm aus sei. Aber man betrog sich aufs Neue. Auf einmal schleppte sich der Rumpf dieses fürchterlichen Kerls auf den zerstümmelten Beinen und Armen daher, mit einer solchen Schnelligkeit, dass alles die Flucht nahm. Der arme Kalliban kam mir nun fast so vor, wie der Stummelbein von Dachshund, der sich in meinen Diensten einst die Füße abgelaufen hatte. – Sie konnten ihn nicht wieder habhaft|[33] werden. Er ging seinem Volke wieder zu und wie ich nachher gehört, sind ihm Hände und Füße wieder gewachsen, welches bei diesem Volke nichts Seltenes ist. Er hat noch viele kriegerische Taten getan, und ist noch lange die Geisel der Huronen geblieben, die sich fürchteten und davon liefen, so bald sie ihn nur blicken sahen, oder so bald sie hörten: Kalliban ist wieder da! Diese und mehrere Arten von Grausamkeiten, ihre wilde Lebensart, Unreinlichkeit u. dgl. bewogen mich, möglichst bald aus den wilden Ländern wieder in mein Vaterland zurück zu kehren. ––– |
Hallo: Halla, türkisch Allah`a şükür, gelobt sei Gott! Janitscharenmusik: Feldmusik der Janitscharen, die mit Schlaginstrumenten wie Schellenbaum, Trommeln, Becken, Triangel, Tamburin in erster Linie dazu diente, möglichst großen Lärm zu machen, um dem Feind schon von weitem Angst einzujagen. Unter dem Eindruck der Türkenkriege fand dieses Schlaginstrumentarium im Abendland zunächst Eingang in Militärkapellen. rekognoszieren: erkunden, ausspionieren Amazonen: Völker in griechischen Mythen und Sagen, bei denen Frauen „männergleich“ in den Kampf zogen. Antike Autoren verorten Amazonen in verschiedene Regionen am Schwarzen Meer: im oder nördlich des Kaukasusgebiets, vor allem aber im nordanatolischen Teil des Pontosgebiets, in dem ihre Hauptstadt Themiskyra (am Thermodon) gelegen haben soll. Auch in Karien und Lykien sowie in Libyen sollen Amazonen gelebt haben.
Seit der Antike ist die Herleitung des Namens umstritten und
bis heute ungeklärt. Eine Reihe antiker Autoren führten die griechische
Bezeichnung „Amazone“ auf a-mazos (ἀμαζός „brustlos“) zurück. Denn die Amazonen
sollen ihren kleinen Töchtern die rechte Brust verstümmelt haben, damit diese
später den Bogen ungehindert abschießen konnten.
Herodot: zufolge sollen die Amazonen geflohen sein, nachdem Herakles sie am
Thermodon – im südlichen Schwarzmeerraum – besiegt hatte. Mit Schiffen landeten
sie im nördlichen Schwarzmeergebiet – dem heutigen Südrußland und der Ukraine.
Dort trafen sie auf das nomadische Volk der Skythen und freundeten sich
skythischen Männern an. Schließlich vermischten sich beide Völker. Laut Herodot
bestanden die Amazonen darauf, ihre kriegerische Lebensweise weiterführen zu
dürfen. Die skythischen Männer willigten ein und gründeten mit den Amazonen ein
neues skythisches Volk, den Stamm der Sauromaten. Mit dieser Legende erklärte
Herodot den Griechen das Verschwinden der Amazonen vom ursprünglich
überlieferten Thermodon in Kleinasien. Die Amazonen wollten nicht leben wie die
skythischen Frauen. Die nomadische Lebensweise auf Wagen und die häuslichen
Pflichten entsprachen nicht ihren Vorstellungen. Zeugnisse der Lebenswelt
skythischer Frauen (Schmuck, Keramik, Kosmetika, Spindel etc.) vermitteln einen
Eindruck vom Alltag der Nomadinnen, von ihren sozialen Unterschieden und ihrer
Rolle in der Gesellschaft. Denn archäologisch lässt sich durch die Grabbeigaben
eine Staffelung beobachten: altersmäßig, sozial, funktional-kultisch und auch
modisch.
Ritter Dʼ Eon:
Der Ritter dʼ Eon de Beaumont, geb. i. J. 1728 zu Tonnerre in Frankreich. Er
studirte zu Paris, und machte in den Wissenschaften sehr große Fortschritte,
wodurch es ihm in der Folge möglich wurde, auch als Schriftsteller
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Seine nicht gemeinen Kenntnisse in der
Staatswissenschaft verschafften ihm schon im Jahr 1755 die Stelle eines geheimen
Geschäftsführers am Russischen Hofe, wo er zur gänzlichen Zufriedenheit des
Versailler Cabinets arbeitete. Im siebenjährigen Kriege erwarb er sich durch
persönliche Tapferkeit ungemeinen Ruhm, und rettete bey mehrern Gelegenheiten
die Ehre der Französischen Waffen.
Berühmt wurde der Chevalier d’Éon, weil er weite Teile seines Lebens als Frau
lebte und erst eine Leichenschau die Zweifel über sein tatsächliches
körperliches Geschlecht endgültig ausräumte.
Thomas Stewart: Chevalier d'Eon, Öl auf Leinwand 1792
Mädchen von Orleans: Jeanne d’Arc, auch
Jehanne d’Arc, im deutschen Sprachraum auch Johanna von Orléans oder „die
Jungfrau von Orléans“ genannt, ist eine französische Nationalheldin. Sie wird in
der römisch-katholischen Kirche als Jungfrau und Heilige verehrt. Während des
Hundertjährigen Krieges verhalf sie bei Orléans dem Dauphin und späteren
französischen König Karl VII. zu einem Sieg über Engländer und Burgunder,
anschließend geleitete sie Karl zu seiner Königssalbung nach Reims. Nach der
Niederlage der Franzosen in der Schlacht von Compiègne wurde Jeanne d’Arc am 23.
Mai 1430 durch Johann II. von Luxemburg gefangen genommen, später an die
Engländer ausgeliefert und schließlich in einem kirchlichen Verfahren des
Bischofs von Beauvais, Pierre Cauchon, der pro-englisch eingestellt war,
aufgrund verschiedener Anklagen verurteilt. Am 30. Mai 1431 wurde Jeanne d’Arc
im Alter von 19 Jahren auf dem Marktplatz von Rouen auf dem Scheiterhaufen
verbrannt. Voltaire veröffentlicht 1752 „La Pucelle d'Orléans“ (die Magd von Orleans), ein heroisch-komisches Gedicht in vierzehn Liedern über das Leben der Jeanne d' Arc. Das häufig mit pornographischen Illustrationen versehene Buch wurde trotz Zensur im 18. und 19. Jahrhundert zu einem der meistgelesenen Texte über Jeanne d'Arc.
LA PUCELLE DʼORLÉANS, POËME HÉROÏ-COMIC EN DIX-HUIT CHANTS. A LONDRES M. DCC. XC.. nach S. 186. Zoll: der zwölfte Teil eines Fußes, ca. 2,5 cm über das Maß: über das übliche hinaus Reisebeschreiber: Der Geschichtsschreiber Diodor hielt sich im 1. Jahrhundert v. Chr. längere Zeit in Ägypten auf. Er schrieb über Amazonen in Nordwest-Afrika, die lange vor den kleinasiatischen Amazonen gelebt und unter ihrer Königin Myrina ganz Nordafrika unterworfen haben sollen. Diese libyschen Amazonen wurden bereits von Herodot erwähnt. In einem späteren Abschnitt seines Werks hielt Diodor die Unterscheidung zwischen kleinasiatischen und libyschen Amazonen nicht aufrecht. So sollen es kleinasiatische Amazonen gewesen sein, die einige Inseln der Ägäis angriffen und später Athen belagerten. Der Geograph und Historiker Strabon schreibt gegen Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. in seiner Geographie, die Hauptstadt der Amazonen sei Themiskyra am Fluss Thermodon im kleinasiatischen Teil des Pontos-Gebiets gewesen. Er zweifelt dabei Schilderungen an, die Amazonen hätten viele Völker unterworfen und sogar Athen angegriffen. Strabon kritisiert ferner, dass die alten Quellen keine oder nur unglaubwürdige Auskünfte darüber gäben, wohin die Amazonen gezogen sind, nachdem sie aus dem Gebiet um den Thermodon vertrieben worden waren. Auch zweifelt er an den Berichten, dass die Amazonenkönigin Thalestris Alexander den Großen aufgesucht habe, da sie sich bezüglich der Herkunft der Amazonenkönigin widersprächen und die „glaubwürdigsten“ Autoren diese Sage nicht erwähnten. An anderer Stelle seines Werks geht Strabon ausführlich auf Amazonen ein, die im nördlichen Kaukasus gelebt haben sollen, nach älteren Quellen, die Strabon zitiert, nördlich der kaukasischen Albaner oder als Nachbarn der Gargarier, in Keraunien. Die Amazonen in dieser Region lebten die meiste Zeit des Jahres unter sich, betrieben Ackerbau, Vieh- und Pferdezucht, gingen auf die Jagd und tätigten Kriegsgeschäfte. An zwei Monaten im Frühling träfen sie sich mit den Gargariern auf einem Berg, der beide Gebiete trennt, und zeugten mit ihnen bei Dunkelheit Kinder. Waren alle Amazonen schwanger, verließen sie die Garganer. Die aus diesen Verbindungen gezeugten Mädchen zögen die Amazonen selber auf, die Jungen übergäben sie den Gargariern.[20] Die Gargarier seien laut ungenannten Quellen, auf die sich Strabon stützt, zusammen mit den Amazonen aus Themiskyra in die Gegend gewandert und anschließend von ihnen abgefallen. Nachdem man einige Zeit gegeneinander Krieg geführt hatte, schlossen sie Frieden miteinander und kamen überein, dass beide Völker für sich leben und man nur gemeinsam Kinder zeugt. Das Gebiet der Amazonen, die Strabon beschreibt, durchzog ein Fluss namens Mermadalis, der im weiteren Verlauf noch andere Regionen durchfloss, bis er ins Asowsche Meer mündete. Der Geograph Pomponius Mela berichtete um 44 n. Chr., die Amazonen lebten jenseits der Küste des Kaspischen Meeres, wo die Komaren, Massageten, Kadusier, Hyrkanier und Iberer ansässig waren.
Griechische Erzählungen erwähnen auch verschiedene Inseln, auf
denen zeitweise Frauen ohne Männer gelebt haben sollen. Dort hätten die Frauen
nur zu bestimmten Zeiten mit Männern benachbarter Siedlungen Kontakt, um von
ihnen geschwängert zu werden. Diese Frauengemeinschaften werden aber nicht
durchgängig als Amazonen bezeichnet. So sollen beispielsweise die
Mittelmeerinseln Lesbos und Lemnos zeitweise solche „Fraueninseln“ gewesen sein.
Über die Frauen von Lemnos wurde gesagt, sie hätten sich gegen ihre Männer
erhoben und im Lemnischen Frevel alle gleichzeitig ermordet. ein gewisses Haar: Schamhaare wurden in der bildenden Kunst bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kaum dargestellt. Huronen: ein Volksstamm der Irokesen-Sprachfamilie, welcher aus mehreren Stämmen bestand und einen Bund bildete. Sie wohnten in Gebieten am St. -Lorenz-Strom und in Ontario - eine kanadische Provinz, noch genauer gesagt zwischen den Huron- und Erie-See. (Wikipedia) Palankin: Tragsessel, Sänfte
Irokesen: (französisch Iroquois), Eigenbezeichnung Haudenosaunee („Leute des
Langhauses“), englisch oft Six Nations („Sechs Nationen“) genannt, sind
nordamerikanische Indianer, die einer gemeinsamen Sprachfamilie angehören. Die
irokesischen Sprachgruppen bewohnten ein zusammenhängendes Gebiet rund um den
Ontario-, Huron- und Eriesee. Im Inhaltsverzeichnis gibt Schnorr einen Hinweis auf seine Quelle: Münchhausens Beschreibung kömmt größtenteils bis auf einige Abweichungen mit dem überein, was Fröbing im 2ten Teile der Bürgerschule, Seite 452 davon sagt. Eine solche Fühllosigkeit gegen Pein und Qualen fordern sie besonders von ihren Fürsten (Kaziken). Die Haare werden Euch zu Berge stehen, wenn ich Euch erzähle, welche fürchterliche Proben der Art ein Wilder ablegen muß, der ein Kazike werden will. Ein europäisches Pferd würde die Quaalen nicht aushalten, die ein solcher Wilder erträgt; höret nur: Wenn ein junger Mensch am Oronocko-Fluß nach der Ehre strebt, ein Kazike zu werden, so muß er erst viele Tage nach einander fasten. Ist diese Probe zu seinem Ruhme abgelaufen, so mu0 er die unnatürlichsten, schmutzigsten und ekelhaftesten Speisen und Getränke verschlingen. Wenn er diese leichteren Proben ausgehalten hat, so geht’s an die schwereren. Denn nun stellen sich alle Kaziken der Nation um ihn her, und peitschen ihren künftigen Herrn Collegen nicht etwas blos bis aufs Blut, sondern bis auf die Knochen. Läßt der junge Held während dieser henkermäßigen Mishandlung auch nur einen einzigen Seufzer hören, oder verzieht er den Mund, so ists um die Ehre, wonach er strebt, geschehen. Hat er aber diese Probe glücklich ausgehalten, so schreitet man zu einer andern schrecklichern, die wahrscheinlich jeden europäischen Ochsen rasend machen würde. Wenn er nemlich kaum von seinen Wunden geheilt ist, so legt man ihn nackend in eine Matte, hängt ihn auf und bläst ihm fünf bis sechs tausend große und giftige Ameisen auf den Leib. Dies gierige Geschmeiß saugt sich mit solcher Wuth in die Haut, daß man ihnen wohl den Kopf abreissen, aber lebendig sie von der Stelle nicht wegbringen kann, wo sie sich eingebissen haben. Diese sechstausend Stacheln muß nun der Candidat in seiner erst kürzlich von Geisseln zerrissenen Haut wühlen lassen, ohne zu muchsen. Hat er dies nicht gethan, so geht’s an die letzte Probe. Man legt ihn auf ein Ger4üst von Rohrstäben, das eine Elle hoch von der Erde errichtet ist. Hier wird er über und über mit dicken, eine Elle langen Blättern bedeckt: damit er aber nicht ersticke, steckt man ihm ein langes Rohr in den Mund, wodurch er Othem holen kann. Wenn er nun mit vielen Schichten Blättern belegt, und gleichsam ganz eingemauert ist, zündet man unter ihm ein Feuer von Blättern an, dessen Flammen zwar nicht an seinen Leib reichen, dessen Hitze und Rauch aber allein schon, ohne die drückende Blätterlast, jede europäische Menschenbrust zersprengen würde. Der gedämpfte Cron-Candidat mag sterben, oder leben, so läßt man ihn dennoch eine bestimmte Zeit in seinem Dampfgrabe liegen. Ist aber diese verflossen, so nimmt man mit der größten Geschwindigkeit die Blätter weg, und wünscht ihm, wenn er auch dies Meisterstück ehrenvoll abgelegt hat, Glück zur Würde. Was meynet Ihr, wenn solch Proben einen Helden ausmachten: wie viel Helden würden wir wohl in Europa heben? […]
Die Huronen und Irokesen sind zwey Nachbar-Völker in Nordamerica, die
beständig miteinander Kriege führen. Einst hatten die Huronen einen Anführer
der Irokesen zum Gefangenen gemacht, der als ein erfahrener Krieger schon
lange der Schrecken der Huronen gewesen war. An dem für ihre Rachsucht
feierlichen Tage, an welchem sie ihn zu Tode martern wollten, liessen sie
ihn auf ein hohes Gerüst steigen, damit ihn die Zuschauer besser sehen
könnten. Nachdem man ihm die Hände und Füße an einem Pfale festgebunden
hatte, fieng man an, ihn mit Feuerbränden zu peitsche und zu stoßen, wobey
er nicht einmal eine Miene zog. Nur darüber ward er unruhig, daß einer
seiner Mitgefangenen, der gleiche Martern auszustehen hatte, , nicht
standhaft genug war. Nachdem also dieser todt gebrannt war, wandte sich die
vereinigte Wuth der Männer, Weiber und Kinder (denn Weiber und Kinder sind
in America gewöhnlich die geschäftigsten Peiniger) gegen ihn allein, als
wenn man ihn auf einmal zerreißen wollte. Der Irokese blieb immer ruhig, und
ließ seine drohenden Augen schiessen Als man nicht mehr wußte, wie man ihn
angreifen sollte, fiel es einem seiner Peiniger ein, ihm die Kopfhaut
abzulösen, und mit Gewalt abzureißen. Hiedruch fiel er zu Boden. Man
glaubte, er sey todt, und seine Peiniger entfernten sich. Allein nach nach
einigen Augenblicken ermannte sich der geschundene wieder, riß sich los,
ergriff einen Feuerbrand, ohngeachtet seine Hände schon ganz vom Feuer
entfleischt, und zusammengeschrumpft waren, und forderte seine Feinde
heraus, daß sie sich ihm nähern sollten. Sie erschienen wieder mit einem
wilden Rach-Geschrey. Einige nahmen Feuerbrände, andere glühende Eisen und
drangen also auf ihn ein; allein der Irokese jagte sie alle zurück, und
bauete sich aus den Treppen, auf welchen man zu ihm hinaufgestiegen war,
eine Verschanzung, hinter welcher er sich einen Zeitlang vertheidigte, und
den erstaunten Huronen Trotz bot. Unglücklicher Weise that er jetzt einen
Fehltritt, und der lieferte ihn seinen Feinde wieder in die Hände. Nachdem
sich diese müde an ihm gepeinigt hatten, warfen sie ihn in eine großes Feuer
und stellten sich frohlockend um dasselbe herum, weil sie es schlechterdings
unmöglich hielten, daß der schon so gut wie todtgepeinigte Irokese würde
herauskommen können. Es dauerte aber nicht lange, so rannte er mit einem
brennenden Holze nach dem Huronen-Dorf zu, um es anzuzünden. Niemand hatte
das Herz, ihn aufzuhalten. Man warf ihm also einen großen Klotz zwischen die
Beine, der ihn zum Fallen brachte. Nun hieb man ihm Hände und Füße ab,
rollte den Rumpf über glühende Kohlen, und warf ihn endlich unter den Stamm
eines Baumes, der in vollem Feuer war. Das Blut, das aus seinem
verstümmelten Gliedern floß, löschte beinahe alles Feuer aus, und man
glaubte also, daß er auch nicht die geringste Bewegung mehr haben könne.
Allein man betrog sich aufs neue. Denn auf einmal schleppte sich der Rumpf
dieses fürchterlichen Kriegers auf den Knieen und Ellenbogen daher, mit
einer solch drohenden Miene und solcher Schnelligkeit, daß die
zunächststehenden die Flucht nahmen. Endlich aber näherte sich ihm ein
Hurone und hieb ihm den Kopf ab. –
Jacques Grasset de Saint-Sauveur: Costumes de Différents Pays, 'Guerrier Iroquois'; kolorierte Stiche um 1797
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Ich machte einst eine Reise, wie das nicht anders möglich war, über das große Weltmeer. Wunderbare Fata stießen mir auch hier auf. Aber da ich diesmal kein eigentliches Tagebuch hielt; so ist auch manches davon vergessen worden. So viel erinnere ich mich noch bei dieser Gelegenheit, dass ich einen Seehund, der häufig an unser Schiff kam, durch allerlei Lockungen von Brot und andern Speisen zahm machte. Eine ganze Zeit wich er fast nie vom Schiffe. Als ich dies|[34] bemerkte, dachte ich, ob er sich vielleicht beikommen ließe. Ich streichelte ihn sanft mehrere Tage, und sieh, er ließ sich gar einen Zaum anlegen, auch ließ er auf sich reiten; so dass ich mehrere Seemeilen zur Verwunderung aller mit ihm reisen konnte, ohne dass er sich im Mindesten gegen mein Spornen oder gegen mein Lenken auflehnte. Nur zuweilen, wenn ich meinen Spaß zu weit mir ihm trieb, wenn er die Schule machen sollte, ging er mit mir unter Wasser. Ich klammerte mich dann mit meinen Knien fest an, und suchte ihn durch allerlei Gaben und Liebkosungen wieder zur Raison zu bringen. Wie sehr uns dies einst zu Statten kam, will ich jetzt erzählen. Eine räuberische Barbarengaliote nahte sich unserm Schiffe, und wollte es durchaus entern. Der Kaper, der erst nicht an uns kommen konnte, gab mehrere Lagen nacheinander auf unser Schiff, wovon ich den größten Teil der gefährlichsten Kugeln auffing. Dafür wurde beschlossen, dem Korsaren wieder einen Streich zu spielen, der ihm übel bekommen sollte – und zwar sollte er die Bezahlung in seiner eigenen Münze erhalten. Dieselben Kugeln, die ich aufgefangen hatte, machte ich geschwind auf einem Roste glühend, packte sie in dazu gehörige Kapseln, setzte mich auf meinen Seehund, ging mit|[35] meiner Ladung unter Wasser, bohrte mit einem großen Bohrer ein Loch üben der Pulverkammer, schmiss die glühenden Kugeln hinein, und – in einem Hui flog der Korsar in die Luft; unterdessen ich in pfeilschneller Geschwindigkeit wieder meinem Schiffe zueilte.
„Bravo!“ erschallte von allen Seiten des Schiffes, und der Schiffskapitän lobte nicht allein meinen Eifer, indem er selbst gestand, dass er ohne mich samt seiner ganzen Ladung ein Opfer des Korsaren geworden wäre, sondern gab auch denselben Abend ein herrliches Gastmahl, wo auf mein Wohlsein recht tapfer getrunken ward. Zur Belohnung und stetem Andenken an die Treue dieses Seehundes, der nicht von mir wich, selbst als wir schon ans Land gestiegen waren – ließ ich ihm einen Fang geben, sein Fell ausstopfen und ihn zur Rarität in mein Münzkabinett aufhängen, wo er noch zu sehen ist. |
Wunderbare Fata: Anspielung auf den Titel von Johann Gottfried Schnabels Roman Insel Felsenburg, dessen vier Teile 1731, 1732, 1736 und 1743 unter dem Pseudonym Gisander in Nordhausen erschienen. Der Titel des ersten Teils lautet: Wunderliche FATA einiger See-Fahrer, absonderlich Alberti Julii, eines gebohrnen Sachsens, Welcher in seinem 18den Jahre zu Schiffe gegangen, durch Schiff-Bruch selb 4te an eine grausame Klippe geworffen worden, nach deren Übersteigung das schönste Land entdeckt, sich daselbst mit seiner Gefährtin verheyrathet, aus solcher Ehe eine Familie mit mehr als 300 Seelen erzeuget, das Land vortrefflich angebauet, durch besondere Zufälle erstaunens-würdige Schätze gesammlet, seine in Teutschland ausgekundschafften Freunde glücklich gemacht, am Ende des 1728sten Jahres, als in seinem Hunderten Jahre, annoch frisch und gesund gelebt, und vermuthlich noch zu dato lebt, entworffen Von dessen Bruders-Sohnes-Sohnes-Sohne, Mons. Eberhard Julio, Curieusen Lesern aber zum vermuthlichen Gemüths-Vergnügen ausgefertiget, auch par Commission dem Drucke übergeben Von Gisandern. NORDHAUSEN. Anno 1731.
die Schule: das Handwerk des Reitens, klassische Reitkunst Barbarengaliote: Galioten waren vornehmlich Handelsschiffe, wurden aber im 17. Jahrhundert auch als kleinere Kriegsschiffe verwendet. Kaper: schiff, in kriegszeiten von privaten ausgerüstet auf grund eines kaperbriefs (ermächtigung von seiten der admiralität), um der einen partei zu dienen, besonders durch beschädigung des feindlichen handels; daher 'privilegierter seeräuber'. (GWB)
Korsaren: Als Barbaresken-Korsaren (auch
Barbaresken-Piraten) werden die muslimischen Kaperfahrer im Mittelmeer
bezeichnet, die vom 16. Jahrhundert bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts von
dem als Barbarei-Küste bezeichneten Teil der nordafrikanischen Küste aus
agierten.
Antoine Roux: Korsarenschiff auf Verfolgungsjagd Aquarell, um 1800.
Münzkabinett: Nach ersten Sammlungen historischer Münzen
im 14. und 15. Jahrhundert entstanden parallel zu den Kuriositätenkabinetten
im 16. Jahrhundert erste fürstliche Münzsammlungen.
Der Seehund ist eine in allen
nördlich-gemäßigten Meeren verbreitete Robbe aus der Familie der
Hundsrobben.
Friedrich Justin Bertuch: Bilderbuch für Kinder. Weimar 1798. |
Der Winter im Jahr 1788 ist noch jetzt bei allen, die ihn erlebten, im Andenken, und wird auch sobald noch nicht vergessen werden. Alles,|[36] alt und jung, weiß nicht genug von den Fatalitäten desselben zu erzählen. Man höre, wie es mir einst erging, als ich zu Pferde auf einer Reise nach H… war. Mir fehlte es an Nichts. Ich hatte Pelzstiefeln an und in jedem Stiefel eine Wärmflasche. Auch hatte ich einen mächtigen Mantel umgeschlagen. Aber mein Pferd – wer sollte es gedacht haben? Der Schnee ballte sich. Es war gerade ellenhoher Schnee gefallen, die Landstraßen beinahe nicht zu passieren. Es war zwischen Tau- und Frostwetter. Der Schnee ballete sich immer höher und höher. – Es stand am Ende still und konnte nicht aus der Stelle, weil so starkes Frostwetter einfiel, dass es fest fror. Ein Glück war es, dass ich einen Reitknecht bei mir hatte. Dieser ritt ein jüngeres Pferd von hitzigerer Natur. Auf selbes setzte ich mich, und ließ meines so lange stehen, bis wir nach acht Tagen wieder zurückkamen, wo eben Tauwetter einfiel, und wir es also wieder mit zurücknehmen konnten. Ebenso ging es uns denselben Winter mit einem schönen Wagen. Meine Frau und ich fuhren nach Hameln, und der Schnee ballte sich den Tieren ebenso unter die Füße. Auf Einmal machten Wagen und Pferde Halt. Ich kommandierte: Zugejagt, es friert sonst alles fest. Und|[37] Johann ließ es stark zugehen. Es war indessen ein Glück, dass Tauwetter einfiel. Wir hätten dasselbe Schicksal gehabt, was ich mit dem Pferde erleben musste. –––
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Winter im
Jahr 1788: In dem Jahr 1788 und 1789 war schon fast den größten
Theil des Dec. eine starke Kälte, den 20sten aber wurde die Witterung so
gelinde, daß das Reaum. Therm. bis auf 5 Gr. über den Frierpunkt davon stieg.
Allein schon am folgenden Tag fieng die Kälte wieder an zu steigen, und nun
fiengen die Wald- und Obstbäume auch an, mit lautem Knall zu zerspringen. Hameln: Stadt 20 km nördlich von Bodenwerder an der Weser. Nach dem Tod von König Georg II. von Großbritannien-Hannover 1760 wurde noch während des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) unter seinem Nachfolger König Georg III. die Festung Hameln durch die Befestigungsanlagen auf dem Klüt verstärkt. Das Fort I. (Fort George) wurde von 1760 bis 1763 auf dem Berg Klüt errichtet. 1774 bis 1784 wurden auf dem Klüt zwei weitere Forts angelegt: Fort II. (Fort Wilhelm) und Fort III. Damit wurde Hameln zum uneinnehmbaren Gibraltar des Nordens, der stärksten Festung des damaligen Kurfürstentums Hannover.
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Kurhannoversche Landesaufnahme des 18. Jahrhunderts; Die Weser von Bodenwerder nach Hameln (oben)
Dass ich in meinen jüngern Jahren bis in mein sechzigstes Jahr ganz ausgezeichnete Stärke besaß, davon gab ich mehrere Proben. Z. B. wo von der großen Kanone die Rede ist, die ich bei Konstantinopel über das Meer werfen sollte, wo ich aber zu kurz kam, die Kanone ins Meer fiel, und ich dadurch in Ungnade geriet. Der Großsultan zweifelte gar nicht an der glücklichen Ausführung dieses Kunststücks, weil ich ihm selbst ein Beispiel von Stärke gab, welches er mir ewig nicht verdanken konnte, und doch so bald vergaß. Aber so sind die Großen der Erde! Es geschah wenige Tage vorher, als ich jenes Stück ausführen wollte, wozu mir der Sultan den Auftrag gegeben hatte. Er hatte die Gnade, mich [mit sich] ins Arsenal zu nehmen. Hier musste mir der Aufseher alles nur mögliche Sehenswürdige zeigen. Mehrere Sa|[38]chen wurden mir in Gegenwart des Großherrn vorgewiesen, die voller Staub und Schmutz waren. Darüber geriet der Sultan in so große Heftigkeit, dass er nicht nur seinen Zorn in Worte ausbrechen ließ, sondern sogar auch dem Aufseher einen solchen Schlag ins Auge gab, dass ein nahestehendes offenes Pulverfass augenblicklich zündete, und einen Teil des Arsenals zersprengte, wo ich dann zugleich die Gegenwart des Geistes hatte, als das Ganze mit uns aufflog, den Sultan meinen Herrn so fest zu fassen, und zugleich in der Luft zu behalten, dass wir nicht einmal unsanft zur Erde nieder kamen. Ein Glück für uns, dass wir auch durch keine einzige Trümmer beschädigt waren. Wir hatten auch nicht den geringsten Schaden genommen. Alles an uns war unversehrt geblieben, zum Erstaunen aller, die unser Abenteuer erfuhren. Von dem Oberaufseher, der gerade über dem Fasse den Schlag ins Auge bekommen hatte, wovon dasselbe in Brand geraten war, hatte man, auch selbst nach vielem Nachsuchen, nicht eine Spur gefunden. Der Großsultan beklagte mehr, als seine Lieblingskanone, die in großen Ketten unter dem Gewölbe des Arsenals aufgehangen war, welche mir als etwas ganz Außerordentliches|[39] zeigte. Er ließ sie überall suchen. Ein Bote brachte dann zu seiner Freude die Nachricht, dass sie jenseits des Meeres niedergefallen sei. Daher der Antrag, der, ich weiß nicht, durch welch ein Verhängnis so unglücklich für mich ablief.
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ins Meer fiel: Bürger erzählt davon im Siebenten-Seeabenteuer. der Großsultan: Abdülhamid I. (1725-1789), Sultan des Osmanischen Reiches und 106. Kalif des Islam. mit sich: nach Schnorr 1803, S. 224 Arsenal: Eine militärische Einrichtung für die Lagerung, Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Reparatur von Waffen Munition und anderen Kriegsmaterialien.
Noch sind einige Lügen zu erwähnen, welche in den Werken des Paters
Abraham a Santa Clara begegnen. So sehr dieser auch gegen das Lügen eifert,
so mischt er doch mit grosser Neigung in seine Expectorationen eine Menge
der Lügenschv»änke, die bisher schon ihre Besprechung fanden, und zwar hält
er sich dabei meist ziemlich wörtlich an seine Quellen. Eine Anzahl Lügen
erzählt er in verschiedenen Schriften auch in verschiedener Fassung, andere
kehren öfter in seinen Werken wieder oder werden wenigstens berührt. Keine
ältere Quelle habe ich aufgefunden für die Lüge von der Ohrfeige, welche das
Zeughaus in Constantinopel entzündete, indem ein Funke aus dem Auge des
Geschlagenen in ein Pulverfass fiel; ähnlich schlägt Münchhausen Feuer aus
seinen Augen und entzündet damit seine Flinte. 5. Das von einer Maulschelle angezündete Zeughauß.
Ein Cavallier strich einstens in einer honetten Compagnie seine Reisen,
besonders die er nach Constantinopel gethan haben wolte, und war er allda
gesehen, gewaltig heraus; wobey er unter andern auch meldete: Wie er auch
des Groß-Sultans Zeug-Hauß besehen, und zwar eben um die Zeit, da der
Groß-Vezier dasselbe zugleich visitiret; weil er aber etliche rostige Säbel
und Büchsen erblicket, so habe er dem Zeug-Wärter aus Zorn eine folche
Maulschelle gegeben , daß ihme das Feuer aus dem Augen gespritzet, davon
eine Funcke in das nahe dabey stehende Pulver-Magazyn geflogen, und ein mit
Pulver angefülltes Faß ergriffen, wodurch das gantze Zeug-Hauß benebst dem
Groß-Veszier und dem Zeug-Wärter selbst in die Lufft geflogen, und die halbe
Stadt Constantinopel in Brand gerathen, und sey er kümmerlich mit dem Leben
davon gekommen, bloß, daß ein lebendiger Zeuge zu gegen seye, der solches
der Nach-Welt erzehlen möge.
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Doch dies ist fast noch nichts. Alle jetzt folgenden Proben von Stärke übertreffen, mehr oder weniger, alle von mir bekannte Stücke. Es war mir ein Leichtes, noch in meinem 59sten Jahre an jedem Finger ein Gewehr, also zehn Gewehre, auf welche unten noch eine oder zwei Flinten gelegt wurden, mit steifen Armen in die Höhe zu heben. ––– Zwei blasende Trompeter, den einen in der linken, den andern in der rechten Hand, war ich im Stande, ohne alle Anstrengung zur Bewunderung aller Zuschauer, eine halbe Stunde außer dem Fenster zu halten. ––– Einst hatte ich eine kleine Reise zu Pferde gemacht. Mein Pferd hatte das eine Hufeisen|[40] verloren. Ich suchte noch hinzukommen nach Latferde, einem kleinen Orte auf der Tour nach Hameln. Ich reite daselbst vor die Schmiede, um mein Pferd beschlagen zu lassen. Mit Fleiß sagte ich dem Schmied, er möchte mir ein starkes Hufeisen machen. Er schmiedet ein sehr starkes und zeigt es mir: ob es meine Approbation erhält. Wie erstaunt der Schmied, als er sieht. dass ich es zerbreche wie einen Pfeifenstiel! Er macht ein anderes: ich zerbreche es wieder, eben wie das vorhergehende. Er macht ein drittes. Ich mochte ihn nicht langer vexieren, sondern gab den Befehl, es nur sogleich aufzuschlagen. Als er fertig war, fragte ich: was meine Schuldigkeit wäre? Der Schmied sagte: ein Gulden. Der Schmied nahm den Gulden, und mit den Worten: er taugt Nichts, ihr Gnaden! zerbrach er ihn, wie ich das Hufeisen. Gut das! sagte ich: ich sehe, ihr seid stark. Hier habt ihr noch einen Gulden, behaltet beides. Aber dafür sollt ihr noch etwas sehen, das eure Kräfte doch wohl übersteigt. Ich nahm eine Stange Nageleisen, und drehete ihm diese um den Hals zu und bat ihn. er möchte sie wieder aufdrehen. Das war er nicht im Stande. Ich erlösete ihn also von seinem Halseisen, und reisete unter Verwunderung meiner Wege. –––|[41] Als die Straßen neu gepflastert wurden, Und die großen Schwankbrunnen mit Brunnenpfählen vertauscht wurden, sahe ich einmal, zu meinem größten Erstaunen, dass zehn und mehrere Menschen damit beschäftigt waren, einen Brunnenpfahl einzusetzen. „Geht alle bei Seite!“ rief ich ihnen zu. Sie gingen weg. Ich fasste den Brunnenpfahl in beide Arme und setzte ihn in seine Stelle. ––– An einem sehr schönen Frühlingstage im Mai äußerte eine lustige Gesellschaft, die gerade an diesem Tage bei mir war, sie wünsche im Garten unter den vier ins Quadrat gepflanzten Lindenbäumen zu essen. Die Tafel für zehn Personen stand schon gedeckt im Esssaal. Die Suppe war schon in einer Terrine aufgetragen. Die Bedienten wollten sich schon mit dem Transport derselben beschäftigen. Das wollte ich nicht. Das hätte uns nicht allein zu lange vom Essen abgehalten, sondern die Suppe wären uns auch kalt geworden. Was war also zu tun? Ich fasste die. ganze Tafel, so wie sie da stand, an dem einen Beide, ließ die Flügeltüren aufmachen, und so trug ich mit steifem Arme die ganze Tafel, mit allem,|[42] was darauf war, in den Garten, ohne im mindesten anzustoßen, oder irgend etwas, was auf dem Tische stand, aus der kleinsten Ordnung zu bringen, oder nur einen Tropfen Suppe zu verschütten. Wie oft habe ich vor den Augen aller meiner guten Freunde ein ganzes Dutzend Teller zusammen und wieder auseinander gerollet; so dass alle bekennen mussten, wenn sie auch ihre Stärke versuchen wollten, solche Stärke hätte man bis jetzt so wenig in Israel als unter den Christen gefunden. –––
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Zwei blasende Trompeter: Unter den Kraftstücken, welche Gargantua auszuführen vermag (Cap. 26), findet sich auch die That Münchhausens, der zwei Trompeter zürn Fenster hinaushält, vorgebildet:
Ließ ihm, wie der groß Keyser Carl, einen Kürisser auff die Hand stehn, und
hub denselben stracks mit dem einigen arm auff biß zu seinen achsseln, und stelt
ihn darnach wider nider.
Wenn Fischart seinem Helden dieses Kraftstüek andichtet, so passt es nur zu
dem überhaupt von ihm entworfenen Bilde. Alles was er an Gargantua beschreibt,
bewegt sich in märchenhaft unglaublich grossen Verhältnissen. Latferde: Ortschaft auf dem rechten (östlichen) Weser-Ufer, ungefähr auf dem halben Weg zwischen Bodenwerder und Hameln.
Hameln um 1790; kolorierter Kupferstichvon Anton Wilhelm Strack Approbation: Anerkennung, Genehmiguing vexieren: necken
Nagleisen: Ein Nageleisen bezeichnet seit
Jahrhunderten in der Schmiedetechnik ein Grundwerkzeug zur Herstellung von
handgeschmiedeten Nägeln. Israel: hier in der Bedeutung: unter Juden. Schwankbrunnen: Schwingbrunnen sind Ziehbrunnne mit Schwingbaum und Gegengewicht. Brunnenpfählen: Schwengelpumpen sind selbst ansaugende Wasserpumpen, deren Kolben über einen zweiarmigen Hebel, Schwengel genannt, mit der Hand betätigt wird. Der Kolben ist über eine Kolbenstange direkt mit dem kürzeren Arm des Schwengels verbunden und meist mit einer Manschette aus Leder abgedichtet. Sie werden in schwere gusseiserne Pfähle eingebaut.
Blick in die Klosterstraße in Berlin mit der Parochialkirche; links steht eine Schwengelpumpe. Kolorierter Kupferstich um 1780.
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Mein bestes Reitpferd, welches mir Alters halber nicht mehr dienen konnte, und welches schon einige Jahre das Gnadenbrot genoss, wusste ich doch noch lange zu gebrauchen und auf eine eigene Art sein Andenken zu ehren. Ein treues Pferd und ein treuer Hund, beide sind Tiere, die man nicht wohl verlassen kann. Und – wie vieles kommt vorzüglich im Kriege auf ein braves Pferd an! Ich ließ mir die Haut davon bringen, schickte sie zu einem Manne, der sie recht fein zu verar|[43]beiten wusste, und überzog sie mit Federharz. Wollte ich nun eine Reise machen; so füllte ich diese Haut mit inflammabler Luft und erhob mich damit von der Erde. Es lässt sich nicht bequemer in der Welt reisen, als mit einem Luftpferde. Man stößt nirgends an, und dann geht es auch viel geschwinder. Das Beste war, dass sich dies Tier in der Luft so gut regieren ließ, als auf der Erde. Denn es war nun einmal seinen Herrn gewohnt. Sollte es sich heruntersenken, so drückte ich es allmählig mit den Knien zusammen, Damit die inflammable Luft hinten wegging. So oft ich in ein Wirtshaus gehen wollte, oder zu guten Freunden kam, und ich mich heruntergelassen hatte, konnte ich es zusammen legen und es bequem in der Tasche tragen. Ein wahres Wundertier! Oft machte ich dann auch den Spaß, und nahm ein Hifthorn mit auf die Reise. Da glaubten dann die Menschen, wenn sie die Jagdstücke hörten, und doch niemanden in der Luft sahen, denn ich war oft so hoch, dass ich nichts von der Erde sehen konnte: ein neuer Hackelnberg sei auferstanden. Überhaupt konnten sie das Kunststück nicht recht kapieren, wenn ich mich von der Erde und zwar in solcher Schnelligkeit in die Höhe hob.|[44] Mehreremale habe ich auch arme Sünder bekehrt, indem ich ein Sprachrohr mitnahm, und dann den Menschen zurief: Sünder, bekehrt euch! Dies nahmen sie für eine Stimme vom Himmel, und änderten nicht selten ihren Lebenslauf. Kein Vogel in der Luft war jetzt vor mir sicher, und wenn sie auch noch so hoch stiegen. Ich schoss sie alle herunter, Trappen, wilde Gänse, Auerhähne – alles. Ich möchte fast behaupten, es sei keine angenehmere Jagd, als in der Luft. Und – variatio delectat. ––– Noch habe ich der Welt eine wichtige Entdeckung mitzuteilen, die so natürlich ist, dass ich gar nicht begreife, wie man nicht schon längst darauf gekommen, da sich unser Erzvater Jakob, gottseligen Andenkens, schon derselben bedienet, da er bunte Stäbe schnitt, über welchen die Schafe und Ziegen empfangen mussten. Ich lasse stets die gräfl. Lippischen oder andere buntbemalten Wappen in die Tränkrinnen oder Krippen der Pferde legen, und – die jungen Füllen bringen diese Wappen völlig blasonieret an ihrem Körper auf die Welt. Auf solche Weise sind meine Pferde|[45] größtenteils vom Senner-Gestüt, ob sie gleich diese Stuterei nie gesehen haben. ––– Wer der Drache war, den ich einstmal in Nubien durch Pechkuchen vergiftete, dass er mitten entzwei borst, hat sich eigentlich nachher erst klärlich dargetan. Die Welt wird mir es gewiss noch Dank wissen, so lange sie steht. Es war niemand anders, als Beelzebub, der oberste der Teufel. Sein ganzes Heer ist seit dieser Zeit stille geworden. Es gibt zum Trotze der Orthodoxen jetzt keine Teufel mehr. Jetzt darf und kann ich es öffentlich sagen, da seit dieser Zeit niemand mehr einen Teufel glaubt. Die Krone dieses seltsamen gehörnten Ungeziefers, das so vielen Spuk angerichtet hat, sie ist von echtem 48karätigen Golde, 6½ Pfund schwer, befindet sich in meinem Naturalienkabinett. ––– Viel haben die Menschen bisher vom Vogel Phönix gehört. Aber gewiss unter mehr als Millionen ist keinem das Glück widerfahren, einen solchen gesehen, noch weniger geschossen zu haben. Denn es gibt nur einen. Mein Bousket hatte sich derselbe seiner schönen Lage wegen einst erwählet, um hier ein Fest|[46] zu halten, welches er nur alle dreihundert Jahr begeht. An einem schönen Sommermorgen recht frühe ging ich in demselben spazieren, als mich ein bezaubernder Anblick, der mir Ehrfurcht ein flößte, in einiger Entfernung erhielt. So eben war der alte Phönix, dessen Schönheit nicht zu beschreiben ist, sowohl an äußerlicher Gestalt, als an Farben und Glanz seiner Federn, im Begriff, sich auf einen von Röhrigt gemachten Scheiterhaufen lebendig zu verbrennen. Er brannte schon lichterloh, und ich sah, wie allmählig aus der Asche desselben ein neuer Phönix sich entwickelte. So wie ich sah, dass er völlig seine Gestalt er langt hatte, legte ich meine Flinte an den Kopf, die ich, um desto sicherer zu treffen, mit einer silbernen Kugel geladen hatte, schoss, und – er fiel zu meinen Füßen, und hauchte sein Leben aus. Seit dieser Zeit gibt es nun auch keinen Vogel Phönix mehr. Nirgends anders befindet er sich, als ausgestopft in meiner Vogelsammlung. Der Hals und die Federn des Pfauen, der Glanz der Federn des Goldkolibrit, nichts sind alle Vögel gegen den Vogel Phönix. –––|[47]
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Federharz: Kautschuk, elastisches Gummi, Gummi elasticum, nennt man die an der Luft geronnenen Milchsäfte verschiedener Gewächse Amerikas und Ostindiens. inflammabler Luft: Wasserstoff-Gas Hackelnberg: Sagenhafter Jäger, der als Gespenzt durch die Luft fliegt.
Sprachrohr: Gerät, das die Ausbreitung von
Schall lenkt
und damit die Verständlichkeit vor allem gesprochener Sprache auch in weiterer
Entfernung des Hörers vom Sprecher verbessert. ( Trappen: Trappen sind kleine , flugfähige Vögel Auerhähne: Vogelart aus der Familie der Fasanenartigen und der Ordnung der Hühnervögel. variatio delectat: Abwechslung macht Freude bunte Stäbe: Das nun Rahel den Josef geboren hatte, sprach Jacob zu Laban: Laß mich ziehen und reisen an meinen ort, und in mein land. Gib mir meine weiber und meine kinder, darum ich dir gedienet habe, dass ich ziehe, denn du weißt, wie ich dir gedienet habe. Laban sprach zu ihm: Laß mich gnade vor deinen augen finden. Ich spüre, dass mich der HErr segnet um deiner willen. Bestimme das Lohn, das ich dir geben sol. Er aber sprach zu ihm: Du weißt, wie ich dir gedienet habe, und was du für vieh hast unter mir. Du hattest wenig, ehe ich herkam; nun aber ists ausgebreitet in die menge, und der HErr hat dich gesegnet durch meine fuß, und nun, wann sol ich auch mein haus versorgen? Er aber sprach: Was sol ich dir denn geben? Jackob sprach: Du solt mir nichts überall geben, sondern so du mir thun wilt, daß ich sage, so wil ich wieder weiden und hüten deiner schaafe.. Ich will heute durch alle deine heerde gehen, und aussondern alle fleckete und bunten schaafe, und alle schwarzen schaafe unter den lämmern, und die bunten und flecketen ziegen. Was nun bunt und flecket fallen wird, das sol mein lohn seyn.
So wird mir meine gerechtigkeit zeugen heut oder morgen, wann es kommt, daß
ich meinen lohn von dir nehmen sol, also, daß, was nicht flecket oder bunt, oder
nicht schwartz seyn wird unter unter den lämmern und ziegen, das sey ein
diebstahl bey mir. Da sprach Laban: Siehe da, es sey, wie du gesagt hast. Und
sonderte des tages die sprenglichen und bunten böcke und alle flecketen und
bunten ziegen, wo nur was weißes dran war, und alles, was schwartz war unter den
Lämmern, und täts unter die hand seiner Kinder. Und machte raum dreyer tage
reise weit, zwischen ihm und Jacob. Also weidete Jacob die übrige herde Labans.
Jacob aber nahm stäbe von grünen pappel-bäumen, haseln und kastaneen, und
schelete weisse streiffe daran, daß an den stäben das weisse bloß ward. Und
legte die stäbe, die er geschelet hatte, in die tränck-rinnen vor die heerde,
die kommen musten, zu trincken, daß sie empfangen solten, wann sie zu trincken
kämen. Also empfingen die Herde über den stäben, und brachten spenglichte,
fleckete und bunre. Da scheidete Jacob die lämmer, und that die abgesonderte
heerde zu den flecketen und schwartzen in der heerde Labans, und machte
ihm eine eigene heerde, die that er nicht zu der heerde Labans. Wann aber der
lauff der frühlings-heerde war, legte er diese stäbe in die rinnen vor die augen
der heerde, daß sie über den stäben empfingen. Aber in der spätlinger lauff
legte er sie nicht hinein. Also wurden die spätlinge des Labans, aber die
frühlinge des Jacobs. Daher ward der mann über die masse reich, daß er viele
schaafe, mägde und knechte, kameel und esel hatte. Wappen: Lippisches Wappen 1687–1798 Münchhausen-Wappen blasonieret: ein Wappen beschreiben, erklären, kunstgerecht ausmalen
Senner-Gestüt: Das Senner Pferd ist ein leichtes,
mittelgroßes Pferd im Typ des Anglo-Arabers. Es ist elegant und temperamentvoll.
Alle Farben sind möglich. Es gilt als eine der ältesten bekannten Pferderassen
Deutschlands. Wilde Pferde im Heidegebiet der Senne wurden 1160 erstmals
urkundlich erwähnt. Im Mittelalter galten die Senner Pferde als begehrte Rasse.
Bernhard I. von Oesede, der Bischof von Paderborn, gab in einer Schenkung den
dritten Teil seiner ungezähmten Stuten an das von ihm begründete Kloster
Hardehausen. Senner galten im Mittelalter als eine begehrte Kulturrasse. Als
1493 im Auftrag der Gemahlin des Grafen Bernhard VII. von Lippe der Bestand der
wilden perde erfasst wurde, ergab sich die Zahl von 64 Individuen, darunter 23
Mutterstuten und 18 Fohlen, was schon damals auf eine gute Fruchtbarkeit
schließen lässt. Das seit dem 16. Jahrhundert existierende Gestütsgebäude, bei
dem fürstlich-lippischen Jagdschloss Lopshorn in der Senne gelegen, diente der
verhältnismäßigen kontrollierten Zucht und Bestandsüberwachung. in Nubien durch Pechkuchen vergiftete: eine Erzählung in Schnorrs esrter Münchhausiade
Beelzebub: auch Belzebub, Beelzebul,
Beelzebock oder Belsebub, ist in der Mythologie ein Dämon oder eine lokale
Gottheit der Philister. Im übertragenen Sinne wird Beelzebub auch als andere
Bezeichnung für den Teufel gebraucht. zum Trotze der Orthodoxen: Balthasar Bekker (1634-1698) war ein deutsch-niederländischer, protestantischer Theologe, Philosoph und Prediger der frühen Aufklärung. Als Hexentheoretiker kämpfte der Aufklärer gegen die Hexenverfolgung. [...] In Amsterdam begann er seinen Kampf gegen den Aberglauben, wobei wohl als auslösendes Moment das Erscheinen eines großen Kometen im Jahre 1680 genannt werden muss. Er musste erleben, dass viele seiner Zeitgenossen hierin keine natürliche Erscheinung sehen wollten, sondern es für die Ankündigung eines baldigen Strafgerichtes Gottes ansahen. Bereits drei Jahre nach diesem Ereignis veröffentlichte er daher seine Schrift Ondersoek van de betekening der Cometen, bij van degene, die in de jaren 1680, 1681 en 1682 geschenen hebben. Allerdings sollte ihn das Werk De betooverde Wereld (Die bezauberte Welt) bekannt machen. Es erschien in 4 Büchern unterteilt zwischen 1691 und 1693. Hierin kämpft er nicht nur gegen den Aberglauben, sondern bestreitet erstmals in einer Form, wie es vor ihm eigentlich noch keiner gewagt hatte, die dem Teufel zugedachte Macht.
Bekkers vierbändiges Hexentraktat De betoverde Weereld erschien bereits im
Jahre 1693 in einer deutschen Version. [...] In seiner Vorrede liefert er dann
noch einmal genauere Informationen: „Ich mercke / daß die Sache / die ich
untersuchen wil / zwey Theil habe / nemlich von dem Teuffel / was er an ihm
selber weiß oder kan; von dem Menschen, was sie durch sein Zuthun wissen oder
verrichten können. Doch weil es Dinge sind / die über die Natur gehen / oder ja
die man darfür hält / und die also Gott zu gehören / so muß ich auch wissen /
was für Meynung die Menschen von der Gottheit haben / und von den Geistern in
gemein / sie seyn gut oder böse / auch von den Seelen der Menschen (die auch
Geister sind) wenn sie von dem Leibe durch den Todt abgeschieden worden.“
Hiermit liefert Bekker also eine kleine Inhaltsübersicht, die auch dem Aufbau
seines Werkes entspricht, wenn er betont, dass der Teufelsglaube eng mit dem
Hexenglauben und beide wiederum von dem Geister-, ja Gottesglaube untrennbar
sind.
Die Bezauberte Welt: Oder Eine gründliche Untersuchung Des Allgemeinen Aberglaubens, Betreffend, die Art und das Vermögen, Gewalt und Wirckung Des Satans und der bösen Geister über den Menschen, [...] Gedruckt zu Amsterdam, 1693. Michaels Kampf nimmt in der Apokalypse nur drei Verse ein (Off. 12, 7 – 9). Breiter wird die Begebenheit im Buch Henoch geschildert, einer religiösen Schrift, die nicht zur kanonisierten Bibel gehört. Engel empören sich gegen Gott und werden vom Erzengel Michael und seinen Getreuen auf die Erde gestürzt.
Albrecht Dürer: Michaels Kampf gegen den Drachen. Kolorierter Holzschnitt 1497/1498
Naturalienkabinett: auch
Naturalienkammer oder Naturaliensammlung, ist eine für das 18. Jahrhundert
typische Bezeichnung für eine Sammlung von Gegenständen aus den drei Reichen der
Natur, „welche gemeinhin wissenschaftlich geordnet und zum Behufe des Studiums
der Naturgeschichte, bisweilen auch aus Prachtliebe oder zum Vergnügen der
Dilettanten aufgestellt sind“ (Oeconomische Encyclopädie, Bd. 101). Gegenstück
des Naturalienkabinetts ist die Wunderkammer, in der nicht „Meisterwerke“ der
Natur, sondern die Meisterwerke von Handwerk und Kunst gesammelt und
systematisch ausgestellt waren. Vogel Phönix: Der Phönix (griechisch Phoínix, von altägyptisch Benu: ‚Der Wiedergeborene/Der neugeborene Sohn‘; lateinisch Phoenix) ist ein mythischer Vogel, der am Ende seines Lebenszyklus verbrennt oder stirbt, um aus dem verwesenden Leib oder aus seiner Asche wieder neu zu erstehen. Noch einen heiligen Vogel gibt es, der heißt Phoinix. Ich habe ihn nur abgebildet gesehen, denn er kommt selten nach Ägypten, in Heliopolis sagt man, nur alle fünfhundert Jahre. Er soll nur dann kommen, wenn sein Vater gestorben ist. Wenn das Bild richtig ist, sieht er folgendermaßen aus. Sein Gefieder ist teils golden, teils ganz rot. In Bau und Größe gleicht er am meisten dem Adler. Von seinem Tun erzählt man folgendes, was mir aber nicht glaubhaft scheint. Er komme aus Arabien hergeflogen und bringe die Leiche seines Vaters, in Myrrhen gehüllt, in den Tempel des Helios, wo er sie begrabe. Er trage den Leichnam folgendermaßen. Zunächst forme er ein Ei aus Myrrhen, so groß er es tragen könne, und versuche es aufzuheben. Wenn er es erprobt, höhle er das Ei aus und lege die Leiche des Vaters hinein. Die Stelle, wo er das Ei ausgehöhlt und den Vater hineingelegt, klebe er dann wieder mit Myrrhen zu, und das Ei sei nun ebenso schwer wie vorher. Und nun trage er es nach Ägypten in den Tempel des Helios. So erzählt man von diesem Vogel.
Herodot, Historien 2,73.
HISTORIÆ NATURALIS DE AVIBUS LIBRI VI. Cum æneis figuris IOHANNES IONSTONUS MED: DOCTOR Concinnamit. FRANCOFURTI AD MOENUM. MDCL. Boskett: aus franz. bosquet: kleiner Wald, Lustwäldchen Goldkolibritt: Goldschwanzkolibri
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2. Münchhausens Bekenntnisse.
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Mein Großvater, seligen Andenkens, hatte, wie manche Großväter zu ihren Enkeln, eine unbeschreibliche Liebe zu mir. Meine erste Jugendzeit verlebte ich mehr bei ihm, als bei meinen Eltern. Er war Geschäftsmann. Ein Mann von ganz außerordentlichen Kenntnissen. Frühe hatte er sein großes Genie ausgebildet und seine Kräfte größtenteils im Dienste eines gewissen Staats verwendet. Schon hatte er sich unverwelkliche Lorbeeren des Ruhmes um seine Schläfe gewunden. Er lebte von seinen Renten sehr gemächlich, und konnte also nun, da er sein Leben so ruhig hinbrachte, auch einen Teil seiner Muße darauf verwenden, mich zu beobachten, und schon im Voraus zu sehen, was vielleicht aus mir einst werden könnte.|[48] Er bemerkte dann in mir, ob ich gleich damals erst zwölf Jahr alt war, ein großes Genie, aber auch eben so viele Liebe zu einem gemächlichen Leben. Wie denn dies größtenteils den Genien so zu gehen pflegt, oder so eigen zu sein scheint. Sie wollen bloß die Blumen ihres eigenen Feldes anbauen, ohne sich darum zu bekümmern, ob es Disteln oder Dornen sind. Mit dieser Liebe zur Bequemlichkeit war zugleich ein Eigensinn, ein solches rechthaberisches und ruhmsüchtiges Wesen vereinbaret, dass ein Mann, wie er, der nicht allein den Geist seines Zeitalters kannte, sondern den Geist kommender Jahrhunderte mit dem Scharfsinne eines Philosophen durchblickte, gleich an mir wahrnahm, was ich ungefähr in der Folge für eine Rolle in der Welt spielen würde. Hätte ich länger das Glück haben können, seine Aufsicht, seine Erziehung, seinen Unterricht, seinen Umgang; – kurz, seine Bildung zu genießen, so wäre es freilich wohl noch um vieles anders mit mir geworden. Aber so, wusste er, war ich der zu große Liebling meines Vaters, einziger Sohn, und eben so der Zärtling meiner Mutter. Mein Großvater war sieben und siebenzig Jahr alt, als er starb. Wenige Stunden vor seinem Tode – er starb an der Entkräftung des|[49] Alters, eine Krankheit, woran jetzt so viele Jünglings aus der Welt gehen – musste ich vor sein Bette kommen – – ich war erst siebenzehn Jahr alt, und er sagte mir Folgendes: „Mir winken die Schatten meiner Vorfahren. In wenigen Augenblicken muss ich der Natur ihren Tribut bezahlen; wie meine Väter, so auch ich. Höre, mein Sohn! Längst sah ich in dem Spiegel der Zukunft deinen ganzen Lebensplan. Du hast, wie der größte Teil deiner Kaste, nicht Lust zu ernsthaften Geschäften oder zum Studieren. Ich will für dein künftiges Fortkommen in der Welt sorgen. Hier hast du ein Kästchen, ein Erbstück von mehreren meiner Vorfahren, die dieses kostbaren Schatzes, der darin enthalten ist, nicht bedurften, weil sie sich, jeder auf besondere Art, auszuzeichnen vermochten. Weder sie noch ich haben ihn je geöffnet. Hier hast du den Schlüssel dazu. Mache aber nicht eher Gebrauch davon, als bis du die männlichen Jahre erreicht hast. Suche dasselbe aufzubewahren, und zeige es niemanden. Lass dir keins von diesen Stücken entwenden. Du wirst sie alle nötig haben.“ – Ich weinte, küsste mit Dankbarkeit seine Hand und seinen Mund. Er erteilte mir darauf seinen Segen nach großväterlicher Sitte, und – verschied mit einer Ruhe, mit einer Heiterkeit, die nicht ihres Gleichen hatte.|[50] Ich nahm den Kasten, und ging. So voll Schwermut auch mein Herz über den geliebten Abgeschiedenen war, so bemächtigte sich doch ein unbeschreiblicher Frohsinn meiner Seele; ich blickte mit heiterem Lächeln auf das süße Geschenk. Was glaubte ich wohl Anders darin zu finden, als Schätze von unermesslichem Werte? Und doch dachte ich, indem ich ihm mit prüfender Hand wog – er war etwa 4 Fuß lang und einen Fuß breit – dazu ist er nicht schwer genug. Er kann also wohl keine große Summe von Goldstücken enthalten; aber vielleicht liegen Diamanten darin oder Edelsteine von großem Werte. Kurz, allerlei Mutmaßungen umgaukelten meine Seele. Die Tage. wo er auf dem Paradebette lag, und wo er völlig zur Erde bestattet, oder vielmehr in seinem Familiengewölbe beigesetzt wurde, ließ ich vorübergehen: aber sie dauerten lange, ehe ich meine Neugierde befriedigen konnte. Endlich öffnete ich ihn in einer einsamen Stunde, und fand Folgendes in demselben. 1) Einen schönen Degen mit einem vergoldeten Gefäße. 2) Einen Ring mit einem Diamant, der zwar sehr schön glänzte, aber doch nicht groß war, weil sein wahrer Wert, wie in den alten|[51] Zeiten gewöhnlich, in dem Kasten vergraben war. 3) Ein besonderes Wesen an einem Bande anhängend, welches ich noch nicht kannte. Dies schien mir gar keinen Wert zu haben. Der Degen blitzte mir nun freilich am meisten ins Gesicht. Doch dachte ich, als ich das alles lang genug betrachtet hatte, und der erste Eindruck vorüber war: ist das die ganze Herrlichkeit? Wie konnte dein Großvater dich so täuschen? Eben als ich mich mit diesen Gedanken beschäftigte; sah ich zugleich eine Schrift in dem Kasten liegen, die zwar ziemlich altfränkisch aussah, aber doch noch immer nicht ganz unleserlich war. Ich las: „Sterblicher! wer du auch seist, wenn Du diesen Fund gehörig anwendest; so bist du reich, glücklich, geehrt genug.“ Ich ward schon aufmerksamer. Ich las weiter: „Mit dem Degen in der Faust kannst Du alle Schlachten gewinnen, die Du beginnest. Kein Feind kann Dir irgend eine Wunde beibringen.“|[52] „Mit dem Ringe bist Du im Stande, so oft Du ihn am Finger trägst, und den Diamant in die Hand hineindrehst, Dich unsichtbar zu machen.“ „Mit dem Talisman, den Du als einen Gürtel am Halse tragen musst, bist Du sicher vor allen nur möglichen Unfällen des menschlichen Lebens, und hast vorzüglich dadurch die Gabe, Dich allgemein geehrt zu sehen, und erhältst zugleich eine ungeheure Einbildungskraft, durch Erzählungen von Geschichten aller Art Dich bei allen Menschen in allen Stücken beliebt zu machen.“ Was ich jetzt tat? Ich band gleich den Talisman um meinen Hals, und ich fand in meinem ganzen Wesen eine solche Zufriedenheit, einen Frohsinn, eine solche eigene Durchströmung desselben in alle Teile meines Körpers, eine solche Liebe zum Phantasieren, dass ich nicht im Stande bin, dies Gefühl zu beschreiben. Den Ring steckte ich an meinen Finger, und kehrte die innere Seite des Diamants in die Hand hinein. – Schon war ich nicht mehr an der Stelle; ich sah mich selbst nicht. Ich drehte ihn wieder nach Außen, und ich war wieder – bei meinem Kasten. Ha! dachte ich, Damit sollst du noch Kunststücke genug machen – als er mir sogleich in Stücken vom Finger fiel.|[53] Jetzt dachte ich an die Worte meines Großvaters; an mein Gelübde, welches ich hatte tun müssen, nicht eher, als bis ich meine männliche Jahre erreicht haben würde, Gebrauch davon zu machen. Ich ließ ihn wieder zurecht machen; aber er hatte seine Wirkung verloren. Wie sehr beklagte ich das! Ängstlich, auch das Übrige zu verlieren, machte ich meinen Kasten zu, verschloss ihn, und bewahrte ihn an einem Orte, wovon ich gewiss wusste, dass er vor neugierigen Spähern sicher ‘ war. Aus diesen Umständen wird man es sich leicht erklären können, woher es kam, dass ich ein so vorzüglich wunderbarer Mann ward, der so viele seltsame Reisen und Abenteuer bestanden, und sich so berühmt gemacht hat. |
Bekenntnisse: Schnorr hat Münchhausens Autobiographie frei erfunden; einige Angaben zeigen aber, dass er nähere Kenntnisse über die Familie der von Münchhausens gehabt haben muss und auch die Ereignisse um die gescheiterte zweite Ehe und um den Tod des Barons aus unmittelbarer Nähe miterlebt hat. auf dem Paradebette: Ein mit schwarzem Stoff behängtes und sonst ausgeschmücktes Gerüst, auf dem die Leiche hochgestellter Personen öffentlich zur Schau ausgestellt wird. ein besonderes Wesen: über den später als „Talismann“ bezeichneten Gegenstand macht der Erzähler keine genaueren Angaben. altfränkisch: altmodisch, veraltet, altväterisch
Degen: magische Waffe. In der Legende von
König Arthur ist der König selbst in den meisten Varianten mit zwei
magischen Schwertern verwandt. Das erste ist das Schwert im Stein . Nur
Arthur konnte es herausholen und damit beweisen, dass er der rechtmäßige
König ist. In einigen Geschichten ist dies sein einziges Schwert. In den
meisten Varianten wurde dieses Schwert dann gebrochen und er erhält von The
Lady of the Lake ein neues Schwert namens Excalibur , das wohl berühmteste
der magischen Schwerter. Caliburn war der ursprüngliche Name von Excalibur.
In der walisischen Legende ist Arthurs Schwert als Caledfwlch bekannt.
Geoffrey von Monmouths Geschichte der Könige von Großbritannien ist die
erste nicht-walisische Quelle, die vom Schwert spricht. Geoffrey sagt, das
Schwert sei in Avalon geschmiedet worden und latinisiert den Namen "Caledfwlch"
als Caliburnus. Als seine einflussreiche Pseudogeschichte es nach
Kontinentaleuropa schaffte, änderten Schriftsteller den Namen weiter, bis er
schließlich die populäre Form Excalibur annahm. In anderen Varianten ist
Excalibur selbst das Schwert im Stein. Aus den verschiedenen Berichten der
Arthur-Legende geht nicht hervor, ob Excalibur selbst magische Kräfte besaß
oder nur einen magischen Ursprung hatte, obwohl seine Scheide seinen Träger
vor körperlichen Schäden schützte. Viele Interpretationen der Legende
scheinen Excalibur eine Schnittfestigkeit und Haltbarkeit zu verleihen, die
über die gewöhnlicher Waffen hinausgeht. In Wolfram Von Echenbachs Parzival
erhält der gleichnamige Held vom Gralskönig Anfortas ein Schwert. Parzivals
Cousin erklärt: "Das Schwert wird dem ersten Schlag unbeschadet standhalten.
Beim zweiten wird es zerbrechen. Wenn Sie es dann zurück in die Quelle
bringen, wird es durch den Wasserfluss wieder ganz. Sie müssen das Wasser
haben." die Quelle… Wenn die Teile nicht verloren gehen und Sie sie richtig
zusammenfügen, wird das Schwert wieder ganz, sobald das Quellwasser sie
benetzt, und die Verbindungen und Kanten sind stärker als zuvor. “
unsichtbar: In der Politeia erzählt Platons
Bruder Glaukon eine Version des auch anderweitig überlieferten berühmten
Mythos von der Machtergreifung des lydischen Königs Gyges, des Begründers
der Mermnaden-Dynastie. Gyges war ursprünglich ein einfacher Hirte. Er fand
in einer Erdspalte einen Leichnam, der an der Hand einen goldenen Ring trug.
Diesen eignete sich Gyges an. Er fand heraus, dass er sich mittels des Rings
unsichtbar machen konnte. Die damit erlangte magische Macht nutzte er, um
eine Stellung am Hof des Königs zu erlangen und dessen Frau zum Ehebruch zu
verführen. Schließlich tötete er den König und riss die Herrschaft an sich.
Mit dieser Erzählung will Glaukon seine Überzeugung illustrieren, dass Macht
generell korrumpiere und niemand sich der Versuchung entziehen könne, wenn
sich eine Gelegenheit zum Machtmissbrauch biete.
Er sei nämlich ein Hirte im Dienste des damaligen Herrschers von Lydien
gewesen, und infolge starken Regens und eines Erdbebens sei ein Riß in der
Erde entstanden und eine Öffnung an dem Orte, wo er weidete. Wie er das sah,
habe er sich gewundert und sei hinabgestiegen und habe da, unter anderem
Wunderbaren, von dem die Sage erzählt, auch ein hohles ehernes Pferd
erblickt, mit Türen, zu denen er hineingeguckt und innen einen Leichnam, wie
es schien, von mehr als menschlicher Größe gewahrt habe. Dieser habe sonst
nichts gehabt als an der Hand einen goldenen Ring, den er sich an den Finger
gesteckt habe, und dann sei er herausgestiegen. Bei der gewöhnlichen
Zusammenkunft der Hirten, um dem Könige den Monatsbericht über die Herden zu
erstatten, habe darauf auch er sich eingefunden, mit dem Ring am Finger. Wie
er so unter den übrigen saß, habe er zufällig den Ringkasten gegen sich, dem
Innern der Hand zu, gedreht; infolgedessen sei er seinen Nebensitzern
unsichtbar geworden, und sie haben von ihm als einem Abwesenden gesprochen.
Er habe sich gewundert, wieder den Ring angefaßt und dessen Kasten nach
außen gedreht, und darauf sei er sichtbar geworden. Als er dies bemerkt,
habe er mit dem Ringe den Versuch gemacht, ob er diese Kraft besitze: und
wirklich sei es ihm immer so gegangen, daß, wenn er den Kasten nach innen
gedreht, er unsichtbar geworden sei, und sichtbar, wenn er ihn nach außen
gedreht. Nach dieser Entdeckung habe er sogleich es dahin zu bringen gewußt,
daß er einer der an den König Abgesendeten wurde. Da habe er denn dessen
Weib zum Ehebruch verführt, habe in Gemeinschaft mit ihr dem Könige
nachgestellt, ihn ermordet und sich der Herrschaft bemächtigt. Talismann: ein kleiner Gegenstand, dem zauberkräftige, Glück bringende Eigenschaften zugeschrieben werden. |
Meine Freude über die Wirkung des Talismans war außerordentlich. Oft war ich schon als Jüngling in großen Verlegenheiten, besonders in Damengesellschaften, gewesen, wo ich durchaus aufgefordert wurde, etwas zu erzählen, wenn sie nicht mehr wussten, was sie vor lange Weile beginnen sollten. Dann saß oder stand ich da, wie Butter an der Sonne. Jetzt, dachte ich, bist du gesichert. Ich war ein ganz anderer Mensch. Ich wartete auf den Point nicht einmal ab, wo|[54] ich dazu aufgefordert wurde, Etwas zu erzählen. Ich machte meine Gesellschaft, wie aus meinen Geschichten bekannt ist, so aufmerksam, dass Alles Nasen und Ohren, ja auch den Mund aufsperrte, worüber ich mich dann nicht wenig freuete. Nicht lange – und ich ward das Wunder meiner Zeitgenossen. Wie beklagte ich noch oft den Ring! Mit dem Degen in der Faust begann ich alle jene Großtaten. Wenn ich nur diesen Degen hatte, so vermochte ich alles. Aber ich habe auch alle diese Stücke verloren. Nur wenige Spuren von Wirkungen dieser Dinge sind mir übrig geblieben. Ein Glück für mich, dass ich sie nur dann erst verlor, als ich sie ziemlich entbehren konnte. Der junge Pitt, damals noch nicht Minister, der auch in der Welt berühmt werden wollte, und es auch geworden ist, stahl mir meinen Talisman, des Nachts, als ich in Pyrmont die Brunnenkur brauchte. Er war des andern Morgens sehr frühe über alle Berge. Meinen schönen Degen hat Suwarow geliehen, als er mich einst besuchte, ehe er in den letzten Türkenkrieg ging. So bin ich um alles gekommen.|[55] Und doch bin ich vergnügt, und habe zu leben, liebe seit dieser Zeit das Landleben über alles, und die stille Ruhe und Heiterkeit, den Umgang mit meinen Freunden und Lieben, und werde es nie vergessen. auch ohne jene Schätze, was Hölty sang: O wunderschön ist Gottes Erde, Und wert, darauf vergnügt zu sein. Drum will ich, bis ich Asche werde, Mich dieser schönen Erde freun.
–––|[56] |
Point: die Stelle
Der junge Pitt:
William Pitt, 1. Earl of Chatham (1708-1778) war Premierminister von
Großbritannien. Von 1737 bis 1745 hatte er das Hofamt des Groom of th Bedchamber
des Prince of Wales inne. 1746 wurde er Vizeschatzmeister von Irland und bald
darauf Mitglied im Privy Council und Generalzahlmeister der Armee. Nachdem er
1755 aus dieser Stellung ausgeschieden war, wurde er 1756 zum Ersten
Außenstaatssekretär (Secretary of State for the Southern Department) ernannt,
erhielt aber schon nach zwei Monaten seine Entlassung, da er den Krieg nur mit
Rücksicht auf die englischen Interessen und ohne Berücksichtigung der
hannoverschen Erblande des Königs geführt wissen wollte. Doch war die
öffentliche Meinung so entschieden auf seiner Seite, dass schon nach einigen
Monaten seine Wiederanstellung erfolgte. Dazu wurde er Leader of the House of
Commons. Er führte nun das Staatsruder so geschickt und kraftvoll, dass
Großbritannien bald über Frankreich in allen Weltteilen die größten Vorteile
errang.
William Hoare: William Pitt. Öl auf Leinwand, um 1754.
Suwarow:
Alexander Vasilyevich Suvorov (1729-1800) war ein russischer General. Er kämpfte
im russisch-türkischen Krieg von 1768–1774, wobei er in der Schlacht von
Kozludzha einen entscheidenden Sieg errang. Als General der Infanterie
befehligte er den russisch-türkischen Krieg von 1787 bis 1792 und errang in der
Schlacht von Rymnik und der Belagerung von Izmail vernichtende Siege. Hölty: Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748- 1776) war ein Dichter im Umfeld des die Natur verehrenden Göttinger Hainbunds.
Noch macht der Saft der Purpurtraube
Noch tönt der Bush voll Nachtigallen
O wunderschön ist Gottes Erde,
Gedichte von Ludewig Heinrich Christoph Hölty. Besorgt durch seine Freunde Friederich Leopold Grafen zu Stolberg und Johann Heinrich Voss. Hamburg 1783, S. 104. |